Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Raum
ahd. / mhd. rum, gemeingermanisch (altnord./ got./ altengl. rum, engl. room), urverwandt lat. rus ›Land‹, ursprünglich ›das Leere, Unausgefüllte‹; daher auch die Bedeutung des abgeleiteten Verbs räumen (s. unten). Erst sekundär etwas Ausgedehntes von bestimmter Begrenzung ohne Rücksicht darauf, ob es mit Inhalt ausgefüllt ist oder nicht: In seinem Zimmer war nicht viel Raum(A143 Uwe Johnson, Jakob 139); besonders von Räumen in einem Gebäude: Dallow ging durch alle Räume, verschloß sorgfältig die Wohnungstür (Ch.A117 Christoph Hein, Tangospieler 193). Am jüngsten ist die Verwendung für den allgemeinen ⇓ "S130""S168""S169" mathematisch-philosophischen Begriff. Aus der ursprünglichen Bedeutung abgeleitet ist ›Gelegenheit, Möglichkeit zu etwas‹: da er sahe, daß er nicht Raum hatte, sein Volk zu trösten (Luther), Ottilie fand Raum, sich in der Einsamkeit auszuweinen (Goethe), hier ist kein Raum zum Entrinnen mehr(Schiller), besonders ist Raum geben (dem Zorn usw.) üblich; ↑ "Spielraum". Raum kann auch auf die Zeit übertragen werden: im Raume von wenigen Jahrtausenden (Schiller), gewöhnlich in Zeitraum, Zwischenraum. Der Himmel, auch in religiöser Bedeutung, wird schon mittelhochdeutsch mit roumbezeichnet, daraus entwickelt sich allmählich die heutige Bedeutung ›Weltall‹: ein Stern hinausgeworfen in den öden Raum (1883 A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 81). Dazu verdeutlichend ↑ "Weltraum"; zu "Lebensraum" und den NS-Sprachgebrauch ↑ "leben".Raumfähre … Flüge in und durch das Weltall… die Raumfährespace shuttle«; Spiegel 10.1.1972,98; L010 AWb); gebucht L024 Brockhaus-Wahrig 1983;
Raumfahrt (L056 Duden 151961) ›Gesamtheit der praktischen und theoretischen Erkundung des Weltraums‹, auch ›Flug in den Weltraum‹; Klammerform < Raumschiffahrt (vgl. H.Oberth, Wege zur Raumschiffahrt, 1929);
RaumforschungErforschung des Weltraumsein… Jüngling aus dem Zeitalter der… Raumforschung (1947 A019 Wolfgang Borchert, Hundeblume 38);
räumen ahd. rum(m)an, ›leer machen‹: damit die Lager der letzten Saison auch guten Gewissens geräumt werden können (A207 Hermann P. Piwitt, Umseglung 75). Uralt ist die Verwendung für ein Leermachen durch Entfernung der eigenen Person, daher ›verlassen‹: das Land räumen usw. Zuweilen wird durch einen abhängigen Akkusativ das Weggeschaffte bezeichnet, vorausgesetzt, daß eine Richtungsbezeichnung daneben steht: das eiserne Gewicht des widrigen Vorurteils von der Stelle zu räumen(Schiller); allgemein üblich aus dem Weg räumen, wegräumen; dagegen wird ausräumen wie einfaches räumen konstruiert. In den Zusammensetzungen tritt die Vorstellung des Kramens mit Sachen, des Umstellens oder Umlegens derselben in den Vordergrund, so schon in "aufräumen", noch mehr in umräumen und vollends in einräumen, auch in der Bedeutung ›zugestehen‹ (↑ "einräumen");
räumig (L284 Justus Georg Schottelius 1663), namentlich literarisch ›Raum bietend‹ (Voß, Wieland), heute "geräumig", ↑ "geraum";
räumlich (L169 Matthias Kramer 1678), früher auch im Sinne von ›Raum bietend‹, jetzt ›auf den Raum bezüglich‹ (1719; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt). Dazu
Räumlichkeit, ursprünglich ›Geräumigkeit‹ (L308 Kaspar Stieler 1691, so noch A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 31.5.30), dann ›umbauter Raum‹.
Raumpflegerin"S149" (1955; L177 Heinz Küpper 1963) Versuch einer sprachlichen Aufwertung der Putzfrau, dafür auch »offiziell« Raumreinigerin (L214 Fritz Molle 1975) (⇑ "Lehrling"/ "Auszubildender", 2"Bauer"/ "Landwirt" usw. E.Oksaar, Berufsbezeichnungen im heutigen Deutsch, 1976).
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Raum