Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
pflegen
ahd. pflegan, mhd. pflegen, westgermanisch, ursprünglich starkes Verb ungeklärter Herkunft (L239 PBB67,136); schwache Formen herrschen bereits bei Luther, doch altertümelnd und poetisch Präteritum pflog (auch pflag z. B. noch Geibel) und Partizip gepflogen (↑ "Gepflogenheit") bis ins 20. Jahrhundert (Th.Mann; L337 WdG) bei Bedeutung(1). Es hatte früher einen sehr allgemeinen Sinn:1sich einsetzen für, Anteil an etwas haben, sich mit etwas abgeben‹. Reste dieses Gebrauchs reichen bis in die neuere Zeit in altertümelnder und poetischer Sprache, und hiermit verbinden sich dann oft starke Formen im Präteritum und Partizip. ⇓ "S076" Ursprünglich wird es mit dem Genitiv verbunden: die des Altars pflegen (den Altar zu besorgen haben) (Luther); Eleasar und Ithamar pflegten des Priesteramts (Luther); der Liebe zu pflegen (Wieland); jetzt pflegt sie einen Augenblick der Ruh (Schiller); mit ihnen beiden pfleg' ich Rats (›berate ich mich‹) (Schiller) Statt dessen frühzeitig auch der Akkusativ: daß er alle Tage Gottesdienst pflege (Luther); nach gepflogner Lust (G.A.Bürger); auch pflegte er mit niemandem die geringste Rücksprache (Lessing); er pflog Rat mit ihnen (Schiller); so pflogen wir miteinander Gemeinschaft (Voß). Aus der allgemeinen Bedeutung haben sich spätestens mittelhochdeutsch zwei Spezialisierungen entwickelt, die bis heute allgemein üblich geblieben sind:
2sich der Fürsorge für das Wohl, das Gedeihen einer Person oder Sache unterziehen‹, jetzt mit Akkusativ, früher auch mit Genitiv: gleichwie eine Amme ihrer Kinder pflegt(Luther); und mit der edelsten Menschlichkeit seiner pflegte(Schiller); der deiner Pferde pflegt (H. v.Kleist); du pflegtest deiner Wunden (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Penthesilea, 9. Auftritt); Pflege(s. unten). Starke Formen werden in diesem Sinn selten gebraucht; des Reimes wegen wagt Rückert ich hab' ihn gezogen und gepflogen. Häufig im Partizip Prät. gepflegt: gepflegte Hände, übertragen adjektivisch ›kultiviertgepflegte Unterhaltung, Sprache. ↑ "verpflegen".
3die Gewohnheit haben‹ mit zu und dem Infinitiv, mittelhochdeutsch mit bloßem Infinitiv. Ursprünglich hatte pflegen mit dem Infinitiv auch den Sinn ›sich mit etwas abgeben, etwas ausführen‹, z. B. im Nibelungenlied diu sol in grüezen pflegendie soll ihn grüßen‹ von einer einmaligen Handlung; erst allmählich ist Beschränkung auf sich wiederholende, gewohnheitsmäßige Handlungen eingetreten, und dann auch Übertragung auf unabsichtliche Vorgänge: wie es zu geschehen pflegt. In diesem Sinn erscheint öfter bei Dichtern das Präteritum pflag oder pflog: dann pflag der alte Satanas den süßen Herrn zu spielen (Hölty); wo er zu weiden pflog (Wieland); wo du zu kommen pflogest (Rückert). Der Infinitiv kann aus dem Zusammenhang zu ergänzen sein, vgl. und gütig, wie er nie gepflegt, nimmt er des Dieners Hand (Schiller). Statt dessen zuweilen Ersatz des Infinitivs durch ein Pronomen: nur widerstehe nicht, wie du es pflegst (Goethe); so laßt uns tagen nach den alten Bräuchen des Lands, wie wir's in ruhigen Zeiten pflegen(Schiller); hiermit zunächst zu vergleichen ist was ich als Ritter gepflegt und getan(Schiller). Dazu
Pflege spätahd. pflega, jetzt nur noch gebraucht mit Anschluß an pflegen(2); daraus fortgeführt zur Bezeichnung für Dienstleistungen im Gesundheitswesen (Altenpflege, Krankenpflege), im Sinne von ›Betreuung hilfsbedürftiger Menschen‹, auch in Opposition zu Rehabilitation; mit reicher Entfaltung im administrativen Bereich ⇓ "S048" (Pflegeversicherung(sgesetz), Pflegestufe, Pflegeaufwand, Pflegekasse, Pflegeperson, Pflegebedürftige, Pflegeheim, Pflegedienst, Pflegesatz); vgl. L299 Sprachdienst 39,1995,140ff.; früher in allgemeinerem Sinn, auch für das Amt und den Bezirk eines Pflegers (s. unten), vgl. noch eine ganze Pflege seufzender Untertanen (Rabener);
Pfleger spätahd. flegare, mhd. pflegære, ⇓ "S154" frühneuhochdeutsch und landschaftlich noch in Verwendungen, die aus der allgemeinen Bedeutung(1) von pflegen entsprungen sind: ›Vormund, Verwalter eines Amts, Vorsteher eines Bezirks‹ ("Landpfleger"), österreichisch ›Gutsverwalter‹; heute gewöhnlich speziell als
Krankenpfleger (L218 Muret/ Sanders 1905), ⇓ "S140" hier auch Krankenpflegerin, zu pflegen(2).
pfleglich (mhd. )
1 anfangs ›nach Gewohnheit, hergebracht‹,
2 seit dem Frühneuhochdeutschen ›sorgsamMöbel pfleglich behandeln.
Pflegschaft (L200 Josua Maaler 1561), seit 18. Jahrhundert gewöhnlich ›Vormundschaft‹. ↑ "Pflicht".
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