Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schlagen
ahd. slahan, mhd. slahen, gemeingermanisch (got. slahan, engl. slay), urverwandt mittelirisch slacthageschlagen‹. Das -g- ist aus dem Präteritum sluoc-sluogen und Partizip geslagen in das Präsens gedrungen; frühneuhochdeutsch noch schlahen oder schlahn (auch jetzt noch mundartlich): käm' alles Wetter gleich auf uns zu schlahn (Herder nach S.Dach);1 konkret;
1.1jmdn. / etwas heftig (mit der Hand, einem Gegenstand) treffen (um zu verletzen)‹: jmdn. mit der Hand, mit einem Stock, mit Ruten schlagen. In der älteren Sprache ist es so (mit Objekt) mehr als jetzt üblich vom Schlagen mit einer Waffe im Kampf, noch in diesem Sinn sich schlagen (reziprok), dann auch sich mit jmdm. schlagen, übertragen sich mit Gedanken schlagen u.dgl.: früher ›erschlagen‹: sie schlugen ihn und seine Söhne und alle sein Volk, bis daß keiner überblieb (Luther); wahrscheinlich nach der Bibelsprache auch noch bei späteren Dichtern: da… schlug Ägisth ihn (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Iphigenie 898), den Drachen schlugst du (Schiller); früher auch ›schlachten‹, die Vorstellung des Tötens auch jetzt noch in
zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen; präpositional: jmdn. auf den Kopf, aufs Maul, ins Gesicht schlagen, übertragen wie "stoßen" ›beleidigenvor den Kopf schlagen; zuweilen neben solchen Bestimmungen statt des Akkusativs der Dativ, daher Übergang in die unter 1.5 und 1.6 behandelte Konstruktion; leblose Gegenstände als Objekt, indem sich an schlagen die Vorstellung eines bestimmten Zwecks anknüpft, zu dem man sie bearbeitet, und der sich nach der Natur des Objekts näher bestimmt: Holz, Bäume schlagenfällen‹, bei Luther und Goethe auch Gras schlagenmähen‹; Eisen, Gold usw. schlagen von Schmiedearbeit; die Trommel, die Harfe, Zither, die Saiten schlagen; Ball schlagen; ferner mit lebendem oder leblosem Objekt in Verbindung mit Richtungsbezeichnungen: einen Pfahl in die Erde, einen Nagel in die Wand, einen Anschlag an das schwarze Brett, jmdn. ans Kreuz schlagen; jmdn. in Fesseln, Bande, zu Boden schlagen, "niederschlagen", jmdm. etwas aus der Hand, Erbsen durch ein Sieb, Schuhe über einen Leisten schlagen; bei Luther einem in die Hand schlagendurch Handschlag zusichern‹; präpositional kann auch ein Resultat bezeichnet werden: in Stücke, entzwei, zu Brei, zu Schanden, zu Tode schlagen, mit prädikativem Adjektiv tot, wund, windelweich, krumm und lahm, braun und blau, grün und gelb schlagen, übertragen breitschlagen (↑ "breit");
1.2 zuweilen steht das Werkzeug, der zum Schlagen bewegte Gegenstand als Objekt, doch nur in Verbindung mit Richtungsbezeichnungen: das Schwert, den Hammer usw. (auf etwas) schlagen; die Hände zusammenschlagen, auch die Klauen, die der Tiger nur in das hölzerne Gitter schlagen zu können sich so ärgerte (Lessing), in deines Gitters eiserne Stäbe die Zähne schlagen (Schiller);
1.3 das Resultat kann als Objekt stehen: eine Schlacht schlagen; Wunden, ein Loch (in den Boden, jmdm. in den Kopf), den Takt, einen Triller (früher auch ein Lied), Lärm, Alarm, Sturm, Ketten, Münzen, Butter, Schaum, Schnee (aus Eiweiß) schlagen;
1.4 das Schlagende kann, indem es gewissermaßen als etwas durch eigene Kraft Tätiges gefaßt wird, zum Subjekt gemacht werden: dein Schwert hat ihn geschlagen; die Rute, die dich schlug (Luther), ein Stein, der schlug das Bild an seine Füße (Luther); ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden (Schiller); der Blitz, das Wetter schlägt einen Menschen, einen Baum usw.;
