Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Philister
"S026""S055" In der ⇓ "S036" Bibel sind die Philister die Feinde des Volkes Israel, vgl. Davids Kampf gegen den Riesen Goliath (1.Samuel 17). Ende des 17. Jahrhunderts übertrugen wohl zuerst Jenaer Studenten Philister als ⇓ "S191" Schimpfwort auf die Stadtsoldaten als ihre schon traditionellen Widersacher, bald auch auf mißliebige Stadtbürger, so daß1Stadtsoldat, Scharwächter‹ (später studentensprachlich Schnurren Plural, ↑ "Schnurre"[2]) und
2Bürger‹ die ⇓ "S211" studentensprachlichen Ausgangsbedeutungen sind (1687 bzw. 1697; L165 Friedrich Kluge, Wortforschung und Wortgeschichte, 20ff.). (1) hält sich örtlich im 18. Jahrhundert (nach L003 Johann Christoph Adelung 1777 in Wien); das Bild Goliaths z. B. noch in Claudius' »Rheinweinlied« (1775) Der Blocksberg ist der lange Herr Philister. Die weitere Entwicklung geht aber von (2) aus, schon in Stoppes Gedichten (1728/ 29) findet sich Philister in Bezeichnungen diverser Berufsvertreter, mit denen Studenten öfter Kontakte und Querelen hatten: BierphilisterGastwirt‹, PferdephilisterPferdeverleiher‹, GeldphilisterPfandleiher‹, TaktphilisterMusikant‹ (L163 Friedrich Kluge, Studentensprache; L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel 5,114). Goethe gebraucht Philister seit 1771 in Briefen; entscheidend für die literarische Entfaltung ist die Stelle im ›Werther‹ (1774; 19,18,12), wo mit Philister
3 der Typ eines zwar korrekten, tüchtigen, aber gefühlsarmen, genielosen Menschen angesprochen ist. Deutlicher zieht J.M.R.Lenz 1775 (das verdammte Philistergeschmeiß mit ihrem Lob und Tadel) Philister in den Bereich von Kunst und Literatur, wie dann Goethe in den Xenien (Philister in mehreren Überschriften) und danach die Romantiker (Brentano, Eichendorff, Heine u. a.).
4 Philister bedeutet dann auch allgemein ›kleinbürgerlicher, engstirniger Mensch‹ ähnlich "Pfahlbürger", "Spießbürger".
5 Wohl unter Einfluß der studentensprachlichen ⇓ "S088" Mischbildung Philisteriumbürgerliches Leben nach dem Studium‹ (1813; L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel 3,83) wird Philister mit dem Beginn der Altherrenschaften um 1850 auch neutral gewendet ›Verbindungsbruder nach dem akademischen Examen‹ (auch alter Herr ↑ "alt"[5]). Zu Philister zahlreiche meist ursprünglich studentensprachliche Bildungen, z. B.
philiströs (1808; L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel 3,15; vgl. auch 1,216f., 297) das Goethesche Werk ein philiströser philosophischer Schrebergarten(Th.A011 Thomas Bernhard, Auslöschung 576).
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