Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schmelzen
1 intransitives starkes Verb, ahd. smelzan, mhd. smelzen (engl. smelt), altenglisch daneben ein Verb ohne das anlautende s: meltan (engl. melt), womit weiter urverwandt griech. méldo ›ich schmelze‹, altslaw. mladu ›zart‹, lat. mollis ›weich‹, hierzu auch ↑ "Malz", wurzelverwandt ⇑ "mahlen", "Mehl", "Milbe"; bezeichnet den Übergang aus festem in flüssigen Zustand durch Erwärmen, zunächst von Schnee und Eis: so der uuarmo uuint chumet [›wenn der warme Wind kommt‹], sosmilzet das is(Notker; L059 DWb), von Wachs und Metallen, heute auch speziell in der Atomphysik (Ch.Weissmantel, hg. Kleine Enzyklopädie Atom- und Kernphysik 1983, 639f.); vielfach übertragen: einen Geist, weich und bildsam genug, augenblicklich in alle Formen zu schmelzen (Schiller); besonders mit Bezug auf weiche Empfindung: mir schmilzt das Herz von euren Tränen gleich(Wieland), sinnlicher also schmolz in Tränen der Gattin liebliches Antlitz (Voß), so besonders das Partizip Präsens schmelzend, das aber mit dem Partizip von schmelzen(2) zusammenfällt und in der Verwendung sich vermischt, oft abwertend: schwärmerei… von schaler und schmelzender beschaffenheit (I.Kant; L059 DWb), häufig von Tönen ›gefühlvoll‹: nachtigallen flöten schmelzend in dem dunkel der platane (Gaudy; L059 DWb), schmelzendes Adagio; übertragen ›sich verringern‹: min fröude smalz alsam der sne (Konrad von Würzburg; L059 DWb), mein Geld fing an zu schmelzen und verlor sich eines Abends völlig aus meinem Beutel (Goethe), durch Desertion, Krankheiten und das Schwert des Feindes war seine Armee sehr geschmolzen (Schiller), wißt ihr, daß wir schon um hundert geschmolzen sind? (Goethe), zusammenschmelzen;2 transitiv, ursprünglich schwach, ahd. / mhd. smelzen, ⇓ "S107" Bewirkungswort zu smelzen. Die starken Formen haben sich aber auch in transitiven Gebrauch eingedrängt, im Präsens, wo schmilzt erst im 20. Jahrhundert schmelzt völlig zurückdrängte, langsamer als im Präteritum und namentlich im Partizip, wo schmelzte (im 18. Jahrhundert noch häufig), geschmelzt schon um 1900 fast ganz verdrängt waren; fachsprachlich im Hüttenwesen, dazu Schmelzer (L308 Kaspar Stieler); übertragen schmelzen(1) entsprechend: ihr Anblick schmelzte die Vorurteile des Adels hinweg (Schiller), in Augenblicken, wo die gegenwärtige Empfindung ihr eigenes Herz schmelzte (Wieland), besonders schmelzte das letzte Lied das Herz zu der tiefsten Rührung (Schiller), häufig im Partizip Präsens in der Erfahrung gibt es eine schmelzende und energische Schönheit(Schiller), sowohl aus der transitiven als auch aus der intransitiven Funktion des Verbs ableitbar, entsprechend schmelzende Empfindung (Wieland, I.Kant), schmelzende Affekte (Schiller), schmelzende Zärtlichkeit (Lessing); andere Übertragungen: er schmelzt öfters zwei Stücke [Schauspiele] in eines (Lessing), so daß der erste glühende Kuß sie auf ewig zusammenschmelzte(Novalis), der Kunst, die Farben ineinander zu schmelzen(Wieland), dieser Zusammenfluß von Übeln hatte das Reich auf die Hälfte seiner ehemaligen Einwohner herab geschmelzt (Wieland). Zusammensetzungen Schmelzhütte, Schmelzofen, Schmelztiegel; ↑ "verschmelzen". Zu schmelzen(1)
Schmelz Mask. , ahd. smelzi, mhd. -smelz; eigentlich und seit dem 19. Jahrhundert (L059 DWb) veraltet ›Schmelzglas, Email‹ (↑ "Schmalte"), zur Anfertigung von Perlen, vornehmlich als Überzug, auch zum Malen (Schmelzfarbe). Schmelzarbeit, SchmelzwerkEmailarbeit‹; seit dem 18. Jahrhundert ›der natürliche glänzende Überzug der Zähne‹ (Zahnschmelz); häufig übertragen von weichem Schimmer, von Klängen ›weich und wohltönend‹: eine Stimme mit viel Schmelz (L320 Trübner);
Schmelze Fem. ›Vorgang des Schmelzens‹, am üblichsten in Schneeschmelze, auch Eisenschmelze usw.
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