Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
rein
ahd. (h)reini, mhd. reine, noch jetzt in mitteldeutschen Mundarten und zuweilen literarisch reine, gemeingermanisch (got. hrains, altnord. hreinn, aber engl. clean). Ursprünglich ›gesiebt, gesäubert‹, sind zwei Bedeutungen zu unterscheiden.1frei von ungehörig anhängenden Stoffen‹, daher Gegensatz zu "schmutzig", befleckt, ursprünglich oberdeutsch so nicht üblich, statt dessen "sauber", erst in unserem Jahrhundert hat sich letzteres nach Norden verbreitet und rein wird als Steigerung von sauber empfunden: so strahlend rein… , so unantastbar sauber (1927 A124 Hermann Hesse, Steppenwolf 26). In Anlehnung an ins reine schreiben zum Ausdruck eines Abschlusses: komm erst wieder, wenn du mit dir im reinen bist (Ch.A117 Christoph Hein, Tangospieler 192), ins reine kommen, auch etwas ins reine bringen. Besonders in der Bibelsprache ist reinfrei von Hautkrankheit‹ oder ›vom Priester dafür erklärt‹, ferner von Tieren soviel wie ›zum Opfer geeignet‹. Im weiteren Sinn ist reinjungfräulich‹ oder überhaupt ›frei von Sünde‹;
2nicht gemischt mit fremdartigen Bestandteilen‹: Korn, Butter, Gold, Wolle, Wein, Rasse, Luft, Farbe, Ton, Aussprache, Wahrheit, Lehre, Freude nehmen reinals Attribut zu sich, die reine Vernunft (I.Kant), reine Mathematik als Gegensatz zur angewandten, praxisbezogenen (1764; L276 Alfred Schirmer, Mathematik). Adverb rein gestimmt usw., rein persönlich usw.; entsprechend aus reiner Gutmütigkeitnur aus Gutmütigkeit‹. Hierher zu stellen ist auch die Verwendung ›geradezu‹: er ist rein verrückt, es ist rein unmöglich (Schiller), es ist rein zum Verzweifeln; volkstümlich reinweg, reineweg um 1900 aus dem Niederdeutschen (L320 Trübner). rein kann absolut gesetzt werden oder mit Beziehung auf einen bestimmten Gegenstand, der früher im Genitiv angegeben wurde, literarisch noch im 18. Jahrhundert: rein des gerechten unschuldigen Blutes(Klopstock); dafür jetzt von. Die Weiterbildung
reinlich mhd. reinlich, bedeutet auf Personen bezogen ›um Reinheit bemüht‹, auf Sachen ›rein infolge absichtlicher Bemühung‹. Im Anschluß an reinliche Zeichnung u.dgl. spricht man auch von reinlicher Scheidung.
Reinheit (Reineheit 1620; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) hat älteres Reinigkeit verdrängt, das noch im 18. Jahrhundert nicht selten ist: der sich einer vollkommenen Reinigkeit der Sitten befliß (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 27,84,1). An Stelle des älteren reinen ist
reinigen (mhd. reinegen) getreten.
Reingewinn"S106" (1876; L277 Alfred Schirmer, Kaufmannssprache), rein ist hier ⇓ "S125" Lehnübertragung von "netto".
Reinkultur (um 1880; L320 Trübner), ursprünglich auf Züchtung »von Bazillen« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) bezogen, jetzt übertragen auf alles, was besonders deutlich ausgeprägt ist: das ist Kitsch in Reinkultur (L137 HWb).
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