Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
sagen
ahd. sagen, mhd. sagen, altgermanisch (engl. say) mit Verwandtschaft in anderen indogermanischen Sprachen (altlat. insece, griech. en(n)épein ›erzählen‹); mit Ausnahme von festen Wendungen (gesagt, getan [L308 Kaspar Stieler] ›unverzüglich‹, sagen und thun ist zweyerley [L169 Matthias Kramer], singen und sagen, ↑ "singen"[1.1]) im Gegensatz zu ↑ "sprechen" und ↑ "reden" nur im Sinn der einseitig gerichteten mündlichen Äußerung und mit Angabe des Inhalts: Wer reden will, muß sprechen können und zu sagen wissen, was seinen Geist bewegt (L338 Friedrich Karl Ludwig Weigand 1843), wobei1 der Hörerbezug hergestellt wird
1.1 mit persönlichem Dativ: Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Paläste! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Römische Elegien I), performativ (hier die Handlung der Heilung mitvollziehend) mit nachfolgendem Satz: Jüngling / Jch sage dir / stehe auff (A180 Martin Luther, Lukas 7,14), zur Bezeichnung von Nachdruck ich kan euch sagen (L169 Matthias Kramer); im Sinne von ›hörenIch habe mir sagen lassen (L033 Joachim Heinrich Campe); reflexiv im Sinne von ›zugestehen, eingestehenbey sich selbst sagen (L169 Matthias Kramer), Hier wollten sie so sag' ich mir jetzt selber (A222 Friedrich Schiller, Karlos 2,9); präpositional unter uns, im Vertrauen gesagt (L003 Johann Christoph Adelung 1777), Werd' ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1699f.); die Einbeziehung des Redegegenstands
1.2 mit sächlichem Akkusativ, in festen Verbindungen thut, was ich euch sage (L169 Matthias Kramer), laß dir das gesagt seyn (ebenda) ›merke es dir‹, hab' ich es euch nicht gesagt?(ebenda) ›hatte ich nicht recht?‹, Das sollt ihr mir nicht zweimal sagen! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1964) wenn der Redegegenstand ohne Aufschub erledigt wird; wie "ausrichten": einem etwas sagen lassen (L169 Matthias Kramer); veraltet mit persönlichem Akkusativ ›nennen‹: sage mir den Mann, der das gewagt hat(A222 Friedrich Schiller, Fiesko 1,4); übertragen mit nichtpersönlichem logischem Subjekt: Laß diesen Blick, / Laß diesen Händedruck dir sagen, / Was unaussprechlich ist (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3189); präpositional einem etwas ins Gesicht [›unverblümt‹] sagen (L169 Matthias Kramer), im Sinne von ›nennen‹: du/ Hans zu jmdm. sagen; veraltet mit anschließendem Dativ einem von etwas sagen (L169 Matthias Kramer) ›erzählen‹; mit anschließendem Relativsatz: einem sagen, was einer gerne horet (ebenda);
1.3 mit abhängigem Fragesatz, imperativisch: nun sag', wie hast du's mit der Religion? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3415), mit daß-Satz: Sag nit das es meiner liederligkeit Schuld seye (L200 Josua Maaler);
2 der Bezug auf den Redegegenstand wird hergestellt
2.1 mit Akkusativ des Inhalts vrouwe, ich sage die warheit(Iwein; L059 DWb), Danck, sein meinung sagen (L200 Josua Maaler), gute Nacht sagen (L169 Matthias Kramer); in der Negation, im Sinne von ›schweigener hat kein Wort gesagt (ebenda), im Sinne von ›befugt seiner hat nichts zu sagen (ebenda), dazu substantivisch das Sagen haben; im Sinne von ›(be-)folgener läßt sich nichts sagen (L305 Christoph Ernst Steinbach); mit prädikativem Adjektiv Jemanden todt sagen (L003 Johann Christoph Adelung 1777); der Inhalt pronominal unbestimmt, in festen Fügungen, zur Bezeichnung von Nachdruck das muß ich