Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Schlüssel
ahd. sluzzil, mhd. slüzzel, kontinental-westgermanische Ableitung aus ↑ "schließen" (mit dem Werkzeug-Suffix -ilawie "Hebel", "Zügel" aus "heben", "ziehen");1.1Instrument zum Öffnen und Schließen eines Schlosses‹, als symbolische Handlung der Machtübergabe Schlüssel ubergeben (L308 Kaspar Stieler); nach katholischer Anschauung hat Petrus den Schlüssel zum Himmelreich (Matthäus 16,19), und die Geistlichkeit übt sein Amt stellvertretend aus, daher Amt der Schlüssel (Luther) ›Gewalt zur Zulassung und Ausschließung zu und von den Gnadenmitteln der Kirche‹, Schlüsselgewalt (junge ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. potestas clavium);
1.2 fachsprachlich ⇓ "S220" »Hebel mit einer eckigen Öffnung, Schrauben damit auf- und zuzuschrauben« (L004 Johann Christoph Adelung);
2 übertragen,
2.1 bereits mittelhochdeutsch in der Notenschrift (ital. chiave) ein Zeichen zur Bestimmung der Tonhöhe; selten
2.2Tor‹: Eger, den Schlüssel zu diesem Königreich (Schiller);
2.3 auf gefühlsmäßiges oder geistiges Erschließen bezogen der schlüssel zu den herzen (Wieland; L059 DWb), Schlüssel der erkenntnis (A180 Martin Luther, Lukas 11,52); ferner
2.4 »das Alphabet einer verborgenen Schreibart« (L004 Johann Christoph Adelung), zuvor 1743 Philippi (vgl. L081 FWb, s. v. chiffrieren), also ›Code, Auflösung einer Geheimschrift‹, danach überhaupt ›Mittel zur Ergründung eines Geheimnisses, zum Erraten eines Rätsels‹: er hat den Schlüssel darzu gefunden (L308 Kaspar Stieler), der Schlüssel [›die Erklärung‹] zu seinem Benehmen; als Bestimmungswort ›zentral, bedeutend‹ in Zusammensetzungen wie Schlüsselfigur, Schlüsselfrage, Schlüsselstellung (s. unten), Schlüsseltechnologie (⇓ "S045" »Wortrenner der DDR 1986«, Gesellschaft für deutsche Sprache), Schlüsselindustrie (L201 Lutz Mackensen);
2.5 seit Ende des 19. Jahrhunderts besonders bei Schulbüchern ›Übersetzung(-shilfe)‹ (L059 DWb): »Sie haben einen Schlüssel im Buche, eine Übersetzung«… »Einen Schlüssel … ich … nein… « stammelte Petersen (Th.A183 Thomas Mann, Buddenbrooks, 1,732). Zu Schlüssel(2.4)
verschlüsseln (L056 Duden 141957) ›einen Text in Geheimschrift abfassen‹; in der ⇓ "S043" EDV allgemein ›in digitale Zeichen umsetzen, kodieren‹ (vgl. P.L219 Peter Müller 1969, s. v. Verschlüsselung), Gegensatz entschlüsseln, dekodieren (↑ "Kode" [3]), dann auch speziell zu Kode(2) ›chiffrieren, in Geheimzeichen umsetzen‹;
Schlüsselbein L308 Kaspar Stieler 1691, ⇓ "S125" Lehnübertragung von clavis iuguli, clavicula (Lehnübertragung von griech. kleis);
Schlüsselblume Ende des 15. Jahrhunderts, wohl nach älterem Himmelschlüssel (12. Jahrhundert hymelsloszel Hildegard von Bingen, MPL 197,1205); L048 DWA1, L320 Trübner, ↑ "Primel";
Schlüsselkind"S149" nach 1945 im Zuge zunehmender, anfangs kriegsbedingter Berufstätigkeit von Müttern umgangssprachlich ›Kind, das, sich selbst überlassen, den Wohnungsschlüssel um den Hals trägt, weil die Eltern berufstätig sind‹, gebucht L056 Duden 151961 und L337 WdG;
Schlüsselroman nach F.Drujon, Les Livres á Clef, 1888 »Romane, die unter der Verkleidung erdichteter Namen wirkliche Personen und Zustände schildern« (RL 1928/ 29), K.Ullstein, Der Schutz des Lebensbildes, insbesondere Rechtsschutz gegen Schlüsselromane, 1931; später allgemeiner
Schlüsselliteratur »Produkt spezifischer Kodierungsverfahren, das beim Rezipienten die Kenntnis des verwendeten ›Schlüssels‹ voraussetzt oder den Kodierungsraster werkimmanent vermittelt« (L256 2RL1977);
Schlüsselstellung"S149" früheres 20. Jahrhundert; ›führende Position‹, zunächst ⇓ "S136" militärisch, dann »in das staatliche und wirtschaftliche Leben übertr.« (L320 Trübner).
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