Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
nichts
bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts auch noch nichtes, ist eigentlich Genitiv von ↑ "nicht". Als solcher liegt es noch vor in nichtswürdig (s. unten) und nichtsdestoweniger (s. unten), früher auch nichtsdestominder (1508 Geiler von Kaisersberg; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) und einfacher nichtsweniger und nichtsminder. Der Genitiv stand früher auch sonst neben Komparativen, wie neuhochdeutsch um nichts (↑ "desto"); Lessing sagt noch nichts ärmer, nichts deutlicher, nichts schlimmerum nichts ärmer‹ usw., Pestalozzi nichts desto-besser. In der älteren Sprache erscheint nichtsauch sonst noch als Genitiv: von mir selbst will ich mich nichts rühmen (Luther), dich soll nichts gelüsten(Luther). Die Verwendung von nichts als Nominativ Akkusativ geht aus von der seit dem 14. Jahrhundert häufigen Verbindung nihtes-niht, eigentlich ›nichts von nichts‹. Indem man niht als Negationspartikel nahm, gelangte man dazu, ein selbständiges nihtes davon abzulösen. Gefördert wurde diese Entwicklung noch dadurch, daß in vielen Fällen der Akkusativ und auch der Nominativ anstelle eines mittelhochdeutschen Genitivs eingetreten ist (vgl. ↑ "es"). So ist z. B. nichts in nichts vergessen, vermissen, verfehlenund in nichts gebricht uns direkte Fortsetzung eines mittelhochdeutschen Genitivs. Von Präpositionen abhängig wird nichts wie etwas auch für den Dativ gebraucht. Sonst muß der Dativ wie nun auch der Genitiv vermieden werden, außer bei völliger Substantivierung mit Hilfe des Artikels: dem (einem), des (eines) Nichts; der Plural wird auch hiervon gewöhnlich vermieden, zuweilen Nichtse, ohne Flexion diese prahlende Nichts (Schiller). Auch nichts ist zuweilen als Akkusativ der Beziehung dem Charakter einer Negationspartikel genähert: zweifle nichts (im Anschluß an den Urtext) (Luther), kann ich doch nichts mit ihnen verkehren (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 9.6.84). Mir nichts, dir nichts (L308 Kaspar Stieler 1691) (eigentlich zwei eingeschobene aneinandergereihte elliptische Sätze) ist soviel wie ›ohne Rücksicht auf jmdn. , ohne Umstände‹. Aus nichts entstanden durch Assimilation des t an das s ist nichs, nix; zu den landschaftlichen und umgangssprachlichen Variationen von nichts vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 4–67. In der Redensart Nichts ist gut für die Augen ist Nichts anstelle eines älteren Nichtgetreten, welches ›Zinkweiß‹ bedeutet (entlehnt und gekürzt aus griech.-lat. onychitis) und hier zu einem Wortspiel benutzt ist;nichtsdestoweniger (1507: nichts dest weniger; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›trotzdem, dennoch‹, wohl nach mittelniederdt. nichtes de (to) min (L164 Friedrich Kluge);
nichtswürdig (1654; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); früher auch in dem rein negativen Sinn ›wertlos, geringfügig‹: eine kleine, nichtswürdige Gefälligkeit (Lessing), es wäre ein… unanständiges Vorurteil, eine geringe Wirkung für nichtswürdig zu erklären (I.Kant); dazu Nichtswürdigkeit (L308 Kaspar Stieler).
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