Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Nacht
ahd. / mhd. naht, indogermanisch (engl. night, lat. nox, griech. nýx, altind. nak, litauisch naktís, russ. notsch). Nacht hat (schon im Althochdeutschen) zwei Formen für den Genitiv, Nacht und (in Analogie nach Tages) Nachts (mhd. nahtes). Die letztere wird aber nur gebraucht, wo es als allgemeine Zeitangabe ohne nähere Bestimmung dient: nachts(s. unten) als Gegensatz zu tags (als Adverb empfunden und darum klein geschrieben). Die Analogiebildung hat dann auch die Beifügung der Artikelform des veranlaßt; zuweilen auch eines Nachts. Ein früher gewöhnlich umlautloser Dativ Plural ist erhalten in "Weihnachten". ⇓ "S212" Süddeutsch ist die Verwendung von Nacht in manchen Fällen, wo man im Norddeutschen Abendvorzieht, so bei gestern nacht (vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–38; L171 Paul Kretschmer 66; ↑ "Abend"), vgl. "Abendbrot", "Abendessen" (↑ "Abend"): zu Nacht essen, das Nachtessen, Nachtmahl: Bei Kerzenlicht bekam ich mein Nachtmahl (A146 Franz Kafka, Kinder, Erzählungen 21), nachtmahlen ⇓ "S164" österr. ›zu Abend essen‹, daher auch süddt. Nacht werden für den Einsatz der Dämmerung (↑ "dunkel"; vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–44). Nacht bezeichnete früher wie Abendden Tag vor einem Fest, "Fastnacht" (↑ "fasten"), "Weihnachten", heilige Nacht. Dies hängt damit zusammen, daß schon nach germanischer Auffassung (Tacitus, Germania 11) die Nacht innerhalb des Gesamttages dem Tag vorausgeht, was wiederum darauf zurückzuführen ist, daß die Nacht zur Grundlage der Zeitrechnung gemacht wurde (engl. fortnight, altengl. feowertene night ›vierzehn Tage‹). Im Deutschen läßt sich dies noch mittelhochdeutsch, frühneuhochdeutsch und mundartlich nachweisen (L320 Trübner). Die feste Wendung Nacht und Tag (jetzt Tag und Nacht) war noch zu Luthers Zeiten ganz üblich (ebenda): Nacht und tag wirstu dich fürchten (5.Mose 28,66). Literarisch ist die Nacht spätestens seit Jean Paul und der Romantik der Bezirk des Todes, des Irrationalen aber auch des Unbewußten und des Trieblebens, vgl. A202 Novalis Hymnen an die Nacht (1800), A.Klingemann Nachtwachen von Bonaventura (1804), E.T.A.A127 Ernst Theodor Amadeus Hoffmann Nachtstücke (1834) (Nachtstück ›Gemälde mit einer nächtlichen Szene‹ schon bei L308 Kaspar Stieler). ⇓ "S007"⊚ bei Nacht und Nebel ›heimlich und überraschend‹; mittelhochdeutsch (L059 DWb) noch bloß verstärkende Bezeichnung einer besonders undurchdringlichen Nacht, so auch bei Goethe, Herder, Claudius (L059 DWb). Zur Bezeichnung einer heimlichen Handlung bei Klopstock (L059 DWb7,152). Nacht-und-Nebel-Aktion (L097 GWb), ›überraschende Maßnahme, meist zur Umgehung gesetzlicher Vorschriften‹, in der früheren Nachkriegszeit häufig zur Bezeichnung verbrecherischer Aktionen der Nationalsozialisten, wie z. B. den 30.6.1934 (»Röhm-Putsch«). nächt, nächte, nächten frühneuhochdeutsch ›gestern Abend‹, auch schlechthin ›gestern‹ (↑ "Morgen"), zuweilen von neueren Dichtern wieder aufgenommen: nächt ist in unsern Trieb der gleißend Wolf gefallen (Uhland). Von den beiden Formen ist im älteren Mittelhochdeutschen nur nähten bezeugt, das man als Dativ Plural oder als Genitiv Singular nahti (mit nach morgen angefügtem n) auffassen kann (vgl. L141 IF20,213). Der auffallende Plural läßt sich verstehen, wenn wir annehmen, daß die Form ursprünglich nicht ›in der vorigen Nacht‹, sondern überhaupt ›zur Nachtzeit‹ bedeutet habe, vgl. got. nahtam jah dagam, wo wir tags und nachts (s. unten) sagen. In dem letzteren Sinn erscheint bei manchen Schriftstellern nächtens: die Unruhe, die jetzt oft nächtens herrschte (Storm; auch bei Immermann).
