Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schwer
ahd. swari, mhd. swære, gemeingermanisch (got. swers ›geehrt‹, altnord. svarr), urverwandt litauisch scarús, griech. hérma ›Ballast‹.1 Relativ ›ein bestimmtes Gewicht habend‹, nur in Verbindung mit einer näheren Bestimmung: drei Pfund schwer, so schwer wie, physikalisch ein Körper [heißt] schwer, wenn man in ihm ein Bestreben findet, sich nach der Masse der ganzen Erdkugel hin… zu bewegen (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1794);
2 absolut ›großes Gewicht habend‹, ⇓ "S012" Gegensatz "leicht" (↑ "alt"): er war alt / vnd ein schweer Man (A180 Martin Luther, 1.Samuel 4,18), schwer geladener [beladener] Wagen (L169 Matthias Kramer), zur Bezeichnung der Belastung mit etwas anderem schwerer Korb, Wagen, Beutel, hierher auch schwere Waffen (L200 Josua Maaler) übertragen ›leistungsstark‹, seemannssprachlich schwere See ›stürmisch‹ (1820; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache); mit ungenauer Anknüpfung einen schweren [›schwerfälligen‹] Gang haben (L169 Matthias Kramer), er tanzt schwer ›unbeholfen‹, hat eine schwere Zunge ›spricht mühsam‹; der Gegenstand, womit etwas belastet ist, wird gewöhnlich durch von angeknüpft, veraltet ist der Genitiv: schwer des Fettes (Voß), z. T. fortgesetzt in übertragen gebrauchten Zusammensetzungen: inhaltsschwer, sorgenschwer, gedankenschwer, ahnungsschwer usw.; in vielfachen Übertragungen,
2.1 als Qualitätsbezeichnung ›gehaltvoll‹, swaeres ezzen (14. Jahrhundert; L059 DWb), ursprünglich gewerbesprachlich schwerer Sammt (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1794), ein schwerer Wein, schwerer Duft; nach der Analogie des Empfindungseindrucks
2.2 ›drückend, lästig‹: mit schwerer erbeit im Thon vnd Zigeln (A180 Martin Luther, 1.Mose 1,14), schwere Zeiten (Luther), Das du mich erlösest aus dieser schweren schmach (A180 Martin Luther, Tobias 3,16), Ein schware Kranckheit haben (L200 Josua Maaler s. v. Krankheit), auf Geistiges gewendet kopff… schwär vom weyn (L200 Josua Maaler), schwere Strafe (L169 Matthias Kramer), ein schweres Leben haben, es schwer haben, eine schwere Jugend gehabt haben (L059 DWb), schwere Schuld, schwerer Schaden, schwere Zweifel (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,3), schwerer Verdacht, etwas schwer empfinden, bereuen, seit dem Althochdeutschen (L059 DWb) mit schwerem Herzen, Schwermut (s. unten); weiterentwickelt zu
2.3 ›der Ausführung Hindernisse entgegenstellend, schwierig‹, lat. difficilis: wer schweer ding forschet (A180 Martin Luther, Sprüche Salomos 25,27), schwer mit ihm zurecht kommen, schwer zu verstehen (L308 Kaspar Stieler), einem schwer fallen (L169 Matthias Kramer), ein schwerer Text (ebenda), es wird ihm schwer gemacht (ebenda), schwer hören, er begreift schwer, schwer von Begriff (L059 DWb), sprichwörtlich aller Anfang ist schwer (vgl. L169 Matthias Kramer);
2.4 seit dem 18. Jahrhundert abgeblaßt, ⇓ "S229" ›sehr‹, sich schwer hüten (L003 Johann Christoph Adelung 1780), Du hast sie schwer beleidigt (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,15), schwer betrunken sein, gleichbedeutend umgangssprachlich
⊚ schwer geladen haben (L059 DWb), schwerreich (18. Jahrhundert; L059 DWb), ebenso ›viel‹ schweres Geld (L003 Johann Christoph Adelung 1780), ›groß‹ eine schwere Menge (L003 Johann Christoph Adelung 1780); hierher auch umgangssprachlich schwerer Junge (Avé-Lallemant) ›Verbrecher‹. Dazu ↑ "beschweren" ("Beschwerde"), erschweren. Zu schwer(2.3)
