Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
rund
mhd. runt, Ende des 13. Jahrhunderts < franz. rond < lat. rotundus; anfangs1kreisförmig‹, schon bald auf Walzenförmiges, Kugeliges und alles gleichmäßig Gekrümmte übertragen. Häufig für den menschlichen Körper und seine Teile: brauchte Rabener als steuerrath sich rund und fett zu eszen… ? (Göckingk; L059 DWb); ⇓ "S134" runder Tisch (nach der Tafelrunde König Artus') ⇓ "S124" < engl. round table (L010 AWb), in der Verbindung (Gespräche, Verhandlungen am) runden Tisch(L337 WdG) zur Bezeichnung von Gleichberechtigung der Teilnehmer: Amerikanische und deutsche Theaterfachleute setzten sich… an den »runden Tisch«"S144" (Der Spiegel 1.2.1947), ⇓ "S231" während der politischen Wende Herbst 1989 bis 12.3.1990 (Selbstauflösung) speziell »außerparlamentarische Institution von Vertretern der verschiedenen politischen Richtungen.. in der DDR«, ohne Plural, daneben überhaupt Institutionen »auf den verschiedensten Ebenen, die sich jeweils für bestimmte Bereiche um konsensfähige Lösungen anstehender Probleme bemühten« (L131 H/ S/ T 226f.): die örtlichen runden Tische (ebenda 228); weil man Kreis und Kugel als vollendete Formen betrachtet auch
2abgeschlossen, vollkommen‹: Die Ilias erscheint mir so rund und fertig,… daß nichts dazu noch davon gethan werden kann (Goethe an Schiller 16.5.1798). Daher Ausdrücke wie runde Zahl, runde Summe (L003 Johann Christoph Adelung 1777): Er war ein rundes Dutzend Jahre lang des Meisters wohlgelittener Adlatus (1988 Der Spiegel, Nr. 6,200). Im Zusammenhang mit Zahlen auch ›ungefähr‹ (19. Jahrhundert; L059 DWb), wohl von der Vorstellung, daß z. B. die Zahlen 99 und 101 die 100 einkreisen; als Adverb
3im Kreis, rings‹, vor allem bei norddeutschen Schriftstellern (L320 Trübner), hierzu
Jetzt geht's rund! (Anfang des 20. Jahrhunderts; L177 Heinz Küpper). Älter und häufiger sind Zusammensetzungen mit Präpositionen wie rundum, erweitert zu rund umher; seit Luther
4offen, klar, einfach, deutlich‹: disz sag ich rund: dasz nichts dem frieden wiedersteh (Gryphius; L059 DWb). Häufig vor allem in den Verbindungen rund herausfragen/ ablehnen/ sprechen usw.: welches ich sonsten kaum so rund heraus sagen wollte (Opitz; L059 DWb).
Rund Substantiv, wohl unter Einfluß von franz. rond;
1Kreis, Rundung‹ (1645; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), des Augensternes Rund(G.A.Bürger);
2Erdkreis, Weltall‹ (1631; ebenda), kaum war das übrige Rund deiner Betrachtung noch wert (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Römische Elegien XV,42);
Rundfunk"S149""S131" 4.7.1924 als ⇓ "S125" Lehnübertragung von "Radio" amtlich eingeführt, nach L202 Lutz Mackensen, Dt.Sprache, Wortschöpfung des zuständigen Staatssekretärs H.Bredow (1923);
Rundreise 15.5.1812 von K.F.Reinhard in einem Brief an Goethe als ⇓ "S125" Lehnübertragung gebildet: Rundreise, so will ich das franz. tournée campisieren;
Rundstück"S083" hamburgisch ›Brötchen‹ (↑ "Brötchen") für gleichbedeutend süddt. ↑ "Wecken", ostmitteldt./ bair. ↑ "Semmel", berlin. ↑ "Schrippe" (vgl. L171 Paul Kretschmer 156, L066 Jürgen Eichhoff, Karte 59), wohl Lehnübersetzung von dän. rundstykke;
Runde zu rundRundheit‹, auch in der Form Ründe: die ganze Bildung behält eine Ründe (Schiller) (veraltet); für einen Kreis von Personen: der Becher geht in der Runde herum, man trinkt in der Runde, von daher übertragen ›freies Getränk für alle Anwesenden‹ (L201 Lutz Mackensen): ich zahlte ihnen Runde um Runde, und die Stimmung war ganz groß (M.Frisch; L337 WdG), heute auch im Sport (Boxen) ›Abschnitt eines Kampfes‹ (L201 Lutz Mackensen), älter beim Pferderennen (L218 Muret/ Sanders) und im Kartenspiel (L059 DWb1893). Bei A075 Johann Wolfgang von Goethe für einen Kreis von Tanzenden: Das reckt nun… Die Knöchel zur Runde, zum Kranze (Der Totentanz 9);
in der (die) Rundeim Umkreis‹. Von franz. rondeübernimmt Runde (1664; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) die Lehnbedeutung ›Rundgang der Schildwache‹, dann auch ›Schildwache, die den Rundgang macht‹: Dort seh' ich wieder eine Runde antreten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Egmont 4,1), dann auch übertragen: Eduard, indem er Ottilien ergriff und mit ihr die Runde machte (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 20,157,4), der Becher macht die Runde; runda(1642; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) im 17. und 18. Jahrhundert häufiger Refrain in studentischen und geselligen Liedern, danach
Runda Neutr. , ›ein Lied mit solchem Refrain‹ und besondere »Zechart« (L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel): Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2082);
runden (1496; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), auch ründen (bei A075 Johann Wolfgang von Goethe üblich): den Schall… / Der zum Ton sich rundet(Divan I, Dreistigkeit 1,6,23) es soll sich sein Gedicht zum Ganzen ründen (Tasso 275);
Rundung (15. Jahrhundert rundunge), älter »Drehung im Kreise« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), jetzt ›rundliche Form‹.
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