Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Nord
(ahd. ) altgermanisch, ursprünglich Adverb mit dem Sinn ›nach Norden‹. Die indogermanische Wurzel, auf die das Wort zurückgeht, könnte ›links (vom Opfernden aus, der sich gen Osten neigt)‹ bedeutet haben. Jetzt ist Nord außer in Zusammensetzungen (Nordwind, Nordseite,"S117" Nordost, nordwärts) als männliches Substantiv fast nur in literarischer Sprache gebraucht, als Bezeichnung der Himmelsrichtung (dem Norde zu Klopstock, nach dem Nord Schiller), eines nördlich gelegenen Landstrichs (Nord und West und Süd zersplittern Goethe, Divan, vgl. Ch.L042 Christa Dill 436), am häufigsten ›Nordwind‹.Nordlicht 1716 bei Ch.Wolff (L059 DWb) als ⇓ "S124" Lehnübersetzung von ⇓ "S044" dän. nordlys, damals noch in Konkurrenz mit Nordschein, das sich noch 1867 bei G.Freytag findet (L059 DWb). Nordlichter gelegentlich für Politiker aus den nördlichen Bundesländern (so F.J.Strauß mit Bezug auf E.Albrecht und G.Stoltenberg).
Nordpol L169 Matthias Kramer 1678,
Nordsee (L308 Kaspar Stieler 1691), früher auch Nordersee, vom niederländischen Standpunkt aus benannt als Gegensatz zu niederländ. Zuiderzee (›Südsee‹).
Nord-Süd-Gefälle (L097 GWb 1978) ›wirtschaftliches Gefälle zwischen den Industriestaaten der nördlichen Erdhalbkugel und den südlichen Entwicklungsländern‹, auch ›wirtschaftliches Gefälle innerhalb eines Landes‹. Auf die gleiche Zweiteilung der Welt zielt auch
Nord-Süd-Konflikt (ebenda): daß ich im Konflikt, der da heute so schön »Nord-Süd« heißt, zur Bourgeoisie, zu den Nutznießern gehöre (A207 Hermann P. Piwitt, Umseglung 59). Allgemein gebräuchlich für die Himmelsrichtung und die entsprechende Gegend
Norden, mhd. norden, ahd. nordan: Der Aegyptier trägt ohne Schmerz die Despotie der Willkür, der Sohn des Nordens die Gesetzesdespotie (A131 Friedrich Hölderlin, Hyperion 80). Dies ist Substantivierung des Adverbs
norden, welches früher für sich ›von Norden, im Norden‹ bedeutete, jetzt nur mit Präpositionen von, nach, aus, in (im) Norden. Dazu Magus in Norden (für J.G.Hamann, ↑ "Magie"). Luther gebraucht Nord- usw. nur für die Windrichtung, die Himmelsgegenden werden bei ihm durch "Abend", "Morgen", "Mittag", "Mitternacht" bezeichnet. Diese und daneben "Aufgang", "Niedergang" sowie die fremden "Orient", "Okzident" haben überhaupt am Ende des Mittelalters im Ober- und Mitteldeutschen die alten Bezeichnungen fast ganz verdrängt, die erst von der niederdeutschen Seemannssprache her wieder üblich geworden sind (L360 ZDW7,61). Dazu
nördlich ältere Variante nordlich, noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe: Nord- und südliches Gelände / Ruht im Frieden seiner Hände (Divan I 4).
nordisch (L037 Petrus Dasypodius 1536 nortisch, dann häufiger seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts) gewöhnlich auf eine nördlich gelegene Gegend, speziell auf Skandinavien bezogen. Hierzu gehören beispielsweise die ⇓ "S208" sprachwissenschaftlichen Termini nordisch (1696 Leibniz; L164 Friedrich Kluge) und altnordisch (z. B. Th.Möbius, Altnordisches Glossar 1866). Auf Rasse bezogen erscheint nordisch zuerst bei Herder. Von den Rassenideologen des 19. und 20. Jahrhunderts und dann vom ⇓ "S145" Nationalsozialismus als Rassenbegriff (nordische Rasse, vgl. L281 Cornelia Schmitz-Berning) gebraucht und scheinlegitimierend idealisiert, so auch in L320 Trübners Deutsches Wörterbuch von 1943.
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