1.5 häufig ohne Objekt mit den Flügeln schlagen, "ausschlagen", um sich schlagen, über die Stränge schlagen, dreinschlagen, losschlagen, "zuschlagen"; zuweilen mit jmdm. schlagen wie sich schlagen: da wir mit dem stolzen Cäsar schlugen(Klopstock), als wir bei Dessau mit dem Mansfeld schlagen(Schiller); allgemein mit Richtungsbezeichnungen: auf den Tisch, an die Tür, an die Brust, an den Sack, auf den Busch, auf den Strauch schlagen, wenn ausgedrückt wird, daß ein Gegenstand absichtlich oder unabsichtlich getroffen wird, während der bloße Akkusativ auf die unter 1.1 bezeichneten Fälle beschränkt ist; veraltet in sich schlagen übertragen ›von Reue ergriffen werden‹, öfters bei Luther, noch bei Tieck: so schlug ich denn in mich, wie ich die gräuliche Wirtschaft sah; entsprechend wenn sie in ihr Herz schlagen und bekehren sich (Luther); nach jmdm. schlagen, wenn bloß das Ziel ausgedrückt werden soll, das nicht erreicht zu sein braucht;
1.6 auch bei diesem intransitiven schlagen kann ein lebloser Gegenstand zum Subjekt gemacht werden: die Zweige, der Regen, der Hagel schlugen mir ins Gesicht, der Blitz schlägt in den Baum, es schlägt ein;
2 abstrakter,
2.1 übertragen, so daß die Vorstellung des Verletzens, Plagens als das Wesentliche hervortritt; in der Bibel häufig von Gott oder den Engeln ›töten‹, ›verwunden‹ oder sonst ›plagen‹: den Engel, der das Volk schlug; ich kann schlagen und kann heilen; der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre, mit näherer Bestimmung: mit Plagen, Pestilenz, Fieber, bösen Schwären schlagen usw.; häufig auch jetzt noch
mit Blindheit, Taubheit schlagen, namentlich im Partizip mit Blindheit geschlagen, wobei an einen bestimmten Urheber nicht gedacht wird, so auch geschlagen adjektivisch: ein geschlagener Mann;
2.2 mit der Vorstellung des Erfolges ›im Kampf besiegen‹; mit mehr Anschaulichkeit aufs Haupt, aus dem Felde schlagen, auch in die Flucht, zurückschlagen u.dgl.; dann übertragen auf den Sieg im Spiel, bei einer Abstimmung, bei einer Disputation usw., adjektivisch ein schlagender Grund, Beweis, auch schlagendes Beispiel;
2.3 die Vorstellung des Festschlagens liegt wohl eigentlich zugrunde in den formelhaften Wendungen eine Brücke (über einen Fluß) schlagen, ein Zelt, ein Lager "aufschlagen", dazu von der geschlagenen [›gebahnten‹] Landstraße (Herder);
2.4 umgangssprachlich sich den Leib vollschlagen, womit zu vergleichen ist das Hämmern schlägt ihm die Ohren voll (Luther);
2.5in eine bestimmte Lage bringen‹: ein Papier, in Form eines Briefes geschlagen (Schiller) (dafür jetzt gefaltet), während mir Bastian das Haar in Locken schlug (Thümmel) (dafür jetzt legte); "einschlagen" (einen Brief, ein Paket), ähnlich auch ›einpacken‹: die neueren [Briefe]… stehen in Kisten geschlagen in Bodenkammern (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 4.4.19); "umschlagen" (ein Tuch), wozu Umschlagetuch;
2.6 mit einem Akkusativ des Resultats ›durch Bewegung eine bestimmte Gestalt hervorbringen‹, veraltet Locken, wie sie die Natur schlug (Lessing), ein Kleid schlägt Falten; radschlagen, einen Reif schlagen (Schiller); ein Kreuz schlagen, übertragen
ein Schnippchen schlagen. Auch Wurzeln schlagen kann man wohl hierher stellen;
2.7 die Bewegung nach einer bestimmten Richtung wird zur Hauptvorstellung: die Augen zu Boden schlagen, "niederschlagen", "aufschlagen", die Tür "zuschlagen"; schlage die Hände ineinander(Luther); übertragen die Zinsen zum Kapital schlagen, das Elsaß zu seinen Besitzungen zu schlagen (Schiller); die Unkosten auf den Preis schlagen; in die Schanze, in den Wind schlagen; sich etwas aus dem Kopf/ Sinn schlagen; etwas von der Hand schlagen, auch laß die Traurigkeit nicht in dein Herz, sondern schlage sie von dir (Luther), reflexiv: er schlug sich seitwärts in die Büsche (Seume), ob er hinauf geht oder weiter ab sich schlägt (Lessing), unterwegs schlug sich ein junger Mensch zu uns (Goethe); übertragen da schlugen sich zum Nicanor alle die Heidenschlossen sich der Partei Nicanors an‹ (Luther), da es aber Tag ward, schlugen sich etliche Juden zusammenverbanden sich‹ (Luther), allgemein sich zu einer Partei, auf jmds. Seite schlagen, ungewöhnlicher daß wir uns so gern auf die Partei der Verlierer schlagen (Schiller), daß man jeden von diesen Teilen höret, um sich alsdann entweder auf den einen oder den andern zu schlagen(Lessing), uns zu dieser Meinung zu schlagen (Goethe); sich ins Mittel schlagen;
