Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
sich
(urverwandt mit lat. se, griech. ) Reflexivpronomen (L012 Otto Behaghel, Syntax 1,295ff.) für alle Geschlechter und für Singular und Plural 3.Person; ursprünglich nur Akkusativ, Dativ (got. sis) schon althochdeutsch nicht mehr vorhanden und durch die betreffenden Formen von "er" ersetzt; noch frühneuhochdeutsch, allgemein bei Luther ihm, ihr, ihnen als Ersatz: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, Akkusativform sich in neueren Bibelausgaben geht nicht auf Luther zurück; Genitiv frühnhd. sein, mhd. sin, später ersetzt durch die erweiterte Form seiner(entsprechend dein[er], mein[er]), das frühzeitig die Funktion eines Genitivs von er mit übernimmt, dabei andererseits auf Maskulinum und Singular beschränkt, so daß man für das Femininum und den Plural die Formen von er auch reflexiv verwenden muß: sie sind ihrer nicht mehr mächtig. Die Verbindung eines Verbs mit einem Reflexivum wird häufig eine engere als die mit einem anderen Objekt, indem die beiden Funktionen des Gegenstandes als eines tätigen und als eines leidenden nicht mehr auseinander gehalten werden, und das Ganze als ein an dem Subjekt sich vollziehender Vorgang erscheint. So übernimmt das Reflexivum die Funktion eines Intransitivums: sich legen, setzen, stellen, bewegen, regen, rühren, stürzen, heben, senken, erkälten, erneuern, erhöhen u. v.a.; mit besonderer Bedeutungsentwicklung sich befinden, begeben. Mitunter ist nur das Reflexivum, zumindest nur in einer gewissen Funktion üblich: sich schämen, entrüsten, bewerben; Verbindungen mit Richtungsbezeichnungen: sich hin- (her-, nach Hause usw.) finden, fragen usw., sich einschmeicheln, sich durchschlagen, durchbetteln usw., ferner sich umsehen, umschauen, umblicken, umhören, umtun; Verbindungen mit Zustandsbezeichnungen: sich zu Tode lachen, sich zuschanden arbeiten; mit prädikativem Adjektiv: sich satt essen (sehen), müde arbeiten, heiser schreien, tot lachen usw.; dativisch: sich die Finger lahm schreiben, die Füße wund laufen usw. Besonderer Art sind Reflexiva, bei denen nur ein Nebensatz oder ein ihn vertretendes Pronomen als Subjekt stehen kann: es fragt sich, ob er kommt; es handelt sich darum, ob er der erste gewesen ist; ferner unpersönliche Wendungen wie es lebt (tanzt, fährt usw.) sich gut, leicht, schlecht usw. Eine eigene Bedeutungsentwicklung haben viele Verbindungen mit Präpositionen gehabt: an sich, für sich, an und für sich; auf sich (das hat nichts auf sich, was das auf sich hat); vor sich (gehen); um sich (sehen, schauen, blicken); in sich(gehen), außer sich, bei sichbei Besinnung‹, ›zu Hause‹ nach franz. chez soi zuweilen bei A075 Johann Wolfgang von Goethe, (z. B. Werther 24.12.1771): bat ich sie, sie bei sich sehen zu dürfen, zu sich (kommen), aus sich (herausgehen), von sich ↑ "selbst"; reziprok gebraucht neben pluralischem Subjekt ›einander‹: sie (Karl und Fritz) schlagen sich, Hans und Inge küssen, lieben sich, sie geben sich die Hände, mitunter auch neben sonst intransitiven Verben sich streiten, zanken; dann auch mit singularischem Subjekt verbunden: er streitet sich (nicht gern) mit ihm. E.Seebold, Das System der Personalpronomina in den frühgermanischen Sprachen, 1984. Zur landschaftlich unterschiedlichen Aussprache von sich (besonders im Süddeutschen) vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 4–63).
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