unschwer (16. Jahrhundert) ›leicht‹, häufig auf Erkenntnisprozesse bezogen: unschwer zu ersehen (17. Jahrhundert; L059 DWb), unschwer zu erkennen (Grimmelshausen; L059 DWb);
Schwerarbeiter (↑ "arbeiten") und, »um die Lebensmittel in Kriegszeiten gerecht zu verteilen«,
Schwerstarbeiter (beide L320 Trübner);
schwerfällig um 1400 mittelniederdt. swarvellich, hochdeutsch seit 1734 (L305 Christoph Ernst Steinbach); auf die Bewegung bezogen schwerfälliger Gang, schwerfällig tanzen(L003 Johann Christoph Adelung 1780); übertragen, z. B. auf sprachliches Vermögen bis zur schwerfälligsten… weitschweifigkeit (Schopenhauer; L059 DWb);
schwerflüssig Ende des 18. Jahrhunderts zunächst von Metallen, die schwer zum Schmelzen zu bringen sind; im 19. Jahrhundert übertragen ›schwermütig‹ (Grillparzer, Freytag);
Schwergewicht »ein durch seine Schwere wirkendes, oft übertr.« (L264 Daniel Sanders): das schwergewicht einer sache (L059 DWb), das Schwergewicht verlagern; seit früherem 20. Jahrhundert (vgl. L320 Trübner) im Boxen usw. (über 80kg) wohl nach engl. heavy weight; auf Personen bezogen zum Ausdruck körperlicher Fülle oder großer Sachkenntnis: Rechtsanwalt Wildermuth… , der… als juristisches Schwergewicht… bekannt war (Kirst; L098 2GWb);
Schwerkraft (Physik) ⇓ "S125" Lehnübertragung von Gravitation; 1789 Schiller: schon im ersten Moment seines Aufsprunges zieht die Schwerkraft an ihm;
schwermütig spätmhd. swærmüetec; von der melancholischen Gemütsverfassung; übertragen auf Klänge schwermüthige melodie (L059 DWb); daraus ⇓ "S183" rückgebildet
Schwermut (Luther): augen voll schwermut (Thümmel; L059 DWb);
Schwerpunkt ⇓ "S125" Lehnübertragung von lat. centrum gravitatis (1734 Wolff); übertragen wußte er während des Gesprächs den Schwerpunkt zu verteilen (Thümmel; L264 Daniel Sanders), im Sinne von ›Priorität‹ häufig im Plural Schwerpunkte setzen, dazu heute Schwerpunktbildung, schwerpunktmäßig (vgl. L337 WdG);
Schwere ahd. suari, mhd. swære; schwer folgend Schwere der Kranckheit (L305 Christoph Ernst Steinbach) usw., physikalisch bei A222 Friedrich Schiller: Dient sie knechtisch dem Gesetz der Schwere(Die Götter Griechenlands; 2.1,366); übertragen ›Bedeutsamkeit‹: Schwere der Worte (L308 Kaspar Stieler), negativ die Schwere eines Verbrechens (L003 Johann Christoph Adelung 1780);
Schwerenot mhd. unverbunden swære not; frühneuhochdeutsch speziell ›Epilepsie‹, so wohl auch in der fluchenden Interjektion (18. Jahrhundert), verstärkt tausend Schwerenot (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Götz 1,1), Schockschwerenot;
Schwerenöter (1778; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ursprünglich ›durchtriebener Mensch‹, eigentlich ›einer, dem man die Schwerenot wünscht‹; seit etwa 1850 abgeblaßt von einem, der sich um Frauen bemüht (L181 Otto Ladendorf 284);
schwerlich ahd. swarlih(ho), mhd. swærlich(e), noch frühneuhochdeutsch adverbial: ich habe schwerlich gesündigt (Luther); ›mit Mühe, unter Hindernissen‹: das Herz dieses Volks ist verstocket, und sie hören schwerlich mit Ohren (Luther); daraus entwickelt zu heutigem ›unwahrscheinlich, kaum‹, zunächst nur in Sätzen mit futurischem Inhalt; der Übergang in einem Satz wie ein Kaufmann kann sich schwerlich[›schwer‹] hüten vor Unrecht (Luther); nach vollständiger Ausbildung der neuen Vorstellung auch auf Vergangenheit und Gegenwart bezogen: er ist schwerlich angekommen, Das kann ich schwerlich glauben (L003 Johann Christoph Adelung 1780); zur Bedeutungsentwicklung ⇑ "kaum", "vielleicht".
