Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Poesie
(1563; L059 DWb) < gleichbedeutend franz. poésie (über lat. poesis < griech. poíesis); ursprünglich allgemein1"S127"Dichtkunst‹, im Lauf des 19. Jahrhunderts von ↑ "Dichtung" verdrängt, zur Gegenwart hin dann ⇓ "S148" wiederbelebt: der Poesie liebhabern (1624 A203 Martin Opitz, Poeterey 33); seit der philosophischen Ästhetik Gegenstand der Kunstbetrachtung: Die Poesie… hat ihre erste Quelle in den Gemüthsneigungen des Menschen (1751 A080 Johann Christoph Gottsched, Critische Dichtkunst 67), als Ideal vorgestellt: Begriff der Poesie… der Menschheit ihren möglichst vollständigen Ausdruck zu geben (A222 Friedrich Schiller, Ueber naive und sentimentalische Dichtung; 20,437), mit abstrahiertem Inhalt: im Besonderen das Allgemeine… ist eigentlich die Natur der Poesie, sie spricht ein Besonderes aus (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen 751), in der Romantik die Öffnung zur Philosophie: Die Philosophie poetisiert und die Poesie philosophiert (F.A223 Friedrich Schlegel, Kritische Schriften 123), am Ende aber doch unbestimmbar: Wer es nicht unmittelbar weiß und fühlt, was Poesie ist, dem läßt sich kein Begriff davon beybringen. Poesie ist Poesie (A202 Novalis, Fragmente 668); seit Anfang des 17. Jahrhunderts auf das literarische Werk bezogen
2Dichtung in gebundener Rede‹, Gegensatz ↑ "Prosa", seit Mitte des 19. Jahrhunderts ersetzt durch "Lyrik", zur Gegenwart hin wiederbelebt, konkrete Poesie (↑ "konkret"); seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts auch übertragen zur Bezeichnung eines wohltuend anmutenden, idealen Eindrucks: der tod ist prosa,… , der himmel poesie (Hippel; L059 DWb);
Poet mhd. poete < lat. poeta, griech. poietes; ⇓ "S127" im Sinne von ›Lyriker‹: »ein reimdichter« (L200 Josua Maaler); allgemein ›Dichter‹: ein Poete kan nicht schreiben wenn er will sondern wenn er kan (1624 A203 Martin Opitz, Poeterey 11), Der Mensch gewinnt, was der Poet verliert (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Tasso 5,2), seit dem 18. Jahrhundert durch "Dichter" (vgl. L003 Johann Christoph Adelung 1777), dann auch durch "Autor" ersetzt; auch abwertend: wenn sie einen gar verachtlich halten wollen / so nennen sie ihn einen Poeten (1624 A203 Martin Opitz, Poeterey 9); dazu
poetisch (1480; L059 DWb) < lat. poeticus, griech. poietikós; ›dichterisch, literarisch‹, die dignitet der Poetischen rede… bestehet… in den tropis vnnd schematibus (1624 A203 Martin Opitz, Poeterey 29), mit Betonung des subjektiven Eindrucks: Es können Augenblicke kommen, wo Abcbücher und Compendia uns poetisch erscheinen (A202 Novalis, Fragmente 656), poetische Licenz, poetische Freiheit (L266 Daniel Sanders FWb); wie "lyrisch": Poetisch nennt man jede Sache, deren Art, oder Charakter sich zum Gedicht schikt. Eine poetische Phantasie, ein poetischer Einfall, ein poetischer Ausdruck (L313 Johann Georg Sulzer, Theorie Bd. 3); nach dem Merkmal des Empfindsamen übertragen ›stimmungsvoll‹: bis ich in eine poetischre lage komme(Hölty; L059 DWb);
Poetik (Mitte des 17. Jahrhunderts; W.L244 Wolfgang Pfeifer) < lat. poetica, griech. poietike (téchne); ⇓ "S127"Theorie der Dichtkunst‹, auf das Werk bezogen »Anweisung zur Dichtkunst« (L004 Johann Christoph Adelung 1777).
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