Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
scheuen
mhd. schiuhen zu mhd. schiech (siehe unten "scheu"); zunächst transitiv, der ursprünglichen Bedeutung ›zurückfahren‹ entsprechend auf Tiere bezogen: sin ros die toten schuhte(Virginal; L059 DWb), intransitiv daz ez (mule) begunde schiuhen (Konrad von Würzburg; L059 DWb), präpositional mit vor; auf Menschen bezogen ›fürchten‹: Das man… / den Gott Daniels fürchten und schewen sol (A180 Martin Luther, Daniel 6,26), Er ist einer / der seinen Feind nicht scheuet (L308 Kaspar Stieler); im Sinne von ›ängstlich zu meiden suchen‹: Des tages verbergen sie sich… / vnd schewen das liecht (A180 Martin Luther, Hiob 24,16), sprichwörtlich gebranntes Kind scheut das Feuer ↑ "brennen"; abgeblaßter die Arbeit.. Muhe.. scheuen (L169 Matthias Kramer); im Sinne von ›zögern‹ Ich scheue michs zusagen (L308 Kaspar Stieler), sich nicht scheuen »entbloden« (L169 Matthias Kramer); negiert im Partizip Prät. ungescheut ›offen‹ etwas ungescheuet reden/ sagen/ thun(ebenda), weiterentwickelt zu attributiver Verwendung: aus dem ungescheuten Gebrauch jenes Rechts (Wieland), mit ungescheuten Worten (Goethe); seit dem Mittelhochdeutschen auch reflexiv, veraltet mit Genitiv: fast scheu' ich mich des Sonderlings (Lessing), was sich nie der Liebe scheute(G.A.Bürger). Daraus abgeleitet das im Mittelhochdeutschen gleichlautendescheuchen seit dem Frühneuhochdeutschen ›(fort)jagen, (ver)treiben‹: Vogel… [ jmdn. ]aus dem Hause scheuchen (L308 Kaspar Stieler), abgeblaßt ›zu einem bestimmten Handeln veranlassen‹: Kinder in die Schule, jmdn. an die Arbeit scheuchen; übertragen Was scheucht die Ruh aus deinem Herzen? (L004 Johann Christoph Adelung); dazu
Scheuche 15. Jahrhundert schiuhe ›Schreckbild (Vögel zu verjagen)‹, ↑ "Vogelscheuche";
Scheu Fem. , mhd. schiuhe, im 16./ 17. Jahrhundert selten Mask. (vgl. "Abscheu"); ›Zurückhaltung, Schüchternheit‹, beim Menschen besonders auf Scham, Ehrfurcht u.dgl. beruhend (↑ "Angst"): er… sahe / das das Volck eine schew hatte / sich in das wasser zubegeben (A180 Martin Luther, 1.Makkabäer 16,6), in festeren Verbindungen: und doch empfand ich eine gewisse heilige scheu (E.T.A.Hoffmann; L059 DWb), Zuerst erzitternd in der scheu der jugend (S.A067 Stefan George, Der Saitenspieler); negiert abwertend frech,… on allen scheuch, fürchten weder gott noch die welt (Luther; L059 DWb), Die Einwohner in Otaheiti begatten sich öffentlich ohne Scheu(L004 Johann Christoph Adelung), bzw. positiv gedeutet: das wort zu reden on schew (A180 Martin Luther, Philipper 1,14), Ihn ohne Scheue sehn (A131 Friedrich Hölderlin, Emilie vor ihrem Brauttag);
scheu Adjektiv durch Anlehnung an Scheuund scheuen anstelle eines mittelhochdeutschen und noch mundartlichen schiech (engl. shy), aus dem Scheu, scheuen, scheuchen, Scheusal, scheußlich abgeleitet sind; der ursprünglichen Bedeutung des Verbs entsprechend zunächst auf Tiere bezogen ›ängstlich‹, Gegensatz "zahm": Ein scheu Pferd (L308 Kaspar Stieler), ein Pferd scheu machen (L003 Johann Christoph Adelung 1780), die lerche scheu ins frühlicht schwingt (S.A067 Stefan George, Das sind die langen Stunden), auf Menschen bezogen ›schüchtern‹: Jr Veter / erbittert ewre Kinder nicht / Auff das sie nicht schew werden (A180 Martin Luther, Kolosser 3,21), im Sinne von ›feige‹: eine… schiefe figur, die sich scheu und verlegen in jede ecke drückt (Hebbel; L059 DWb); häufig auf die Augen bezogen Er schleicht mit scheuem Blicke(Hagedorn; L003 Johann Christoph Adelung 1780); dazu ⇑ "kopfscheu", "schüchtern";
Scheuklappe ›Klappe, die das Scheuen der Pferde verhindern soll‹ (L033 Joachim Heinrich Campe 1810), dafür früher auch Scheuleder (16. Jahrhundert); ⇓ "S027" übertragen
⊚ Scheuklappen tragen/ haben von der eng begrenzten Sichtweise, die scheuklappe der parteipolitik (L059 DWb);
Scheusal (Luther) ›Abscheu erregendes Wesen‹, auf Tiere bezogen das fürchterliche scheusal des waldes (Goethe; L059 DWb), auf Menschen ⇓ "S191" »eine im höchsten Grade boshafte und lasterhafte Person« (L003 Johann Christoph Adelung 1780): Scheusal, Scheusal, schaff mir meinen Sohn wieder! (A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,2), ich war… ein scheusal (Miller; L059 DWb); heute auch abgeblaßt, z. B. von lärmenden, ungezogenen Kindern;
scheußlich mhd. schiuzlich, zu einem Verb schiuzen ›Abscheu empfinden‹, Weiterbildung zu schiuhen; im Sinn eines optischen Eindrucks Scheuslich Gesicht (L308 Kaspar Stieler), auch auf Gehörs-, Geschmacksempfindungen bezogen; von Verwerflichem: Ein scheußliches Verbrechen (L003 Johann Christoph Adelung 1780); ⇓ "S229" seit dem 19. Jahrhundert abgeblaßt scheuszliches wetter, er war scheuszlich betrunken (L059 DWb), auch als Ausdruck des Unbehagens: Scheußlich!