2.8 ebenfalls Bewegung nach einer bestimmten Richtung bezeichnet intransitives schlagen. Diese Verwendung geht aus von solchen Fällen, in denen das Werkzeug zum Subjekt gemacht wird (siehe 1[4,6]). In auf einen Stein schlagen, hinschlagen u.dgl. liegt noch das gewaltsame Treffen eines Gegenstandes. Wendungen wie der Rauch schlägt zum Fenster hinaus, die Flamme schlägt in die Höhe stehen solchen wie die Wellen schlagen an das Ufer (s. 1.6) nahe. Danach wieder übertragen "anschlagen", (gut, schlecht) "ausschlagen", "fehlschlagen", "umschlagen" (das Wetter, die Stimmung schlägt um), dazu auch eine Wendung wie mir ist auf der Welt nichts zu Glücke geschlagen (Iffland), bisher ist mir noch alles zu Glück geschlagen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 6.12.77); aus der Art schlagen, nach dem Vater schlagen; in ein Fach schlagen, "einschlagen".Bei dieser Funktion von schlagen wird das Perfekt mit sein umschrieben;
2.9 es bezeichnet eine wiederholte stoßweise Bewegung: die Adern schlagen, der Puls, das Herz schlägt (für etwas); mit Akkusativ des Inhalts: wenn es [das Herz] die ersten Empfindungen schlägt(Klopstock); übertragen das Gewissen schlägt ihm, ungewöhnlich ich drück' an meine Seele dich, ich fühle die deinige allmächtig an mir schlagen (Schiller), im Herzen fühlt' ich letztes Leben schlagen (Uhland), ein Gedanke schlägt in jeder Brust (Schiller), unpersönlich so oft Rudell es hörte, fühlt' er sich's im Busen schlagen (Uhland);
2.10 als akustische Wahrnehmung die Wachtel, die Nachtigall schlägt, übertragen wo es [das Einzelne] in herrlichen Akkorden schlägt(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,149). Hierbei erscheint das Subjekt als tätig. Ein Vorgang an einem leblosen Subjekt liegt vor in die Glocke, die Uhr schlägt, zu vergleichen mit Wendungen, in denen das Werkzeug als Subjekt steht (siehe 1.6, 2.8); unpersönlich es schlägt, dazu kann eine Art Akkusativ des Resultats treten: die Uhr/ es schlägt 9 Uhr, es schlägt die zehnte Stunde, Mitternacht; ich weiß, was die Glocke geschlagen hat; hierher wohl auch eine geschlagene [›volle‹] Stunde (eigentlich ›die Stunde zu Ende bis zum Glockenschlag‹); mit Vertauschung des Subjekts die Stunde schlägt. Anderer Art und literarische Freiheit ist es, wenn im Anschluß an die Trommel schlagen Uhland mit Subjektvertauschung wagt die Trommel schlug zum Streite und Schiller heimwärts schlägt der sanfte Friedensmarsch.  ⇑ "Schlacht", "Geschlecht", "ungeschlacht", "abschlagen", "anschlagen", "aufschlagen", "ausschlagen", "durchschlagen", "überschlagen", "umschlagen", "unterschlagen", "vorschlagen"; W.Koch, »schlagen« – ein holistisches Verb?, in: L036 DaF18,32ff.
Schlager"S213" südostdeutsche Form für Schläger; zuerst um 1880 in ⇓ "S233" Wien Bezeichnung für ein Lied aus einer Operette oder Posse, das durchschlagenden Erfolg gehabt hat (vgl. "Gassenhauer", "Knüller", "Walzer" als ähnliche ›Produktionsobjekte‹): und als der Schlager der Saison aus dem Kasten ertönte (H.A151 Hermann Kant, Aula 323); übertragen auf erfolgreiche Bücher und Theaterstücke, auf gut verkaufte Waren, vgl. Verkaufsschlager;
Schläger hauptsächlich in Zusammensetzungen Lautenschläger, Trommelschläger usw.; doch auch er ist ein guter Schläger (›Fechter‹); umgangssprachlich ›(brutaler) Raufbold‹ (L003 Johann Christoph Adelung 1780); ferner zur Bezeichnung eines Werkzeugs geworden: Schläger zum Fechten, TotschlägerStock, der mit einer Bleikugel zum Versetzen tödlicher Schläge versehen ist‹;
Schlagetot"S188" umgangssprachlich ›großer, plumper Mensch‹, 1770 (L022 Brem.Wb.: sladood), ein Imperativ, umgangssprachlich, wohl auch ironisch, ›Soldat‹.
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