Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
pathetisch
"S075" (1619; L081 FWb) < gleichbedeutend spätlat. patheticus, griech. pathetikós; ›gefühlvoll, ausdrucksvoll, erhaben‹: einen tapfferen pathetischen Gang an sich nehmen (1619; L081 FWb), mit gar pathetischen Worten (1643; L081 FWb); als Begriff der Ästhetik mit dem Merkmal des Erhabenen seit 18. Jahrhundert: weil nie das Leiden an sich, nur der Widerstand gegen das Leiden pathetisch… ist (A222 Friedrich Schiller, Ueber das Pathetische; 20,201); seit spätem 18. Jahrhundert auch abwertend ›schwülstig‹: In ihrer Declamation und Gebärden hat sie das weinerlich Angespannte, was man sonst für pathetisch hielt(A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,34.1,232); in der Kunstbetrachtung seit Mitte des 18. Jahrhunderts substantivisch: das wahre Pathetische des Schmerzes (A177 Gotthold Ephraim Lessing, 9,7), Das Pathetische ist nur ästhetisch, in so fern es erhaben ist (A222 Friedrich Schiller, Ueber das Pathetische; 20,200), von A200 Friedrich Nietzsche dem Alltagserleben gegenübergestellt: so wie wir jetzt alles Pathetische im Leben nicht vertragen, aber in der Kunst gern sehen (Menschliches; 2,214);Pathos Neutr. , auch Mask. (1693; L081 FWb) < ⇓ "S081" griech. páthosLeid, Gemütsbewegung‹, verwandt mit ↑ "Pathologie", bis ins 18. Jahrhundert auch in der Form Bathos; ›leidenschaftliche Gefühlserregung, feierliche Erhabenheit‹, auch auf den Ausdruck derselben bezogen, zunächst positiv bewerteter Begriff der Kunsttheorie: Das Sinnenwesen muß tief und heftig leiden; Pathos muß da seyn, damit das Vernunftwesen seine Unabhängigkeit kund thun und sich handelnd darstellen könne (A222 Friedrich Schiller, Ueber das Pathetische; 20,196), daher das Postulat: Pathos ist… die erste und unnachlaßliche Forderung an den tragischen Künstler (ebenda); im modernen Theater reflektiert: das billigste Verfremdungsmittel ist das Pathos (B.A024 Bertolt Brecht, Schriften zum Theater; 15,366), Wir könnten den Tod zum Pathos der Zeit erklären,… Der Tod wäre das Pathos dieser wirklichen Zeit, die Sie hierorts versitzen (A104 Peter Handke, Publikumsbeschimpfung 39); als Wort des Alltags problematisch: Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,277), so heute besonders in der Wendung falsches Pathos.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: pathetisch