Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schwach
mhd. swach(nur hoch- und niederdeutsch), anfangs ›wertlos, gering‹; neuhochdeutsch1.1 Gegensatz zu "stark" (dafür mhd. krank), Bedeutungsübergang ausgehend von Verbindungen wie schwacher Leib, Magen, Puls, schwaches Gedächtnis(L308 Kaspar Stieler), namentlich auch adverbial schwach seyn, krank seyn (L134 Levinus Hulsius); substantivisch Schwache morden scheint ihm keine Sünde (A131 Friedrich Hölderlin, Die Ehrsucht); herablassend auf Frauen bezogen das schwache Geschlecht, von A075 Johann Wolfgang von Goethe korrigiert … so wie es gewöhnlich genannt wird, / Zeigte sich tapfer und mächtig, und gegenwärtigen Geistes(Hermann und Dorothea 6,102);
1.2 erweitert zu einem allgemeinen Quantitätsbegriff: im Sinne von ›dünnein schwacher Faden (L305 Christoph Ernst Steinbach), Ein schwaches Reis, Brett (L003 Johann Christoph Adelung 1780), vom Kaffee, chemisch Gegensatz zu konzentriert: eine schwache lösung (L059 DWb); auf Lichtverhältnisse bezogen ein schwacher Schimmer (L264 Daniel Sanders); im Sinne von ›leisemit einer schwachen Stimme (L169 Matthias Kramer); Gegensatz von "gut": eine schwache Meile (L308 Kaspar Stieler), eine schwache [›kleine‹] Stunde sieden (zitiert nach L264 Daniel Sanders);
1.3 als Qualitätsbegriff
auf schwachen Füßen/ Beinen stehen, übertragen ›nicht überzeugen‹: die Religion / der Stat stehet auf schwachen Fussen (L169 Matthias Kramer); in der verblaßten Floskel so weit es in meinen schwachen Kräften steht (L059 DWb); auf Verstandeskräfte bezogen Hierin ist er schwach »hat er nicht die gehörige oder gewöhnliche Stärke« (L003 Johann Christoph Adelung 1780), im Kopfrechnen schwach, eine schwache Hoffnung, ein schwaches Abbild des Originals(L264 Daniel Sanders), im Sinne von ›schlechtein schwaches buch, einen schwachen eindruck machen, eine schwach besuchte vorstellung(L059 DWb); ursprünglich in religiösem Sinn als Charaktereigenschaft Der Geist ist willig / Aber das Fleisch ist schwach (A180 Martin Luther, Matthäus 26,41), häufig auf den Glauben bezogen schwach im Glauben (z. B. Römer 14,1); verallgemeinert in der ungenauen Verknüpfung in einer schwachen Stunde, in der sich jemand nicht unter Kontrolle hat: sie haben in schwachen Stunden mich gesehen (A222 Friedrich Schiller, Karlos 4,9); auf den Charakter bezogen seit dem 18. Jahrhundert auch die Wendung schwache Seite, ursprünglich militärisch für eine unzureichende Befestigung, Deckung u.ä. (vgl. L059 DWb); grammatisch seit J.Grimm auf Konjugation von Verben und Deklination von Substantiven und Adjektiven bezogen, Gegensatz "stark": durch die gesammte deutsche zunge waltende [..] unterscheidung zwischen starker und schwacher flexion… die schwache scheint durch einschaltung eines bildungs-n entstanden (J.L095 Jacob Grimm, Deutsche Grammatik 1,509). Der Bedeutungsentwicklung von schwach folgend
Schwachheit mhd. swacheit, z. T. durch jüngeres Schwäche (s. unten) ersetzt; häufig im Plural, umgangssprachlich
bilde dir keine Schwachheiten ein (L059 DWb) ›mache dir keine falschen Hoffnungen‹;
Schwachsinn (L003 Johann Christoph Adelung 1780), bis ins späte 19. Jahrhundert selten (L059 DWb); zunächst ›Verstandes- und Empfindungslosigkeit‹ (↑ "Sinn"): Schwachsinn hindert ihn, dies gehörig einzusehen und zu fühlen (L033 Joachim Heinrich Campe); dann auch wie heute medizinisch ›geistiger Defekt‹; heute umgangssprachlich auch abgeblaßt ›Unsinn‹, häufig auf gesprochene Sprache bezogen: Rede doch nicht so einen Schwachsinn; dazu das zunächst häufiger gebrauchte
schwachsinnig mit entsprechender Bedeutungsentwicklung;
schwächen mhd. swechen; ›kraftlos machen‹, bis ins 19. Jahrhundert zur ursprünglichen Bedeutung von schwach speziell
eine Jungfrau schwächenschänden‹;
Schwäche mhd. sweche, neuhochdeutsch weiter verbreitet zu Lasten von Schwachheit (s. oben; vgl. L059 DWb); auf den Charakter bezogen milder als 2"Laster", häufig in der Verbindung menschliche Schwäche (L169 Matthias Kramer) zum Ausdruck von Nachsicht;
schwächlich mhd. swachlich, swechlich;
Schwächling (L169 Matthias Kramer), häufig in bezug auf charakterliche Mängel abwertend: der fromme schwächling auf dem thron (Klinger; L059 DWb);
Schwachmatikus"S088""S211" studentensprachlich Ende des 18. Jahrhunderts nach Rheumatikus, Mathematikus (vgl. L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel 6,45).
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