Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
scheiden
ahd. skeidan, altgermanisches starkes Verb (got. skaidan, engl. shed), urverwandt griech. schízo, lat. scindo, lett. šk’iedu ›spalte, teile‹. Das Partizip geschieden nach Analogie von gemieden usw. anstelle von mhd. gescheiden, die alte Form noch in dem Adjektiv ↑ "bescheiden"; zunächst transitiv1sondern, unterscheiden‹: Da scheidet Gott das Liecht vom Finsternis (A180 Martin Luther, 1.Mose 1,4), von einer dauernden Trennung Gebirge… / die das Land hin auff gen Seir scheidet (A180 Martin Luther, Josua 11,17), speziell bis zum 18. Jahrhundert fachsprachlich in der Chemie und schaidet golt und silber von kupfer und von plei (14. Jahrhundert; L059 DWb), rechtssprachlich frühneuhochdeutsch bis ins 18. Jahrhundert ›schlichten‹ (↑ "Schiedsrichter"): alle die andern konnten die Sache zu Rechte nicht scheiden (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Reineke Fuchs 9,300); allgemeiner von Beziehungen, häufig mit Tod verbunden unz sibeide schiet der tot(Iwein; L059 DWb), auf die Ehe bezogen Was… Gott zusamen gefüget hat / das sol der Mensch nicht scheiden (A180 Martin Luther, Matthäus 19,6), Ehe scheiden (L308 Kaspar Stieler), institutionalisiert eine von ihrem Manne scheiden (L305 Christoph Ernst Steinbach), im Partizip Prät. sie seynd geschieden (L169 Matthias Kramer), auch auf Freundschaft bezogen (Lessing),
wir sind geschiedene Leute (L003 Johann Christoph Adelung 1780) ›ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben‹; reflexiv
2auseinandergehenhier scheidet sich der Weg (L169 Matthias Kramer), floskelhaft zur Bezeichnung von Meinungsunterschieden hier scheiden sich die Geister; bis ins 19. Jahrhundert reziprok, von L033 Joachim Heinrich Campe getadelt: sie schieden sich als gute Freunde, scheide dich nicht von einer vernünftigen und frommen Frau (Luther), dagegen eigentlich nicht reflexiv Wenn sich ein Man von seinem Weibe scheiden lesset (A180 Martin Luther, Jeremia 3,1), weil sich auf das Subjekt von lassen bezogen ist; intransitiv
3sich entfernen, fortgehen‹, häufig im Lied heute scheid' ich, / heute wandr' ich(F.Müller; L059 DWb) und substantivisch Scheiden und Meiden, Scheiden tut weh (L243 Friedrich Erdmann Petri), im Partizip Prät. es muß geschieden seyn (L169 Matthias Kramer), im Partizip Präsens Das scheidende Jahrhundert (L033 Joachim Heinrich Campe), Dort harrt er, wonnelächlend, wie die / Scheidende Sonne (A131 Friedrich Hölderlin, An die Ruhe), präpositional mit von: anders minneclichen er von den vrouwen schiet (Nibelungenlied; L059 DWb), verhüllend und euphemistisch von diser Zeyt (L200 Josua Maaler), aus der Welt (L308 Kaspar Stieler), aus diesem Leben (L169 Matthias Kramer) scheidensterben‹ (↑ "sterben"), heute vor allem vom Freitod freiwillig aus dem Leben scheiden; mit aus: aus einem Amt scheiden (L059 DWb). Dazu ⇑ "abscheiden", "entscheiden", "unterscheiden", "verscheiden", "Bescheid", "Abschied". Zu scheiden(1)
Scheidebrief (frühnhd.) bis ins 19. Jahrhundert ›Urkunde über Ehescheidung‹;
Scheidekunst"S071""S123" Lehnschöpfung Zesens ›Chemie‹ (1645), so noch im 18. Jahrhundert; dann ›Analyse, Kritik‹ (1651);
ScheidekünstlerChemiker‹ (L003 Johann Christoph Adelung 1780, A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 20,52,16) und ›Analytiker, Kritiker‹ (1651 Zesen);
Scheidemünze (veraltet) um 1670, ›kleine Münze‹, »um den Käufer und Verkäufer.. in Kleinigkeiten zu scheiden« (L003 Johann Christoph Adelung 1780);
ScheidewasserSäure, die eine Mischung oder chemische Verbindung trennt‹, besonders ›Salpetersäure‹ (um 1530 Paracelsus), heute veraltet;
Scheideweg (L308 Kaspar Stieler); ›Ort, wo sich ein Weg in zwei oder mehrere Wege trennt‹, ⇓ "S027" übertragen ›Konflikt, der aus dem Zwang einer Entscheidung entsteht‹:
am Scheideweg stehen, des scheidewegs bedrängnisz (Immermann; L059 DWb);
Scheide ahd. skeida, mhd. scheide, altgermanisch (engl. sheath); bereits althochdeutsch in den beiden Bedeutungen
1Hülle‹: ein Schwert… / das hieng an seiner hüffte in der scheiden (A180 Martin Luther, 2.Samuel 20,8), dazu Schwertscheide, Messerscheide; seit Ende des 16. Jahrhunderts wohl aus metaphorischem Gebrauch – sie hett ein… messer in ihr scheiden(1589; L059 DWb) – übertragen ›der nach außen führende Teil des weiblichen Geschlechtsorgans‹ und
2Grenze‹, dazu Wasserscheide, Wegscheide; übertragen wie "Schwelle": an seiner jugend scheide(Droste-Hülshoff; L059 DWb);
Scheidung ahd. skeidunga, mhd. scheidunge; der Bedeutungsentwicklung von scheiden folgend, heute zumeist auf die Ehe bezogen »Rachtliche transannung der eelichen banden« (L200 Josua Maaler).
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