Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Organ
(1585; L081 FWb)1Werkzeug‹ < gleichbedeutend ⇓ "S082" griech.-lat. órganon, organum zunächst in diesen Schreibweisen. Die heutige Form Mitte des 18. Jahrhunderts (I.Kant; L081 FWb) beeinflußt von franz. organe
2Körperteil‹, besonders von den Sinnes- und Sprechwerkzeugen: das Ohr, als das Hör-Organum (1662; L081 FWb). Allzustarkes Schreyen [beim Singen] verderbt das Organon des Scholaren(1777; ebenda), auch in ⇓ "S241" verdeutlichenden Zusammensetzungen, z. B. Stimmorgan (L081 FWb). Davon ausgehend übertragen auf die Sprache selbst im Sinne von ›Werkzeug‹: es wird sonach die sprache eine äuszerung, ein ausdruck und organ des verstandes (Herder; L059 DWb), im Sinne von ›VerstandesorganMama und jener Vater Matzerath hatten nicht das Organ, meine Einwände und Entschlüsse zu verstehen (A083 Günter Grass, Blechtrommel 48),
3"S131"Zeitung oder Zeitschrift als Stimme einer Gruppe, Partei‹ (1846; L081 FWb): die oppositionelle Presse mit Ausnahme ganz weniger Organe (A266 Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke 2,298),
4Institution oder Person in Institutionen als funktionierender Teil eines größeren Ganzendie Organe des Staates (L337 WdG);
organisch (L361 Johann Heinrich Zedler 1740) vor allem ⇓ "S132" medizinisch-naturwissenschaftlich zu Organ(2); übertragen auf Politik und Kunst
1wohlausgewogen‹, ›natürlichen Gesetzmäßigkeiten folgend‹, nach franz. organique (1819; L081 FWb).
2"S208" auf Sprachen bezogen (W. v.Humboldt 1795; [zitiert in: H.Arens, Sprachwissenschaft 1969, 171: Brief an Schiller]), von F.Schlegel speziell auf flektierende Sprachen ›regelmäßig, systematisch‹ (F.Schlegel 1808; K.Kucharczik, in: L390 Sprachwiss. 1998, 89), bei J.Grimm wieder mit Bezug auf alle Sprachen: organisch heisst in meiner grammatik was der natürlichen regel der sprache und ihrer innern consequenz gemäß ist(J.Grimm 1833; K.Kucharczik, in: ebenda 95); schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts hinter "systematisch" zurücktretend; das Buch verknüpft ein historisches mit einem systematischen verfahren (Dilthey 1883; L059 DWb);
3 Lieblingswort des ⇓ "S145" Nationalsozialismus (L015 Cornelia Berning), vielleicht unter Einfluß von O.Spenglers ›Untergang des Abendlandes‹ (1918–22), wo eine Beschreibung historischer Formen als organische versucht wurde: daß kein Fragment der Geschichte wirklich durchleuchtet werden könne, bevor nicht das Geheimnis der Weltgeschichte. einer organischen Einheit von regelmäßiger Struktur klargestellt war (1918–22 O.A240 Oswald Spengler, Abendland 66).
Organisation (1681; L081 FWb)
1 aktivisch: ›Tätigkeit, durch die ein Organismus, eine gesellschaftliche Einrichtung gebildet wird‹: »Organisation ist nichts anderes, als die Erzeugung der organischen Cörper« (L361 Johann Heinrich Zedler 1740),
2 passivisch: ›das Ergebnis einer organisierenden Tätigkeit‹, zunächst mit Bezug auf medizinische, naturwissenschaftliche und philosophische Bedeutungen (seit Ende des 17. Jahrhunderts; L081 FWb), seit 1789 (Französische Revolution) auch nach franz. organisation im gesellschaftlich-politischen Bereich: die Einrichtung der [französischen] Nation, ihre völlige Organisation und Wiedergeburt (Herder; L081 FWb);
organisieren (1767; L081 FWb)
1Tätigkeit, die zum Entstehen einer Organisation führt‹;
2 umgangssprachlich ›etwas auf nicht ganz legale Weise besorgen‹, etwa 1933 (L217 MuSpra 49,219), auch »im Krieg« (L021 Karl-Heinz Brackmann/ L021 Renate Birkenhauer) ›durch Beziehungen beschaffen‹, auch für ›klauen‹ (von Soldaten), dann wieder »ziviler«: die Clique ist erfahren im Organisieren… »Man merkt halt, daß wir aus der DDR kommen« (1989 Die Zeit, Nr. 34,2).
Organismus (L361 Johann Heinrich Zedler 1740) ›lebendes, aus Organen(2) bestehendes Ganzes‹ < franz. organisme. Auch übertragen auf politisch-gesellschaftliche Bereiche, seit Anfang des 19. Jahrhunderts (Sprachorganismus F.Bopp 1816; [zitiert in: H.Arens, Sprachwissenschaft 1969, 177]), zu organisch(2), auf Sprachen bezogen.
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