Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schlafen
ahd. sla(f)an, mhd. slafen, altgermanisches starkes Verb (got. slepan, engl. sleep), verwandt mit ↑ "schlaff";1 Gegensatz ↑ "wachen"(1): dein kan ich nicht vergessen, / … / ich schlaff trinck oder esse (16. Jahrhundert; L059 DWb), im Wiegenlied Schlaf', Kind, schlaf' (A294 Wunderhorn, Christkindleins Wiegenlied), in Verbindung mit gehen, übertragen so ganc slafen, hövescher muot (Walther v. d.Vogelweide; L059 DWb), mit legen, reflexiv: die mich jagen / legen sich nicht schlaffen (A180 Martin Luther, Hiob 30,17), mit Adverbien: der werde künec vaste slief(Wolfram von Eschenbach, Parzival; L059 DWb), hart schlafenauf einer harten Unterlage‹ (Rabener; L059 DWb); auf eine hinausgeschobene Entscheidung bezogen über etwas schlafen (1541; L059 DWb), negiert ›unruhig sein‹: die fülle des Reichen lesst jn nicht schlaffen (A180 Martin Luther, Prediger Salomo 5,11); in speziellen Verwendungen
1.1 zur Bezeichnung von Trägheit schlaaffen… liederlich und hinlässig seyn (L200 Josua Maaler);
1.2"S064" euphemistisch ›tot sein‹ (ahd. ): laß die Toten schlafen (A222 Friedrich Schiller, Räuber 3,1);
1.3 im Sinne von ›Geschlechtsverkehr haben‹, bis ins 19. Jahrhundert mit bei: ach junger knab, / … / schlaff heint [›heute Nacht‹] bey mir (16. Jahrhundert; L059 DWb), heute nur noch wie althochdeutsch mit: es hatte einem dominikanermönch geträumt, er schliefe mit seinem beichtkinde (Klinger; L059 DWb);
2 übertragen wie ⇑ "ruhen", "schlummern": ein trieb, der euch im busen schlief (Gotter; L059 DWb), häufig negiert zum Ausdruck von Aufmerksamkeit vnd jr verdamnis schlefft nicht (A180 Martin Luther, 2.Petrus 2,3).
Schläfer mhd. slæfære; seit September 2001 Bezeichnung für einen Anhänger einer terroristischen Vereinigung, der sich, unauffällig lebend, auf einen gewalttätigen Einsatz vorbereitet: Das… unsichtbare Terrornetz kann jederzeit »Schläfer« wecken und sie mit Massenmordaufträgen ausschwärmen lassen (Mannheimer Morgen 17.9.2001).
schläfern (Umlaut 15. Jahrhundert nach dem Faktitivum mhd. [ent-]slæfen), ahd. slaferon; heute selten ›schläfrig, müde sein‹, gewöhnlich mich schläfert, ↑ "einschläfern";
schläfrig ahd. slafrac, mhd. slafric, slæfric; ›müde‹, vom Blick: bemüht euch nicht weiter, ihr schläffrigen blicke (J.Ch.Günther; L059 DWb); übertragen ›langsam, langweilig‹: ein schläfriger Vortrag (L004 Johann Christoph Adelung);
Schlaf ahd. / mhd. slaf, altgermanisch (got. sleps);
1Ruhezustand des Organismus‹, Gegensatz Wachen (↑ "wachen"): er ist in einen tiefen Schlaf gefallen (L305 Christoph Ernst Steinbach), ›Im Schlaf versenkt? Unmöglich!‹ ›Fest im Schlafe! Ruf ihn bei Namen, so fällt er nieder‹ (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Homburg 1,1), ein Kind in den Schlaf singen (L004 Johann Christoph Adelung), zum Ausdruck von Hinterhältigkeit im Schlaf überrumpeln (A222 Friedrich Schiller, Räuber 5,2), bei lebhaften Träumen unruhiger Schlaf (L308 Kaspar Stieler), ein junger bursch… redete unverständlich im schlaf (Eichendorff; L059 DWb), aber Der Traum ist der Wächter des Schlafes, nicht sein Störer (S.A063 Sigmund Freud II,240); bis ins 18. Jahrhundert mit machenverbunden: einen Schlaf machen, heute nur im Diminutiv ein Schläfchen machen »ein wenig schlafen« (L004 Johann Christoph Adelung);
⊚⊚ das fällt mir im Schlaf nicht ein (vgl. L305 Christoph Ernst Steinbach) als heftige Zurückweisung, zum Ausdruck von Sicherheit etwas im Schlaf können (Wieland; L059 DWb), spielend, im Schlafe (A222 Friedrich Schiller, Kabale und Liebe 1,7);
2 übertragen,
2.1 »von zuständen geistiger, seelischer ruhe, unthätigkeit« (L059 DWb) etc.: In der Kindheit Schlaf begraben / lag ich (A131 Friedrich Hölderlin, An Herkules);
2.2 seit dem Mittelhochdeutschen vor allem ›Tod‹ literarisch reich belegt, einen ewigen Schlaff schlaffen (A180 Martin Luther, Jeremia 51,39), der schlaf ist ein kleiner tod(1555; L059 DWb), v. a. als Bruder vorgestellt, mittelhochdeutsch als Schwester (vgl. L190 Lexer): tod und… schlaf… bruder und schwester kinder (1677; L059 DWb), Der Schlaf ist der Bruder des Todes (A231 Arthur Schopenhauer, Wille 2,327);
2.3 verhüllend ›Augensekret‹: Und wische den Schlaf und alles Blöde, Blinde aus deinen Augen! (1884 A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 270);
Schlafanzug"S149" nach 1900; für älteres
Schlafrock 14. Jahrhundert, auch ›Hausmantel, Morgenrock‹, übertragen Apfel im Schlafrockin einer Teighülle‹;
Schlafmittel L003 Johann Christoph Adelung 1780;
Schlafmütze (1664; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), heute v. a. übertragen für einen trägen, unaufmerksamen Menschen, Eva König an Lessing 26.10.1772: Ach die guten Schlafmützen [das Publikum] sagt nichts;
Schlafwandler (L059 DWb) ›Somnambuler, Nachtwandler‹;
schlafwandlerisch (L320 Trübner), häufig
mit schlafwandlerischer Sicherheit.
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