Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Nihilismus
1787 von J.H.Obereit in seiner Schrift ›Der wiederkommende Lebensgeist der verzweifelten Metaphysik‹ als Nihilism Gegenbegriff zu "Metaphysik". Dann 1799 von F.H.Jacobi für die Verstiegenheiten der idealistischen ⇓ "S168" Philosophie gebraucht. Von J.G.Fichte (der Zielscheibe der Kritik war) uminterpretiert, dann auch bei Hegel, F.Schlegel, Schelling. Später ins Politische gewandt (1846 Auerbach, 1850 Gutzkow), noch früher in Nihilist (1822 Görres), das Jean Paul 1804 als Gegensatz zu "Materialist" gebraucht (Vorschule der Ästhetik; Pöggeler, s. unten). Wohl immer wieder persönliche Neuprägung zu nihilnichts‹, wie schon mittellat. nichilianista (L081 FWb). Weitere Verbreitung der beiden Begriffe erst als Bezeichnung jener politischen Bewegung in Rußland Mitte des 19. Jahrhunderts, die durch Turgenjevs Roman »Väter und Söhne« 1862ff. über ganz Europa bekannt wurde. Deren Anhängern sagt L211 Meyer, Konv.Lex. von 1879ff. ebenso entrüstet wie verängstigt nach, sie wollten »Religion, Staat, Ehe, Eigentum aufheben und von der gesamten modernen Cultur nichts übrig lassen«. Bis heute politisches Schimpfwort: Ein nihilistischer Pöbelhaufen ist das! rief H.Wehner am 30.11.1965 im Bundestag der CDU-Fraktion zu. O.Pöggeler, Nihilismus, in: L001 ABG 19,197ff.
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