2 absolut ›großes Gewicht habend‹, ⇓ "S012" Gegensatz "leicht" (↑ "alt"): er war alt / vnd ein schweer Man (A180 Martin Luther, 1.Samuel 4,18), schwer geladener [beladener] Wagen (L169 Matthias Kramer), zur Bezeichnung der Belastung mit etwas anderem schwerer Korb, Wagen, Beutel, hierher auch schwere Waffen (L200 Josua Maaler) übertragen ›leistungsstark‹, seemannssprachlich schwere See ›stürmisch‹ (1820; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache); mit ungenauer Anknüpfung einen schweren [›schwerfälligen‹] Gang haben (L169 Matthias Kramer), er tanzt schwer ›unbeholfen‹, hat eine schwere Zunge ›spricht mühsam‹; der Gegenstand, womit etwas belastet ist, wird gewöhnlich durch von angeknüpft, veraltet ist der Genitiv: schwer des Fettes (Voß), z. T. fortgesetzt in übertragen gebrauchten Zusammensetzungen: inhaltsschwer, sorgenschwer, gedankenschwer, ahnungsschwer usw.; in vielfachen Übertragungen,
2.1 als Qualitätsbezeichnung ›gehaltvoll‹, swaeres ezzen (14. Jahrhundert; L059 DWb), ursprünglich gewerbesprachlich schwerer Sammt (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1794), ein schwerer Wein, schwerer Duft; nach der Analogie des Empfindungseindrucks
2.2 ›drückend, lästig‹: mit schwerer erbeit im Thon vnd Zigeln (A180 Martin Luther, 1.Mose 1,14), schwere Zeiten (Luther), Das du mich erlösest aus dieser schweren schmach (A180 Martin Luther, Tobias 3,16), Ein schware Kranckheit haben (L200 Josua Maaler s. v. Krankheit), auf Geistiges gewendet kopff… schwär vom weyn (L200 Josua Maaler), schwere Strafe (L169 Matthias Kramer), ein schweres Leben haben, es schwer haben, eine schwere Jugend gehabt haben (L059 DWb), schwere Schuld, schwerer Schaden, schwere Zweifel (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,3), schwerer Verdacht, etwas schwer empfinden, bereuen, seit dem Althochdeutschen (L059 DWb) mit schwerem Herzen, Schwermut (s. unten); weiterentwickelt zu
2.3 ›der Ausführung Hindernisse entgegenstellend, schwierig‹, lat. difficilis: wer schweer ding forschet (A180 Martin Luther, Sprüche Salomos 25,27), schwer mit ihm zurecht kommen, schwer zu verstehen (L308 Kaspar Stieler), einem schwer fallen (L169 Matthias Kramer), ein schwerer Text (ebenda), es wird ihm schwer gemacht (ebenda), schwer hören, er begreift schwer, schwer von Begriff (L059 DWb), sprichwörtlich aller Anfang ist schwer (vgl. L169 Matthias Kramer);
2.4 seit dem 18. Jahrhundert abgeblaßt, ⇓ "S229" ›sehr‹, sich schwer hüten (L003 Johann Christoph Adelung 1780), Du hast sie schwer beleidigt (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,15), schwer betrunken sein, gleichbedeutend umgangssprachlich
⊚ schwer geladen haben (L059 DWb), schwerreich (18. Jahrhundert; L059 DWb), ebenso ›viel‹ schweres Geld (L003 Johann Christoph Adelung 1780), ›groß‹ eine schwere Menge (L003 Johann Christoph Adelung 1780); hierher auch umgangssprachlich schwerer Junge (Avé-Lallemant) ›Verbrecher‹. Dazu ↑ "beschweren" ("Beschwerde"), erschweren. Zu schwer(2.3)
unschwer (16. Jahrhundert) ›leicht‹, häufig auf Erkenntnisprozesse bezogen: unschwer zu ersehen (17. Jahrhundert; L059 DWb), unschwer zu erkennen (Grimmelshausen; L059 DWb);
Schwerarbeiter (↑ "arbeiten") und, »um die Lebensmittel in Kriegszeiten gerecht zu verteilen«,
