Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Schule
ahd. scuola, mhd. schuole, klösterliches Lehnwort < vulgärlat. schola, lat. schola, das alle germanischen Sprachen (außer Gotisch) übernommen haben; wie "Kirche" nicht bloß1.1 für den Raum, in dem Unterricht erteilt wird (die Universität, "Hochschule", ursprünglich einbegriffen): hohe schuole ze Paris (um 1300; L059 DWb), wie offt schickt ein hauszvater den sohn auff die hohe schul (17. Jahrhundert; L059 DWb), sondern auch
1.2 für den Unterricht selbst: fleissig zu schul gehen (16. Jahrhundert; L059 DWb), in die Schule gehen (L308 Kaspar Stieler), zur Schule kommen (L059 DWb) ›eingeschult werden‹, zu einem in die Schule gehen (L308 Kaspar Stieler), nach der Schule, die Schule ist aus(L169 Matthias Kramer), es ist heute keine Schule (L033 Joachim Heinrich Campe);
⊚⊚ hinter (neben) die Schule gehen (laufen) (vgl. L308 Kaspar Stieler) gleichbedeutend die Schule schwänzen (L033 Joachim Heinrich Campe), aus der Schule schwatzen (16. Jahrhundert; L059 DWb), heute eher aus der Schule plaudern (L059 DWb) ›verraten, was man verbergen sollte‹, bei der Natur in die Schule gehen; als Titel für Lehrbücher (L059 DWb): Klavierschule, Zeichenschule usw.;
1.3 als Personalkollektivum übertragen: Die ganze Schule lief hinaus (L033 Joachim Heinrich Campe);
1.4 allgemein ›Ausbildung, Schulung‹, übertragen seit dem Mittelhochdeutschen: ein schuol der tugent (zitiert nach L059 DWb), Schule des Lebens,
er ist durch alle Schulen durcher hat große Erfahrung‹ (L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander); technischer Ausdruck bei Reitern: die Hohe Schule reiten(L059 DWb), übertragen als mein Pegasus vier schulen machen sollte(J.Ch.Günther; L059 DWb), dazu Schulreiter, Schulpferd; Baumschule ist ein Platz, wo junge Bäume gezogen werden, entsprechend Pflanzschule (↑ "Pflanze"); als Bestimmungswort von Wissenschaftsbezeichnungen ›traditionell, anerkannt‹: Schul-Theologie »die scholastische Theologie« (L003 Johann Christoph Adelung 1780), Schulmedizin, Schulpsychologie heute zunehmend abwertend im Sinne von ›starr, festgelegt‹;
2 übertragene Bezeichnung einer von einem Meister oder einer Gruppe von Meistern ausgegangenen Richtung in Wissenschaft oder Kunst sowie für die Gesamtheit derer, die einer solchen angehören: der satz einiger alten schulen (I.Kant; L059 DWb), die Hegelsche, die Berliner Schule, die Schule Tizians, bei Heine Die Romantische Schule; dazu
Schule machenVorbild sein‹.
