Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
schaffen
Es bestanden ursprünglich zwei verwandte Verben: Ein starkes, das sich im Präteritum schuf, mhd. schuof und Partizip geschaffen fortsetzt, wozu das Präsens im Althochdeutschen ursprünglich unregelmäßig skephen (got. skapjan) lautete, woneben sich aber eine regelmäßige Form skaffan gebildet hat; ferner ein schwaches, zu diesem als Intensivum gebildetes Verb (vgl. W.Wissmann, Nomina postverbalia in den altgermanischen Sprachen, 1930,73): ahd. skaffon. Althochdeutsch skephen setzt sich in unserem "schöpfen" fort, das aber nur in einer bestimmten, abliegenden Bedeutung gebraucht wird, (doch vgl. "Schöpfer", "Schöpfung"), und zu dem nun ein schwaches Präteritum und Partizip gebildet wird. Als Präsens zu schuf, geschaffen behauptete sich nur schaffen aus ahd. skaffan, das aber bald unter den Einfluß des schwachen Verbs (ahd. skaffon) trat und so in der 2.,3.Person Singular Indikativ den Umlaut (ahd. skeffis, skeffit) einbüßte;1 stark ›hervorbringen‹, immer transitiv Am anfang schuff Gott Himel vnd Erden (A180 Martin Luther, 1.Mose 1,1), häufig in künstlerischem Sinn: mit liebe / schuf Rafael seine Galathee (Wieland; L059 DWb), so häufig substantiviert: das ist die kraft, poet,… dasz dein eigner geist den drang des schaffens spürt (Geibel; L059 DWb), auch ›Werk‹: das gesamte Schaffen; das Objekt kann hinzugedacht oder unbestimmt gelassen werden: Beschäftigung,… die langsam schafft, doch nie zerstört (Schiller). In der Konstruktion berührt es sich mit "machen": wie alle Menschen aus der Erde und Adam aus dem Staube geschaffen ist (Luther), welche die Insel zum blühenden Lande sich schufen (Voß), literarisch mit prädikativem Adjektiv: sie verhieß mich unsterblich zu schaffen (Voß); verschieden hiervon und allgemein der Mensch ist frei geschaffenals freier Mensch‹ u.dgl.; im Partizip Prät. ›besonders geeignet‹: er ist… von Natur darzu geschaffen (L308 Kaspar Stieler),
für etwas wie geschaffen sein (L059 DWb); das Partizip Prät. ohne ge- in ⇑ "rechtschaffen", "wahnschaffen"; Zusammensetzungen "erschaffen", umschaffen, dem Sinn nach ↑ "beschaffen" (Adjektiv), ↑ -{{link}}schaft{{/link}}, "Schöpfer" (↑ "schöpfen");
2 schwach ›einrichten, ordnen‹, daher
2.1anordnen, befehlen‹: jener dient und dieser schafft (Logau), was mir der Kaiser schafft, soll Augenblicks geschehen (Lohenstein), nun sagt, ihr Herrn, was ihr schafft(Goethe); so noch allgemein südostdeutsch, ⇑ "anschaffen", "verschaffen";
2.2selbst ausführen, tätig sein‹, häufig ohne Objekt: alle Geräte, damit sie schaffen im Heiligtum (Luther), die Priester schafften an dem Brandopfer und Fetten bis in die Nacht (Luther), der Mann muß wirken und streben und pflanzen und schaffen (Schiller), sie [die linden Lüfte] schaffen an allen Enden (Uhland); jetzt ⇓ "S214" südwestdeutsch synonym zu ↑ "arbeiten"(2): sie schafft auf dem Feld, beim Bürgermeister, schaffen gehen; zu schaffen haben: man drücke die Leute mit Arbeit, daß sie zu schaffen haben (Luther), in gleichem Sinn mit pronominalem Objekt alles Geräte, damit man etwas schaffet (Luther), was hab' ich nicht schon alles schaffen müssen? (Goethe), »was schaffst du?« redet der Graf ihn an (Schiller); was haben meine Freunde in meinem Hause zu schaffen? (Luther), als hätte niemand nichts zu treiben und nichts zu schaffen (Goethe), mit Objekt heute vielfach floskelhaft Voraussetzungen, vollendete Tatsachen, klare Verhältnisse schaffen; in der festen Verbindung zu schaffen machen: beide gehen darauf aus, der Literaturzeitung zu schaffen zu machen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 15.9.00), dafür auch geben: den ungebetenen Blicken ihres Hauses etwas zu schaffen zu geben (Schiller), umgangssprachlich ›Mühe, Probleme bereiten‹:
Das wird mir viel zu schaffen machen (L003 Johann Christoph Adelung 1777), präpositional zur Bezeichnung belangloser Beschäftigung: indem der alte sich unter dem schuppen noch zu schaffen machte (Immermann; L059 DWb), sich an etwas zu schaffen machen;
etwas mit jmdm. / etwas zu schaffen habenBeziehung zu jmdm. / etwas haben‹: Ich wil nichts mit dir… ze schaffen… haben (L200 Josua Maaler), veraltet mit abhängigem Satz ›sorgen‹: so wollest du schaffen, daß du gebest einem jeglichen, wie er gewandelt hat (Luther), schaff', das Tagwerk meiner Hände, hohes Glück, daß ich's vollende (Goethe); desgleichen etwas schaffenausrichten‹: da aber Pilatus sah, daß er nichts schaffte (Luther), nichts doch schaffte mein Tun(Voß), was wollt ihr schaffen ohne diesen Arm? (Schiller), dazu eine Prüfung schaffenbestehen‹, umgangssprachlich ›bewältigen können‹: Den Nachtisch schaffe ich nicht mehr, häufig unpersönlich es schaffen: einen Mann… , der's schafft, der das Rennen macht… Sie könnten es. Sie müssen es schaffen (A296 Carl Zuckmayer, General 591); anerkennend im Partizip Prät. du hast es geschafftdu hast dein Ziel erreicht‹, dazu neuer zur Bezeichnung großer Mühe, Erschöpfung etwas/ jmd. schafft jmdn.: Das Kind, die Wanderung hat mich geschafft, ich bin geschafftsehr erschöpft‹ (vgl. L337 WdG);
2.3 allgemein üblich für das Herbeiführen einer Ortsveränderung: ins Haus, aus dem Haus, zur Stelle schaffen, herbeischaffen, wegschaffen, "abschaffen", aus der Welt schaffen, aus den Augen schaffen, vom Hals schaffen, veraltet jmdm. etwas schaffenetwas in seine Nähe bringen, so daß er darüber verfügen kann‹: du mußt mir die Dirne schaffen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2619), ich schaffe dir das Wort der Generaleschaff mir ihre Handschrift (A222 Friedrich Schiller, Piccolomini 2,6), auch ohne Dativ, wenn sich aus dem Zusammenhang ergibt, für wen etwas besorgt wird: schafft einen Stuhl, ich sinke nieder (Goethe), hierher auch (jmdm. ) Rat, Hilfe, Schmerzen schaffen usw. Dazu ⇑ "Geschäft" ("geschäftig"), "Schaffner", "Schöffe". W.de Cubber: Schöpfer, schaffen, Geschöpf und Schöpfung im Frühneuhochdeutschen. In: Studia Germanica 21,271ff.
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