Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schöpfen
ahd. skephen, mhd. schepfen, in älterem allgemeinem Sinn1schaffen‹ bis in die neuere Zeit, heute veraltend bzw. gehoben, auf das Werk Gottes bezogen, allgemein von menschlicher Tätigkeit, zumal künstlerischer im Sinne von ›kreieren‹: Heimlich schöpfte er seine Symphonien(L098 2GWb); speziell im Sinne von ›verschaffen, bestimmen‹: so schöpften sie einige weise Männer aus ihrem Mittel (›aus ihrer Mitte‹) (Möser); daß ich dem Urheber unserer Glückseligkeit eine fröhliche Pension von 25000 Gulden schöpfe und auswerfe (Wieland) (ähnlich noch jetzt in der Schweiz); wo man das Recht mag schöpfen (Schiller) (↑ "Schöffe"); dadurch schöpften sie sich einen großen Namen (Schwab); daher wohl heute österreichisch ›schwer arbeiten‹ (↑ "arbeiten"; L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–49); jetzt gewöhnlich
2 eine Flüssigkeit schöpfen, schon althochdeutsch, mit neugebildetem schwachem Präteritum und Partizip abgezweigt. Mit veränderter Konstruktion voll schöpfen (ein Gefäß); selten in bezug auf trockene Gegenstände: ritt auf den Haferhaufen zu, schöpfte das Gefäß übervoll(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 26,323,12); von einem Kahn er schöpft Wasser, wenn dieses eindringt (L308 Kaspar Stieler). Übertragen Atem, (frische) Luft schöpfen (L169 Matthias Kramer), im Sinne von ›sich erholen‹: Es schöpften aufs neue leichten Atem diese Länder (A222 Friedrich Schiller, Piccolomini 2,7); Wissen, Kunde, Kenntnisse schöpfen(vgl. ↑ "Quelle"), kenntniss… aus tausend und einer nacht geschöpft (Wieland; L059 DWb),
aus dem vollen schöpfen (Freytag; L320 Trübner) übertragen, wenn jemand sich nicht einzuschränken braucht; Mut, Hoffnung, Trost, Argwohn, Verdacht schöpfen (L308 Kaspar Stieler); ⇓ "S100" fachsprachlich, bei den Jägern ›trinken‹ (zunächst nur auf Falken bezogen; vgl. J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), bei der Papierherstellung, daher geschöpftes Papier (1855; L264 Daniel Sanders); dazu ↑ "erschöpfen".
Schöpfer ahd. scephari; ⇓ "S036" zunächst nur auf Gott bezogen, häufig mit Possessivpronomen: ob mich mein Schepffer… nemen würde (A180 Martin Luther, Hiob 32,22), danckte er seinem schöpfer (1681; L059 DWb); dann allgemeiner schöpfer eines… schönen kinderwerks(Hamann; L059 DWb), dazu
schöpferisch (vor 1541 Paracelsus; L339 Karl-Heinz Weimann: »Bed. noch etwas abweichend«), dann im 18. Jahrhundert aufgekommen (Hagedorn, Lessing, Klopstock), der übersezzer musz selbst ein schöpferisches genie seyn (Herder; L059 DWb);
Schöpfung (14. Jahrhundert schepfunge) gewöhnlich zu schöpfen(1), vor allem auf das Werk Gottes bezogen, auch ›Gesamtheit des Geschaffenen‹: Leben athmen alle Schöpfungen (A131 Friedrich Hölderlin, Hymne an die Muse); auch ›Welt‹, besonders im 18. Jahrhundert in höherem Stil, nicht ohne Einfluß des engl. creation (L360 ZDW15,146; L083 Peter F. Ganz, Einfluß des Englischen 197): vor der Schöpfung (L004 Johann Christoph Adelung); vom künstlerischen Werk: Freunde, die über seine [des Dichters] Schöpfungen wachen (A222 Friedrich Schiller, Vorrede zu Don Karlos). Literatur ↑ "schaffen"; selten zu schöpfen(2) (L037 Petrus Dasypodius).
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