Schularbeit (16. Jahrhundert); seltener
1Tätigkeit des Lehrens und Lernens‹: mit unser schularbeit (Melanchthon; L059 DWb); ↑ "Hausarbeit";
2 bezogen auf das, »wofür die Arbeit bestimmt ist« (L264 Daniel Sanders) im Sinne von ›Hausaufgabe‹, häufig im Plural:
seine schularbeiten machen, anfertigen (L059 DWb), auch übertragen, häufig von Politikern ›sein Pensum erledigen‹;
3 (österr. ) ›Klassenarbeit‹;
Schulbank (1660; L059 DWb); übertragen ›Schule‹:
⊚⊚ noch auf der Schulbank sitzen »noch in die Schule gehen« (L033 Joachim Heinrich Campe), (wieder) die Schulbank drücken (L320 Trübner);
Schuldramadramatische Dichtung vor allem des Humanismus und der Reformationszeit mit pädagogischem Zweck‹: dasz ein schuldrama sich vornehmlich durch die niedrigkeit und wichtigkeit des gesprächs hervorthun müsse (Hamann; L059 DWb);
Schulfuchs (veraltet) um 1600 ›Pedant‹ nach Matthäus 8,20 (vgl. L320 Trübner); ⇓ "S211" für einen angehenden Studenten ↑ "Fuchs"(4);
Schulgeld 1556 Schulgält (L080 Joannes Frisius); umgangssprachlich
laß dir dein Schulgeld wiedergeben »zu einem, der etwas ganz einfaches nicht weisz« (L059 DWb);
Schulgrammatik dafür zunächst Deutsche Sprachlehre für Schulen (Adelung 1792), deutsche sprachlehre in unseren schulen(J.Grimm, Vorrede zur Deutschen Grammatik 1821, XIX); von K.F.Becker lexikalisiert Schulgrammatik der deutschen Sprache 1831, Gegensatz wissenschaftliche Grammatik; W.Vesper, Deutsche Schulgrammatik im 19. Jahrhundert, 1980;
schulkrank (L308 Kaspar Stieler), Scheinkrank et Schulkrank »morbus simulatus« (ebenda), dazu
Schulkrankheit (1664; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
Schulmeister mhd. schuolmeister nach dem Vorbild von mittellat. scholae magister; seit dem frühen 18. Jahrhundert verächtlich »Pedante« (L169 Matthias Kramer), so auch in den Ableitungen schulmeisterlich, schulmeistern;
Schulrat zunächst auf die schulische Aufsichtsbehörde bezogen (L308 Kaspar Stieler), dann auch als Personalkollektivum bzw. für den einzelnen Beamten und als Titel (L033 Joachim Heinrich Campe): ein terminus, den mir der herr schulrath Campe selbst nicht bekritteln soll (1802; L059 DWb);
Schulsack (16. Jahrhundert) heute nur noch ⇓ "S195" schweizerisch ›Schulranzen‹ (↑ "Ranzen");
Schüler ahd. scuolari nach mittellat. scolaris; zunächst auch ›Student‹, dazu im 16. Jahrhundert fahrender Schüler, seit dem 18./ 19. Jahrhundert historisch (vgl. L059 DWb); ⇓ "S115" aus der Sicht des Lehrers auf den Lernenden bezogen: Er ist mein Schüler (L308 Kaspar Stieler), häufig mit dem Merkmal der Unreife, daher im Vergleich mich züchtiget der fürst wie einen schüler(Goethe; L059 DWb), allgemeiner: von dem schöpfer müssen wir noch wol ein zeit schüler bleiben (1571; L059 DWb), auch »ein nachfolger in der lehr« (1660; L059 DWb);
Schülersprache um 1900 gleichbedeutend ›Pennälersprache‹ (↑ "Pennäler"), die Beziehung zur ↑ "Studentensprache" im Titel ausgedrückt: S.Kleemann, Schüler- und Studentensprache auf dem Hallischen Waisenhause 1785 (L360 ZDW1,254ff.), so als ⇓ "S208" sprachwissenschaftlicher Terminus etabliert: L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel, Bibliothek zur historischen deutschen Schüler- und Studentensprache (1984);
schulen (1786 Goethe; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›unterrichten, bilden‹ (im 17. Jahrhundert ›schelten‹), häufig im Partizip Prät. ein junger Mensch, nie geschult und doch gelehrt (Wieland; L033 Joachim Heinrich Campe), reflexiv sich zur leichten zierlichen seiner empfindsamen reisen schulete (Jean Paul; L059 DWb), dazu
Schulung (L264 Daniel Sanders s. v. schulen), unvollkommenheit der schulung (Freytag; L059 DWb); heute vor allem ›Lehrgang, Kurs‹, häufig politisch im Sinne ideologischer Unterweisung, im ⇓ "S145" Nationalsozialismus verengt zu »Teilgebiet der politischen Erziehungsarbeit der NSDAP« (L211 Meyer, Konv. Lex. 81942), eine Schulung für Staatsfunktionäre (vgl. L337 WdG).
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