Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schlecht
ahd. / mhd. sleht, gemeingermanisches Adjektiv (got. slaíhts, engl. slight); ⇓ "S026" anfangs1eben, in gerader Linie laufend‹ (dazu "schlechtweg" s. unten), daher einerseits Gegensatz zu "krumm": eine schlechte… eine krumme Schlange (Luther), andererseits wie "schlicht" (jüngere Neubildung, ersetzt schlecht seit dem 15. Jahrhundert) ›ohne Unebenheit, glatt‹: daß der Weg schlecht sei (Luther), bereits mittelhochdeutsch übertragen ›einfach, ohne Kunst oder Aufwand‹: in schlechten Worten (Lessing), meine schlechte Meinung (Wieland), erhalten in ⇓ "S243"
schlecht und recht (biblisch), häufig im Vergleich, der dann die ⇓ "S031" Bedeutungsverschlechterung von schlecht zeigt
mehr schlecht als recht (L320 Trübner), dazu der adverbiale Gebrauch im Sinne von ›bloß, nur‹, zunächst ohne Bewertung: sollt ihr schlecht blasen und nicht trompeten (Luther), verstärkt ›gänzlich‹ (wie heute schlechthin, "schlechterdings", s. unten): sie soll schlecht ausgerottet werden(Luther), seit dem Frühneuhochdeutschen auch Gegensatz zu "vornehm", "vorzüglich": einen schlechten Reitersjungen(Goethe), ein schlechter, geringer Bürgersmann(Schiller); daran anschließend seit dem 16. Jahrhundert in heutiger Bedeutung
2"S012" Gegensatz zu "gut", der Übergang bei L037 Petrus Dasypodius: schlechte veraltete kleyder und L308 Kaspar Stieler: schlechter Wein; als qualitativer Begriff
2.1geringwertig‹, auf Lebensbedingungen bezogen ›miserabel‹: es geht mir gar schlecht (L308 Kaspar Stieler), Dabey komme ich schlecht zurechte (L004 Johann Christoph Adelung), speziell auf körperliches Befinden bezogen, umgangssprachlich daß er so äußerst schlecht sei, daß ihm der Doktor keine drei Tage mehr zu leben gebe (Lessing), heute ›übel‹: mir ist schlecht, von Lebensmitteln ›verdorben‹: der Salat ist schlecht geworden, im Sinne von ›unerfreulichdie Sache steht schlecht (L305 Christoph Ernst Steinbach), einen schlechten eindruck machen(Schubart; L059 DWb), schlechtes Wetter (L004 Johann Christoph Adelung), schlechte laune, nachrichten (L059 DWb), schlecht behandeln (L059 DWb), in der Litotes ursprünglich studentensprachlich nicht schlecht Ausdruck höchsten Lobes (1795; L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel 2); als quantitativer Begriff
2.2wenig‹: syn lon ist… schlecht (16. Jahrhundert; L059 DWb), schlachts eynkommen / Ein kleins guttle (L200 Josua Maaler), so auch
schlecht gerechnet (L059 DWb) ›weniger als erwartbar‹, schlecht besucht von öffentlichen Veranstaltungen, in der Litotes ›bedeutend‹: geriethen… in nicht schlechte bekümmernisz (17. Jahrhundert; L059 DWb);
2.3nicht den Erwartungen entsprechend‹: schlechter Trost (L308 Kaspar Stieler), ein schlechter Scherz (L059 DWb) ›geschmacklos‹,
bei etwas schlecht wegkommen (vgl. A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 2,1) ›Nachteile haben‹, ein schlechter Kunde (L059 DWb) der nicht viel kauft, vor allem zur Bezeichnung mangelnder Fähigkeiten: ein Examen schlecht bestehen (vgl. L059 DWb), schlechter tänzer, sänger, schauspieler (alle L059 DWb), den schlechten Mann muß man verachten, / Der nie bedacht, was er vollbringt (A222 Friedrich Schiller, Glocke), auf Körperfunktionen bezogen schlechte augen, adverbial schlecht hören, sehen (alle L059 DWb), ›kaum‹: das ist schlecht möglich;
2.4 seit dem 18. Jahrhundert als moralischer Begriff ›böse‹, bei L004 Johann Christoph Adelung noch markiert »zuweilen.. für niederträchtig«, aber schon bei L308 Kaspar Stieler ein schlechter Kerl, ein schlechtes gewissen (L059 DWb), Da die Menschen immer schlecht werden, wenn man sie schlecht behandelt (A118 Heinrich Heine, Lutezia 30.4.1840). Häufig Bestimmungswort von Partizipien: schlechtbesoldet, schlechtdenkend, schlechtgestimmt (alle L059 DWb), schlechtbeleuchtet, schlechtberaten, schlechtbezahlt (alle L097 GWb), mit substantivischem Grundwort nur Schlechtwetter (L056 Duden 101929).
schlechterdings (L308 Kaspar Stieler 1691) »eine mit Nachdruck bekräftigende oder verneinende Partikel« (L004 Johann Christoph Adelung): Er konnte vor Weinen schlechterdings nichts sagen (ebenda), das ist schlechterdings nicht möglich; ↑ "Ding";
schlechthin 1669 A091 Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, Simplizissimus, 383,7; ein Flecken schlechthin »ohne allen weitern Zusatz, im Gegensatze des Marktfleckens« (L003 Johann Christoph Adelung 1780); ↑ "hin".;
schlechtweg L308 Kaspar Stieler 1691, bereits Ende des 14. Jahrhunderts slechtis weg (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); ›ohne weiteres‹: so versichert er schlechtweg… , es sei kein wahres wort daran (Lichtenberg; L059 DWb); ↑ "weg";
Schlechtigkeit mhd. slechtichait, seltener Schlechtheit; schlecht folgend, seit dem 18. Jahrhundert und heute nur noch zu schlecht(2.4) ›Niedertracht, Bosheit‹: durch den hauch seiner schlechtigkeit befleckenden und vergiftenden vetter(C.F.Meyer; L109 Moriz Heyne), als Handlungsbegriff häufig im Plural: schlechtigkeiten begehen (L059 DWb);
verschlechtern (L003 Johann Christoph Adelung 1780) »ein wenig übliches Wort, wofür.. verschlimmern gebraucht wird« (ebenda), transitiv und reflexiv, häufig auf gesundheitliche – sein Zustand hat sich verschlechtert – bzw. finanzielle Verhältnisse bezogen.
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