Schwerstarbeiter (beide L320 Trübner);
schwerfällig um 1400 mittelniederdt. swarvellich, hochdeutsch seit 1734 (L305 Christoph Ernst Steinbach); auf die Bewegung bezogen schwerfälliger Gang, schwerfällig tanzen(L003 Johann Christoph Adelung 1780); übertragen, z. B. auf sprachliches Vermögen bis zur schwerfälligsten… weitschweifigkeit (Schopenhauer; L059 DWb);
schwerflüssig Ende des 18. Jahrhunderts zunächst von Metallen, die schwer zum Schmelzen zu bringen sind; im 19. Jahrhundert übertragen ›schwermütig‹ (Grillparzer, Freytag);
Schwergewicht »ein durch seine Schwere wirkendes, oft übertr.« (L264 Daniel Sanders): das schwergewicht einer sache (L059 DWb), das Schwergewicht verlagern; seit früherem 20. Jahrhundert (vgl. L320 Trübner) im Boxen usw. (über 80kg) wohl nach engl. heavy weight; auf Personen bezogen zum Ausdruck körperlicher Fülle oder großer Sachkenntnis: Rechtsanwalt Wildermuth… , der… als juristisches Schwergewicht… bekannt war (Kirst; L098 2GWb);
Schwerkraft (Physik) ⇓ "S125" Lehnübertragung von Gravitation; 1789 Schiller: schon im ersten Moment seines Aufsprunges zieht die Schwerkraft an ihm;
schwermütig spätmhd. swærmüetec; von der melancholischen Gemütsverfassung; übertragen auf Klänge schwermüthige melodie (L059 DWb); daraus ⇓ "S183" rückgebildet
Schwermut (Luther): augen voll schwermut (Thümmel; L059 DWb);
Schwerpunkt ⇓ "S125" Lehnübertragung von lat. centrum gravitatis (1734 Wolff); übertragen wußte er während des Gesprächs den Schwerpunkt zu verteilen (Thümmel; L264 Daniel Sanders), im Sinne von ›Priorität‹ häufig im Plural Schwerpunkte setzen, dazu heute Schwerpunktbildung, schwerpunktmäßig (vgl. L337 WdG);
Schwere ahd. suari, mhd. swære; schwer folgend Schwere der Kranckheit (L305 Christoph Ernst Steinbach) usw., physikalisch bei A222 Friedrich Schiller: Dient sie knechtisch dem Gesetz der Schwere(Die Götter Griechenlands; 2.1,366); übertragen ›Bedeutsamkeit‹: Schwere der Worte (L308 Kaspar Stieler), negativ die Schwere eines Verbrechens (L003 Johann Christoph Adelung 1780);
Schwerenot mhd. unverbunden swære not; frühneuhochdeutsch speziell ›Epilepsie‹, so wohl auch in der fluchenden Interjektion (18. Jahrhundert), verstärkt tausend Schwerenot (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Götz 1,1), Schockschwerenot;
Schwerenöter (1778; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ursprünglich ›durchtriebener Mensch‹, eigentlich ›einer, dem man die Schwerenot wünscht‹; seit etwa 1850 abgeblaßt von einem, der sich um Frauen bemüht (L181 Otto Ladendorf 284);
schwerlich ahd. swarlih(ho), mhd. swærlich(e), noch frühneuhochdeutsch adverbial: ich habe schwerlich gesündigt (Luther); ›mit Mühe, unter Hindernissen‹: das Herz dieses Volks ist verstocket, und sie hören schwerlich mit Ohren (Luther); daraus entwickelt zu heutigem ›unwahrscheinlich, kaum‹, zunächst nur in Sätzen mit futurischem Inhalt; der Übergang in einem Satz wie ein Kaufmann kann sich schwerlich[›schwer‹] hüten vor Unrecht (Luther); nach vollständiger Ausbildung der neuen Vorstellung auch auf Vergangenheit und Gegenwart bezogen: er ist schwerlich angekommen, Das kann ich schwerlich glauben (L003 Johann Christoph Adelung 1780); zur Bedeutungsentwicklung ⇑ "kaum", "vielleicht".