Scheuche 15. Jahrhundert schiuhe ›Schreckbild (Vögel zu verjagen)‹, ↑ "Vogelscheuche";
Scheu Fem. , mhd. schiuhe, im 16./ 17. Jahrhundert selten Mask. (vgl. "Abscheu"); ›Zurückhaltung, Schüchternheit‹, beim Menschen besonders auf Scham, Ehrfurcht u.dgl. beruhend (↑ "Angst"): er… sahe / das das Volck eine schew hatte / sich in das wasser zubegeben (A180 Martin Luther, 1.Makkabäer 16,6), in festeren Verbindungen: und doch empfand ich eine gewisse heilige scheu (E.T.A.Hoffmann; L059 DWb), Zuerst erzitternd in der scheu der jugend (S.A067 Stefan George, Der Saitenspieler); negiert abwertend frech,… on allen scheuch, fürchten weder gott noch die welt (Luther; L059 DWb), Die Einwohner in Otaheiti begatten sich öffentlich ohne Scheu(L004 Johann Christoph Adelung), bzw. positiv gedeutet: das wort zu reden on schew (A180 Martin Luther, Philipper 1,14), Ihn ohne Scheue sehn (A131 Friedrich Hölderlin, Emilie vor ihrem Brauttag);
scheu Adjektiv durch Anlehnung an Scheuund scheuen anstelle eines mittelhochdeutschen und noch mundartlichen schiech (engl. shy), aus dem Scheu, scheuen, scheuchen, Scheusal, scheußlich abgeleitet sind; der ursprünglichen Bedeutung des Verbs entsprechend zunächst auf Tiere bezogen ›ängstlich‹, Gegensatz "zahm": Ein scheu Pferd (L308 Kaspar Stieler), ein Pferd scheu machen (L003 Johann Christoph Adelung 1780), die lerche scheu ins frühlicht schwingt (S.A067 Stefan George, Das sind die langen Stunden), auf Menschen bezogen ›schüchtern‹: Jr Veter / erbittert ewre Kinder nicht / Auff das sie nicht schew werden (A180 Martin Luther, Kolosser 3,21), im Sinne von ›feige‹: eine… schiefe figur, die sich scheu und verlegen in jede ecke drückt (Hebbel; L059 DWb); häufig auf die Augen bezogen Er schleicht mit scheuem Blicke(Hagedorn; L003 Johann Christoph Adelung 1780); dazu ⇑ "kopfscheu", "schüchtern";
Scheuklappe ›Klappe, die das Scheuen der Pferde verhindern soll‹ (L033 Joachim Heinrich Campe 1810), dafür früher auch Scheuleder (16. Jahrhundert); ⇓ "S027" übertragen
⊚ Scheuklappen tragen/ haben von der eng begrenzten Sichtweise, die scheuklappe der parteipolitik (L059 DWb);
Scheusal (Luther) ›Abscheu erregendes Wesen‹, auf Tiere bezogen das fürchterliche scheusal des waldes (Goethe; L059 DWb), auf Menschen ⇓ "S191" »eine im höchsten Grade boshafte und lasterhafte Person« (L003 Johann Christoph Adelung 1780): Scheusal, Scheusal, schaff mir meinen Sohn wieder! (A222 Friedrich Schiller, Räuber 2,2), ich war… ein scheusal (Miller; L059 DWb); heute auch abgeblaßt, z. B. von lärmenden, ungezogenen Kindern;
scheußlich mhd. schiuzlich, zu einem Verb schiuzen ›Abscheu empfinden‹, Weiterbildung zu schiuhen; im Sinn eines optischen Eindrucks Scheuslich Gesicht (L308 Kaspar Stieler), auch auf Gehörs-, Geschmacksempfindungen bezogen; von Verwerflichem: Ein scheußliches Verbrechen (L003 Johann Christoph Adelung 1780); ⇓ "S229" seit dem 19. Jahrhundert abgeblaßt scheuszliches wetter, er war scheuszlich betrunken (L059 DWb), auch als Ausdruck des Unbehagens: Scheußlich!