Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
ob
1 ahd. obe, ubi, ibu, mhd. ob(e), op, Konjunktion, altgermanisch (got. ibai, altnord. ef, engl. if), zur Syntax vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 3,233. Dies ob drückt die Ungewißheit eines Satzes aus und erscheint in zwei verschiedenen Funktionen.1 In der älteren Sprache dient oballgemein als Einleitung des Bedingungssatzes. Aus dieser Funktion wurde es allmählich durch ↑ "wenn" verdrängt. Frühneuhochdeutsch konkurriert obnoch mit wenn, hier und da noch später; ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher (Luther). In allgemeinem Gebrauch geblieben ist als obwie wenn‹ (↑ 1"als"). Dafür in der älteren Sprache auch bloßes ob, und zwar meistens mit Voranstellung des Verbs, vgl. es schien, ob wär' ihm durch den Fall gewachsen seine Kraft (D. v.Werder). Mit der sonst nach ob üblichen Stellung finden sich Reste des Gebrauches noch in jüngerer Zeit: die heil'ge Scheu, ob man im Tempel wäre (Tieck). Aus der Verwendung im Bedingungssatz ist die Verwendung im Konzessivsatz entwickelt und diese hat sich besser behauptet. Einfaches ob ist frühneuhochdeutsch noch häufig: ob seine Wurzel in der Erde veraltet, so grünet er doch wieder (Luther), zuweilen noch bei neueren Dichtern: du bleibst dir selbst in jeder Pein, ob alle dich verließen (Platen); auch eine zugestandene Tatsache leitet es ein: ob längst die Mitternacht verklang, im Schlosse bleibt es immer wach (Droste-Hülshoff), ich wünschte allein zu sein, ob ich mich doch gewissermaßen fürchtete (W.Alexis), wo das doch verdeutlichend wirkt; ferner ohne Verb: er war, ob noch jung an Jahren, des Krieges müde (G.Keller). Häufiger ist und ob: und ob ich albern bin mit Reden, so bin ich doch nicht albern in dem Erkenntnis (Luther). Noch üblicher ob auch: ob Tausend auch zur Rechten euch, zur Linken Tausend sänken (Klopstock). Nicht selten auch ob – ob, um auszudrücken, daß es gleichgültig ist, welche von zwei Möglichkeiten eintritt: Irrtum ist Irrtum, ob ihn der größte Mann, ob ihn der kleinste beging(Schiller). Üblich sind die Verbindungen ⇑ "obgleich", "obschon", "obwohl", die erst allmählich zusammengewachsen sind; nicht so allgemein obzwar (↑ "zwar"). Getrennt ⇓ "S209" ob wohl auch als Sprechhandlungspartikeln in der ⇓ "S211" Studentensprache: Ob wohl ? ist der gewöhnliche Einwurf, den man einer Behauptung macht, die man nicht glaubt (Wallis 1813; L115 Helmut Henne/ L115 Georg Objartel 3,81). Diese Verbindungen dienen jetzt dem Zugeständnis einer Tatsache, im Unterschied zu ob auch, wenngleich, wenn schon, die auch eine Annahme einleiten können. Doch ist das nichts Ursprüngliches, vgl. und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück (Luther).
2 Geblieben als Einleitung der indirekten Frage: Herr Kloss… sieht zu Ketzel hin, ob der den Wert des Raumes, in dem Herr Kloss speist, mindere (H.J.A219 Hans Joachim Schädlich, Ostwestberlin 28), mit freierer Anknüpfung: Drum hab' ich mich der Magie ergeben, / Ob [eigentlich: zu versuchen, ob] mir… / Nicht manch Geheimnis würde kund (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,379), Michael und Gerti können sich nicht genug anfassen, ob sie noch da sind (A140 Elfriede Jelinek, Lust 120). Zum Ausdruck der Verwunderung über eine Frage mit teilweiser Wiederholung der Worte des Fragenden: kennt Ihr denn dieses Gefühl?ob ich es kenne? (Goethe). Daher umgangssprachlich und ob!, na ob!selbstverständlich‹.
2 ahd. oba, mhd. ob(e), Adverb und Präposition, verwandt mit ⇑ "oben", "ober", "über", als selbständiges Wort in der Gemeinsprache ausgestorben. Als Adverb hat es sich am längsten in der ⇓ "S010" Kanzleisprache erhalten in Verbindung mit Partizipien, mit denen es gewöhnlich zusammengeschrieben wird: obgenannt (oben genannt), obgemeldet, obgedacht u.dgl.; dazu ↑ "obig". Als Präposition mit Dativ ist obfrühneuhochdeutsch und dichterisch, jetzt veraltet. Ursprünglich lokal ›über‹ (mit Dativ), ›oberhalb‹, durch die es allmählich verdrängt wurde: meine Hand soll ob dir halten(Luther), ob jeder Freude seh' ich schweben den Geier (Lenau); in offiziellem Gebrauch geblieben ist Österreich ob der Enns, Obwalden (↑ "Wald"), Rotenburg ob der Tauber; oberdt. obhanden im Sinne von ↑ "vorhanden". Uneigentlich: die ihn darob [bei der Beschäftigung] gefunden hatten (Luther), ich traf den Mönch ob bösen Werken (Uhland). Etwas lebendiger geblieben ist die abgeleitete Verwendung von ob zur Bezeichnung der Veranlassung: sei stolz ob meiner Heraufkunft (Klopstock); vgl. auch: wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darob kämpfen (Luther). Unsicherheit des Sprachgefühls hat zuweilen Verbindung mit dem Genitiv veranlaßt: verwundert ob des seltsamen Gerätes (A222 Friedrich Schiller, Jungfrau Prolog 3). Nominale Zusammensetzungen mit ob sind ⇑ "Obacht", "Obdach", "Obhut", "Obmann". Mit Verben geht es feste Zusammensetzungen ein: ↑ "obliegen", obsiegen (16. Jahrhundert), ↑ "obwalten".
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