Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schlucken
mhd. slucken (wurzelverwandt griech. lýnx ›Schluckauf‹); mit Objekt ›Festes oder Flüssiges auf natürliche Weise aus dem Mund in den Magen befördern‹, für sich seltener als ↑ "verschlucken", hinunterschlucken, in sich hineinschlucken (seltener einschlucken), ohne Objekt er kann nicht schlucken (vgl. L004 Johann Christoph Adelung) wenn jmd. z. B. Halsschmerzen hat; Medizin schlucken übertragen zum Ausdruck von Widerwillen (vgl. L059 DWb), dazu heute⊚⊚ eine bittere Pille schlucken, bei L308 Kaspar Stieler Pillen verschlucken »metaph. .. sufferre .. injuriam«, ebenso er hat schon manches schlucken müssensich viel gefallen lassen müssen‹, seinen Ärger, Verdruß usw. hinunterschlucken, die Macht ist mein, sie müssen's niederschlucken (Schiller), schlucken vnd… leyden (L200 Josua Maaler) ›ertragen‹; im Sinne von ›sprachlos sein
(ein paarmal) schlucken müssen, dazu heute als ⇓ "S105" jugendsprachliches Lautwort schluck! »das ist aber schwer« (L106 Helmut Henne, Jugend 106); mit nichtpersönlichem Subjekt übertragen, »von leblosen Körpern, wenn sie einen nassen [Körper] in sich ziehen« Ein stummer Boden wird gierig ihr Blut schlucken (L004 Johann Christoph Adelung), er verschwand, als hätte ihn der boden geschluckt (L059 DWb); seit früherem 19. Jahrhundert umgangssprachlich im Finanzwesen ›verbrauchen, aufnehmen‹: Die Einnahme schlucken (Alexis; L264 Daniel Sanders), Der mein Vermögen… schluckte, / bis Nichts mehr blieb (Rückert; L264 Daniel Sanders), so heute häufig abwertend auf die Übernahme eines kleinen Unternehmens durch ein großes bezogen: Die großen Verlage schlucken die kleinen, allgemeiner ›(große Mengen) aufnehmen‹, z. B. von der U-Bahn. ↑ 2"schlingen".
Schluck mhd. sluc, Plural zunächst auch Schlücke, seit dem 18. Jahrhundert unumgelautet (L305 Christoph Ernst Steinbach), als Maßangabe ohne Plural; abweichend von schlucken jetzt nur von Flüssigkeiten, auf Speisen bezogen am längsten in der formelhaften Verbindung Schluck und Druck erhalten: es braucht nur einen Schluck und einen Druck, so ist ein Mann gespeist (Wieland); für den Vorgang des Schluckens fast nur noch in einen (großen, tüchtigen usw.) Schluck tun; sonst ›Menge, die mit einem Mal verschluckt wird‹, daher häufig im Sinne von ›wenig‹: wir möchten erst einen schluck trinken (Weiße; L059 DWb), heute häufig bei informelleren Einladungen: als… er mich bat, auf einen Schluck zu ihm reinzukommen (S.Lenz; L337 WdG); im Sinne von ›Getränk‹: das ist ein guter Schluck, speziell (norddeutsch) ›Schnaps‹, zu Unrecht dem »Wendländischen« vorbehalten: Schluck ist eine wendländische Bezeichnung für einen klaren Schnaps. Wenn man viel davon trinkt, wird man besoffen(A069 Robert Gernhardt, Glück 24);
Schlucken Mask. (17. Jahrhundert), landschaftlich auch Neutr. , als verwandt mit der Tätigkeit des Schluckens empfunden; für heute gebräuchlicheres
Schluckauf (L264 Daniel Sanders), als verräterisches Symptom: weil du viel getrunken hast und der schluckauf dir nicht vergehen will (A. v.Arnim; L059 DWb); ↑ "schluchzen";
Schlucker frühnhd. ›jmd. , der viel ißt und trinkt‹; später verächtlich mitleidige Bezeichnung allgemeiner Art, bis jetzt gebräuchlich der arme Schlucker »Hungerleider« (L308 Kaspar Stieler).
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