Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
sie
ahd. Nominativ Singular Fem. siu, si, Akkusativ Singular Fem. sia, Nominativ/ Akkusativ Plural Mask. sie, Fem. sio, Neutr. siu, mhd. sie, si, si, nhd. siefür alle Kasus;1 Personalpronomen 3. Person Singular Fem. ; Gegensatz "er", "es": Ich lobe sie und nicht dich (L169 Matthias Kramer), er wird sie heuraten (ebenda); literarisch, auch ohne wiederaufnehmende Funktion, Bezeichnung der Geliebten, emphatisch: was soll die sonne mir? ist sie doch meine sonne(Opitz; L059 DWb s. v. Sonne), Im frühlingsschatten fand ich sie / … / Ich sah sie an (Klopstock; L059 DWb); z. T. zur Bezeichnung des natürlichen Geschlechts im Gegensatz zum grammatischen Genus: Was ist dem Mädchen, pflegt sie so zu sein? (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Tod 3,4); bei der Wiederaufnahme emphatisch isoliert: die königin, sie nur vernimmt den fusztritt(Klopstock; L059 DWb); als Höflichkeitsanrede für weibliche Personen seit der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts mit singularischem Verb: Celinde… wie kommt sie an den ort bei ungeheurer nacht? (A.Gryphius; L059 DWb), Ach seh' Sie nur! ach schau' Sie nur! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2881), dann bis ins 18. Jahrhundert auch zum Ausdruck sozialer Unterschiede: Ich komme, gnädiges Fräulein, Ihnen einen… guten Morgen zu wünschen – und auch ihr, mein schönes Kind (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Minna 2,2); seit dem 12. Jahrhundert substantivisch zur Bezeichnung des weiblichen Geschlechts: ez si ein sie, ez si ein er (Walther v. d.Vogelweide; L059 DWb), es ist eine Sie (L308 Kaspar Stieler), häufig auf Tierweibchen bezogen; dazu das ursprüngliche Diminutiv Sicke, Sieke (Anfang des 18. Jahrhunderts) jägersprachlich ›Vogelweibchen‹; zur Kennzeichnung der eigenen Person heute häufig in Kontaktanzeigen: Sie (31) sucht zärtliche, niveauvolle Sie (1990 Emma, Nr. 7,53);
2 Personalpronomen 3. Person Plural, zur Vertretung pluralischer Substantive: viel Widerchristen… Sie sind von vns ausgegangen / Aber sie waren nicht von vns (A180 Martin Luther, 1.Johannes 2,19); mit Bezug auf ein allgemeines Subjekt ›man, Leute‹, mhd. daz sie daheizent minne (Walther v. d.Vogelweide; L059 DWb), im politischen Kontext häufig zur Bezeichnung von Macht: Wir sind gerecht, Das sind sie nicht!(Klopstock, Wir und Sie), Sie haben Gefängnisse und Festungen / … / Glauben sie denn, daß sie uns damit kleinkriegen? (B.A025 Bertolt Brecht, Mutter; 2,865); seit Ende des 17. Jahrhunderts als ⇓ "S011" Anrede auch in singularischer Bedeutung mit pluralischem Verb: sie haben… gnädigster patron, / der christen fest… begangen (Gryphius; L059 DWb), Was machen Sie? (L169 Matthias Kramer), so Gegensatz zu "du": sterbend [möcht ich] zu dir sprechen: / Madame, ich liebe Sie! (A118 Heinrich Heine, Die Heimkehr XXV), dieses stolze sie (Platen; L059 DWb), sie soll einen Mann geliebt haben, zu dem sie ihr schönstes Sie gesagt hat (A004 Ingeborg Bachmann, Malina 128), als Markierung des Kindheitsendes Sie hielt die Anrede mit ›Sie‹… nach der Versetzung in die zehnte Klasse… für… zuständig (A142 Uwe Johnson, Babendererde 153), auch beleidigend: ›Seien Sie still, Sie! Sie kennen wir ganz genau, Sie!‹ (A170 Wolfgang Langhoff, Moorsoldaten 13), aber auch Gegensatz zu Verachtung ausdrückendem "du": ›Wohin denken Sie?‹ ›Faß' dieses End' an… Memme!‹ (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 4,3); E.Seebold, Das System der Personalpronomina in den frühgermanischen Sprachen, 1984.
siezen L308 Kaspar Stieler 1691; von L033 Joachim Heinrich Campe der niedrigen, nicht verwerflichen Schreibart zugewiesen: »Sie zu jemand sagen« (ebenda); ⇑ "ihrzen", "duzen".
2 Personalpronomen 3. Person Plural, zur Vertretung pluralischer Substantive: viel Widerchristen… Sie sind von vns ausgegangen / Aber sie waren nicht von vns (A180 Martin Luther, 1.Johannes 2,19); mit Bezug auf ein allgemeines Subjekt ›man, Leute‹, mhd. daz sie daheizent minne (Walther v. d.Vogelweide; L059 DWb), im politischen Kontext häufig zur Bezeichnung von Macht: Wir sind gerecht, Das sind sie nicht!(Klopstock, Wir und Sie), Sie haben Gefängnisse und Festungen / … / Glauben sie denn, daß sie uns damit kleinkriegen? (B.A025 Bertolt Brecht, Mutter; 2,865); seit Ende des 17. Jahrhunderts als ⇓ "S011" Anrede auch in singularischer Bedeutung mit pluralischem Verb: sie haben… gnädigster patron, / der christen fest… begangen (Gryphius; L059 DWb), Was machen Sie? (L169 Matthias Kramer), so Gegensatz zu "du": sterbend [möcht ich] zu dir sprechen: / Madame, ich liebe Sie! (A118 Heinrich Heine, Die Heimkehr XXV), dieses stolze sie (Platen; L059 DWb), sie soll einen Mann geliebt haben, zu dem sie ihr schönstes Sie gesagt hat (A004 Ingeborg Bachmann, Malina 128), als Markierung des Kindheitsendes Sie hielt die Anrede mit ›Sie‹… nach der Versetzung in die zehnte Klasse… für… zuständig (A142 Uwe Johnson, Babendererde 153), auch beleidigend: ›Seien Sie still, Sie! Sie kennen wir ganz genau, Sie!‹ (A170 Wolfgang Langhoff, Moorsoldaten 13), aber auch Gegensatz zu Verachtung ausdrückendem "du": ›Wohin denken Sie?‹ ›Faß' dieses End' an… Memme!‹ (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 4,3); E.Seebold, Das System der Personalpronomina in den frühgermanischen Sprachen, 1984.
siezen L308 Kaspar Stieler 1691; von L033 Joachim Heinrich Campe der niedrigen, nicht verwerflichen Schreibart zugewiesen: »Sie zu jemand sagen« (ebenda); ⇑ "ihrzen", "duzen".