Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Rhetorik
Fem. , mhd. rhetorica, retorica, noch bis ins 19. Jahrhundert auch in der lateinischen Form, im 15. Jahrhundert (L175 Friedrich Kluge/ L175 Elmar Seebold) aus lat. rhetorica (ars) (von ⇓ "S082" lat. rhetoricus ›zum Redner, zur Redekunst gehörig‹ < griech. rhetorike (téchne), zu rhetorikós und rhetor ›Redner‹), eingedeutscht zunächst als Rhetorice, Rhetoric(k), Rethoric, im 18. Jahrhundert unter französischem Einfluß gelegentlich auch Rhetorique;1"S127"Redekunst, Lehre von der effektvollen sprachlichen Gestaltung der öffentlichen Rede‹, in der Scholastik innerhalb der Septem Artes Liberales (Sieben Freien Künste) zum Trivium (↑ "trivial"[1]) gehörig: die ganzen rhetoricam, daz ist die kunst von hoflichait der red (1237 Repkowe; L081 FWb); hättist du diner tütschen rhetorik nit mer vertruwt dann ich myner, du hättist di feder nit in d'hand gnommen (1525 Zwingli; L081 FWb); Verbunden mit der Lehre von der Anwendung heißt die Sprachlehre Rhetorik. In der Rhetorik ist nicht nur von der Richtigkeit, sondern auch von der Schönheit und Künstlichkeit des Ausdrucks die Rede (1805/ 06 Schlegel; L081 FWb), heute auch metonymisch ›Lehrbuch der Redekunst‹; ebenfalls
2Fähigkeit, stilistisch gut und überzeugend zu reden, Redekunst, Beredsamkeit, Redegabe‹: Ein junger Mann von glänzender Rhetorik, auch übertragen Rhetorik der Musiksprache (J.Seifert, in: Festschrift für W.Brandt 2001,51); zudem
3sprachlich geschickte, aber ritualisierte und daher weitgehend inhaltsleere Form der öffentlichen Rede‹: das Ganze ist halb so schlimm. Es ist alles nur Rhetorik und Kampagne (D.A236 Dietrich Schwanitz, Campus 291), in diesem Sinne seit Anfang des 19. Jahrhunderts häufig bloße Rhetorik.
Rhetor Mask. , im 15. Jahrhundert entlehnt aus griech. rhetor, lat. rhetor ›Redner‹, zunächst noch lateinisch flektiert: Rhetores und künstredner (1525 Eberlin v.Günzburg; L081 FWb); der Rhetorum oder wolredner (Fischart; L081 FWb); dann auch grammatisch angepaßt: In den Schulen der Rhetoren(Wieland; L151 Josef Kehrein); Der wissenschaftliche Mann beschrankte sich auf die nachste klarste Gegenwart. Wollte derselbe jedoch gelegentlich als Rhetor auftreten, so sey ihm jenes auch nicht verwehrt (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 22,247 LH);
Rhetoriker Mask. , ›Kenner der Redekunst; begabter, geschickter Redner‹: ich bin zu wenig Rhetoriker, und ich lege zu wenig Gewicht auf rhetorische Effecte(Bismarck; L081 FWb);
rhetorisch (1523 Zwingli; L081 FWb);
1die Rhetorik(1) betreffend‹: wodurch der eigentlich mimisch tanzartige Theil mit dem poetisch=rhetorischen verschmolzen… wird (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 45,71 LH); dazu rhetorische FigurStilmittel der Redekunst‹ (z. B. Anapher, Chiasmus oder Zeugma) und rhetorische FrageFrage, die als Aussage gemeint ist und die daher nicht beantwortet werden soll‹: Es war aber eine sogenannte ›rhetorische Frage‹, wie sie ja beim Militär so häufig sind. Wehe, wer sich vermass, darauf eine Antwort zu geben (1898 Behr; L081 FWb);
2rednerisch, im öffentlichen Reden‹: Nein! rief eine kräftige und rhetorische, ja dramatisch gebildete Stimme(Gutzkow; L081 FWb); eine rhetorische Begabung; seit dem 18. Jahrhundert auch in der Bedeutung
3schönrednerisch, phrasenhaft, bloß der Form halber geäußert‹: Hofrat Behrens, der… in den Saal gerudert kam, um mit seiner rhetorischen Morgenfrage »Fein geschlafen?« flüchtig darin herumzuschleichen (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 607);
rhetorisieren (Mitte des 16. Jahrhunderts) »sich als Rhetor gebärden, in rhetorischen Wendungen reden« (L320 Trübner): Ferner lehre ich sie auch wohl Rhetorisieren, baides jre reden und schreiben nach der kunst und tabulatur artlich stellen (Fischart; L081 FWb); Alsdann mag er rhetorisiren (Herder; L151 Josef Kehrein).
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