Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
offen
ahd. offannicht verschlossen‹, ›unbedeckt‹, gemeingermanisch (engl. open), verwandt mit ↑ "auf". Mitunter ›von keiner Seite eingeschlossen‹: offenes Feld, offenes Meer. Früher auch ›jedermann einsichtig‹ und ›öffentlich‹. Übertragen ›nicht besetzt‹: offene Stelle; im Sinne von ›nicht entschieden, noch zu beeinflussen‹ auf politische Systeme bezogen, v. a. seit K.Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (dt. 1957/ 58); ›zugänglich für Eindrücke von außen‹: offenes Ohr, offene Augen; auch im Sinne von ›aufrichtig, umgänglich‹, daran gewöhnlich angeschlossenOffenheit (1773 Wieland) daß ich genug Taktgefühl habe, um die Grenze von der Offenheit zur Schamlosigkeit nicht zu übertreten (A235 Brigitte Schwaiger, Salz 69f.);
offenbar frühneuhochdeutsch ›offen‹, bis ins 18. Jahrhundert, jedoch schon bei L305 Christoph Ernst Steinbach nur noch wie ebenfalls schon im Frühneuhochdeutschen ›unverborgen‹, 20. Jahrhundert auch ›anscheinend‹ (L337 WdG). Dazu
offenbaren, mhd. offenbarenbekannt machen‹. Übertragen: Mängel offenbaren.
Offenbarung mhd. offenbarunge, heute nur noch ›übernatürliche Mitteilung Gottes an die Menschen‹ und übertragen: das Essen war eine Offenbarung (›ausgezeichnet‹). Die alte Bedeutung in
Offenbarungseid (1800; L059 DWb) ⇓ "S181"Eid, mit dem der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit bekundet‹;
offenherzig (L284 Justus Georg Schottelius 1641), ↑ "Herz", dazu
Offenherzigkeit (1648 Moscherosch; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
öffentlich seit dem 16. Jahrhundert mit Umlaut (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), ahd. offanlich, mhd. offenlich (über das sekundäre t[15. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt] vgl. ↑ "eigentlich"), früher gleichbedeutend mit offenbar (s. oben). Jetzt vor allem ›der Gemeinde, dem Staat angehörig und darauf bezüglich‹, ⇓ "S024" Lehnbedeutung nach lat. publicus: öffentliche Gebäude;
⊚⊚ "S134" die öffentliche Handdie Staats-, Gemeindekasse‹; die öffentliche Meinung (Ende des 18. Jahrhunderts Wieland; nach franz. opinion publique; L181 Otto Ladendorf).
Öffentlichkeit (Sonnenfels 1765; L257 3RL), gebucht L003 Johann Christoph Adelung 1777, ⇓ "S207" von L108 Johann Friedrich Heynatz Antibarbarus 2. 1797, 309f. beanstandet. Zum ⇓ "S192" Schlagwort wurde es Anfang des 19. Jahrhunderts im Kampf um die Geschworenengerichte (L181 Otto Ladendorf).
öffnen (so im 14. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), nach ahd. offanon. Übertragen jmdm. sein Herz, seine Seele öffnen, auch reflexiv; bei Luther und danach bei Lessing das Verständnis öffnen; frühneuhochdeutsch ›offenbar machen, veröffentlichen‹. In der ⇓ "S043" EDV ›ein Programm starten‹ (↑ "Programm"), sodann auch ›eine (Text)datei, Datenbank o. dgl. aufrufen‹ (L306 Josef Steiner 1985, 63).
Öffnung ahd. offanungadie Handlung des Öffnens‹ und ›offene Stelle‹: eine Öffnung… , die der Anfang eines in die Felsen gehauenen Ganges zu sein schien (A202 Novalis, Ofterdingen 196).
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