Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Schatten
ahd. scato, mhd. schate (↑ "Backe"), altgermanisch (got. skadus, engl. shade, shadow), urverwandt altirisch scath, griech. skótos ›Dunkelheit‹; Schatte noch im 18. Jahrhundert häufig, vereinzelt im 19. Jahrhundert;1 von dunklen Flächen,
1.1 auf die Licht fällt: es wil abend werden / vnd die schatten werden gros (A180 Martin Luther, Jeremia 6,4), Schatten machen (L200 Josua Maaler), geben, werfen (L169 Matthias Kramer), der Schatten der Erde (ebenda); untrennbar mit dem beleuchteten Körper verbunden, aber bei A036 Adalbert von Chamisso: sah ich ihn meinen Schatten… von dem Grase lösen, aufheben… und… einstecken (Schlemihl; 2,31),
über seinen schatten springen [›sich gegen den inneren Widerstand überwinden‹] / kann dem leichtsten nicht gelingen (Logau; L059 DWb) und übertragen schatten… die ungeladenen personen, die ein vornehmer gast… mitbrachte (Wieland; L059 DWb), ähnlich heute in Kurschatten; seine Vergänglichkeit bereits althochdeutsch im Vergleich: ubermuoti und rihtuomes ruom… fersuuundun also scata (Notker; L059 DWb); im 17./ 18. Jahrhundert auch ›Scherenschnitt‹; übertragen mit Betonung von Unvollkommenheit ›Abglanz‹: Rom ist jetzt nur ein Schatten gegen zuvor (L308 Kaspar Stieler), häufig auf die Folgen von Krankheit bezogen zum schatten abgezehrt (Schiller; L059 DWb), sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst; der Vorstellung des Dunklen folgend übertragen die da sitzen im… schatten des Todes(A180 Martin Luther, Lukas 1,79), das glück wird durch schatten getrübt (L059 DWb), der Schatten des Krieges,
⊚⊚ in jmds. Schatten stehen, dagegen auch positiv ein großes Ereignis wirft seine(n) Schatten voraus (L059 DWb); auch ›Schemen, undeutlich wahrnehmbare Gestalt‹: er hat nicht einmal den Schatten davon gesehen (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch),
einem Schatten nachjagen (L264 Daniel Sanders) von sinnlosem Handeln; zur Bezeichnung einer kaum wahrnehmbaren Andeutung, Spur: nur ein schatten einer untrew(1630; L059 DWb), welche wenigstens einen schatten von vernunft hatten (Lessing; L059 DWb), so auch vom rasch wechselnden Minenspiel: ein Schatte von Spott schien über sein Gesicht zu gleiten (A131 Friedrich Hölderlin, Hyperion 32), jeden Schatten eines Wölkchens auf der Stirne, jeden Schatten einer Wehmut, eines Stolzes auf der Lippe(ebenda 62); im Anschluß an Vorstellungen der griechischen Mythologie in der klassischen Literatur von den Gestorbenen: es tritt ein styg'scher Schatten / Nächtlich zwischen mich und ihn (A222 Friedrich Schiller, Kassandra), In der Schatten… Reich (A131 Friedrich Hölderlin, Diotima; 1,217);
1.2 im Sinn einer veränderten Färbung: wangen… von einem leisen schatten von roth unterlaufen (Hauff; L059 DWb), Schatten unter den Augen, auf der Lunge: daß die photographische Platte oft Flecke zeigt, die… Schatten sind (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 277);
2 in räumlicher Hinsicht ›dunkler Bereich, das Dunkel‹, häufig mit der Vorstellung des Kühlen verbunden: daz diu linde mære / den küelen schaten bære (Walther v. d.Vogelweide; L059 DWb), Schatten suchen vnder einem baum (L200 Josua Maaler), biblisch häufig übertragen ›Schutz‹: Wer vnter… dem schatten des Allmechtigen bleibt (A180 Martin Luther, Psalm 91,1); häufig in der Verbindung Licht und Schatten, in der Malerei das Licht und Schatten im Gemahl (L169 Matthias Kramer), bei L308 Kaspar Stieler das Kompositum Gemaldeschatten,
Wo viel Licht ist, ist starker Schatten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Götz 1, Jaxthausen), der Vorstellung des Dunklen folgend übertragen Und das Licht verscheucht die bösen / Mittelalterlichen Schatten (A118 Heinrich Heine, Atta Troll, CaputXV),
jmdn. in den Schatten stellen/ drängen: schon als knabe ward ich in schatten gestellt und er ans licht gezogen, ihm alles zwiefach gegeben (Klinger; L059 DWb).
Schattenboxen"S149" (L097 GWb) ⇓ "S123" Lehnschöpfung zu chines. taiji-quan »Art des Trainings, bei dem man gegen einen nur vorgestellten Gegner (gegen den eigenen Schatten od. gegen das Spiegelbild) boxt« (ebenda), heute vor allem übertragen mit dem Schattenboxen zwischen CDU und CSU ist.. nicht den auf Beförderung wartenden Offizieren gedient (Zeit 22.2.1985);
Schattendasein (L059 DWb), übertragen
ein Schattendasein führen, zunächst auf den dem Tod sich Nähernden bezogen: der greis führt nur noch ein schattendasein (ebenda), heute auch allgemeiner ›nicht beachtet werden‹;
Schattenkabinett"S144" wohl erst 1949, eventuell nach dem Muster Schattenstaatfingierter Staat‹ (Haller; L059 DWb) ›für den Fall der Regierungsübernahme vorgesehenes Kabinett‹: Bereits vor der Unterzeichnung der Unabhängigkeitsakte bestand… ein Schattenkabinett (Welt 29.12.1949), ↑ "Kabinett";
Schattenseite (L033 Joachim Heinrich Campe) »in Gegensatz der.. Sonnenseite«, übertragen die Schattenseite… dieses Lebens (ebenda);
Schattenspiel
1 »drama umbrosum« (L308 Kaspar Stieler), übertragen o schattenspiel der welt!(Herder; L059 DWb); dann auch
2Wechsel von Hell und Dunkel‹, häufig in der Verbindung: ein holdes licht- und schatten-spiel (Brockes; L059 DWb);
schatten ahd. scatawen, mhd. schatewen, schetewen, bereits mittelhochdeutsch selten, von Klopstock ⇓ "S015" literarisch wiederbelebt: neben dir schattet des Sachsen Wald, Heilige nacht von Ihm befohlen / Schatte noch mit deinen schleiern! (S.A067 Stefan George, Heilige nacht); ⇑ "abschatten", "beschatten";
schattieren (1618; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) mit französischer Ableitungssilbe; »die dunkeln Stellen.. durch.. dunkele Farben anzeigen« (L003 Johann Christoph Adelung 1777);
Schattierung (1664; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), häufig übertragen »Veränderung der Dinge einer Art« (L003 Johann Christoph Adelung 1777): Schattierungen der Empfindungen (ebenda).
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