sagen (L169 Matthias Kramer), Ratlosigkeit was soll man viel sagen? (L308 Kaspar Stieler), bestätigend wie ihr sagt (L305 Christoph Ernst Steinbach), als Zurückweisung es laßt sich leicht sagen (L169 Matthias Kramer), im Sinn einer nicht ausgedrückten Unhöflichkeit ich hätte schier was (anders) gesagt(ebenda), in der Heischeformel sagt' ichs nicht, ich müßt' am Ende für euch alle denken? (A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,2), bei Wiederaufnahme oder Zusammenfassung des Redegegenstands wie oben gesagt worden (L305 Christoph Ernst Steinbach), also wie gesagt! sehr klug! (A222 Friedrich Schiller, Macbeth 4,1), auch zur Bezeichnung von Vergeßlichkeit was ich sagen wollte (L033 Joachim Heinrich Campe), zur Bezeichnung einer Klimax die… begeisterung hat… abgenommen, was sage ich? sie ist geschwunden! (L059 DWb);
2.2 mit nichtpersönlichem Subjekt: wie das alte Sprichwort sagt (L308 Kaspar Stieler), Das weitre sagt der Zettel (A222 Friedrich Schiller, Fiesko 4,8), das herz sagt mirs (L169 Matthias Kramer), im Sinne von ›bedeutenwas will das sagen? (L169 Matthias Kramer), Zehen Thaler wollen nicht viel sagen(L003 Johann Christoph Adelung 1777);
2.3 präpositional was sagt ihr darzu? (L169 Matthias Kramer), was sagt man von ihm? [heute: über ihn?] (L169 Matthias Kramer) ›wie wird er beurteilt?‹;
zu allem ja [und amen] sagen (L003 Johann Christoph Adelung 1777) (↑ "amen");
2.4 eine veraltete Dativ-Konstruktion erhalten in von Glück sagen (↑ "Glück"): Er kann von Glucke sagen, / wenn Sieg und Streit gerath(J.Ch.Günther; L305 Christoph Ernst Steinbach);
2.5 mit Bezug auf eine Redewiedergabe: ein Haus, sagt er, hast du gekauft (L305 Christoph Ernst Steinbach), Ich sterbe! das ist bald gesagt / Und bälder noch gethan (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3722);
2.6 mit abhängigem Fragesatz (s. oben [1.3]) sagen das einem gefalt (L200 Josua Maaler), sagen wie einer heisse (ebenda);
2.7 qualitativ bestimmt: in einem ernst, mit lauter stim etwas sagen (L200 Josua Maaler), wenig reden aber viel sagen (L169 Matthias Kramer), Deutsch zu sagen (L305 Christoph Ernst Steinbach), etwas öffentlich im Rathe sagen (L305 Christoph Ernst Steinbach), Geschwind! / Nur g'rad' heraus gesagt! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2281), Viele sagen ja, und doch ist da kein Einverständnis (B.A024 Bertolt Brecht, Die Jasager und die Neinsager; 2,615); mit sächlichem Subjekt zur Wiedergabe eines Geräuschs: Er fiel hin, das sagte patsch! (L003 Johann Christoph Adelung 1777). Literarisch ↑ "sprechen". Dazu ⇑ "absagen", "ansagen", "aufsagen", "aussagen", "besagen", "entsagen", "nachsagen", "untersagen", "versagen", "vorhersagen", "vorsagen", "wahrsagen", "weissagen", "zusagen"; danksagen, durchsagen, einsagen,hersagen, hinsagen, lossagen,totsagen, weitersagen.
Sagwort (nach F.Seiler 1924, s. unten), dafür auch Wellerismus (nach S.Weller in Ch.Dickens' ›Pickwick Papers‹); das Sagwort hebt »erstarrte Gemeinplätze« (L256 2RL4,135) auf, indem einem Sprichwort (»Scherben bringen Glück«) ein episches (»sagte [deshalb Sagwort] der Glaser«) und ein situatives, das Gesagte auf absurde Weise bestätigendes Element (»der den Leuten nachts die Scheiben einwarf«) folgt. F.Seiler, Das deutsche Lehnsprichwort, Teil 4: Das deutsche Sagwort, 1924; D.Rehbein, Spaß muß sein, sagte der Kater.. Sagwörter aus europäischen Sprachen, 1990.
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