Nachtgänger, ⇓ "S018" ⇓ "S238" eine Ad-hoc-Bildung A200 Friedrich Nietzsches: denn er war ein gewohnter Nachtgänger (Zarathustra 25).
Nachtigall ahd. nahtigala, nahtagala, mhd. nahtegal (engl. nightingale), eigentlich ›Nachtsängerin‹. ⇓ "S226" ⇓ "S242" Der zweite Teil gehört zu einem untergegangenen germanischen Verb ahd. galan›beschwören, Zaubergesänge singen‹, altnord. galan, der Genitiv von Nacht mit Fugen-i wie in "Bräutigam". Die Nachtigall flötet (Klopstock; L059 DWb) oder schmettert (Voß; ebenda) oder schlägt (Herder; ebenda) oder singt (Heine; ebenda) oder ruft (Geibel; ebenda), sie ist in Sprichwörtern und Redensarten gegenwärtig: du bist so neugierig wie eine nachtigall (B.v.Arnim; L059 DWb), ⇓ "S034"
⊚ Nachtigall, ick hör dir trapsen ›ich erkenne, was los ist‹ L254 Der richtige Berliner 1878, wohl nach Nachtigall, ich hör dich singen, einem Vers auf einem Fliegenden Blatt (aus ›Des Knaben Wunderhorn‹) (nach L258 Lutz Röhrich) und erscheint in übertragener Bedeutung ich bin nur ein poetischer hänfling gegen dich nachtigalle (Gellert; L059 DWb).
Nachtschatten als Pflanzenbezeichnung wohl nach den schwarzen Beeren bzw. dunkelblauen Blüten schon ahd. nahtscato. Auch eine Schwalbenart (Nachtschwalbe, Nachtrabe, Ziegenmelker) heißt Nachtschatten (L003 Johann Christoph Adelung 1777);
nachtschlafend in der Verbindung zu nachtschlafender Zeit(spätmhd. bi nahtslafender zit) mit ungenauer Verknüpfung (Zeit, in der man schläft).
Nachtschwärmer (L308 Kaspar Stieler 1691) »die den tag in nacht und die nacht in tag verändern« (Aler; L059 DWb).
Nachtseite übertragen ⇓ "S032" A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 16.7.18: Nacht- und Nebelseite.
Nachtvogel übertragen Sachs: ir bulerei treibn .. vermainen sie sind frei nachtvogel.
Nachtwache (1482 L327 Voc.Teut.-Lat.) keine mühe, keine nachtwache war ihm beschwerlich (Wieland; L059 DWb); ⇓ "S030" auch metonymisch für die Person, die sie ausübt, oft im Plural das lied, das die nachtwachen… sangen (V. v.Scheffel; ebenda).
Nachtwächter (Mitte des 15. Jahrhunderts; L059 DWb); ›jmd. , der für Sicherheit während der Nacht sorgt‹: Eben itzt ruft der Nachtwächter zwei an (A222 Friedrich Schiller, Räuber 5,1); heute übertragen auch wie "Schlafmütze" als ⇓ "S191" Schimpfwort.
Nachtwandler (1716; L059 DWb), die Sicherheit des Nachtwandlers ist sprichwörtlich, deshalb: jenes ungestörte nachtwandlerische schaffen, wodurch allein etwas groszes gedeihen kann (Eckermann; L059 DWb);
nachten ⇓ "S015" fast nur literarisches Verb, nach älterem "tagen";
1 unpersönlich es nachtet ›es wird Nacht‹: wie es denn nun dämmerte und allmählich nachtete (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 29,119,1);
2 mit Subjekt ›finster wie die Nacht sein oder werden‹: [der leib] den du aus einer nachtenden Wolke… erschufst(Klopstock; L059 DWb), auch übertragen und es nachtet der sinn (Voß; ebenda); ⇑ "umnachten", "übernachten".
nächtigen ⇓ "S159" norddeutsch ›übernachten‹ (Immermann; L059 DWb).
nächtlich (ahd. nahtlich), mit Umlaut im 16. Jahrhundert (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
nachts (ahd. ), erstarrter Genitiv, ›bei Nacht‹ ⇑ "abends", "morgens", mittags (↑ "Mittag"), tags.
Nachtgänger, ⇓ "S018" ⇓ "S238" eine Ad-hoc-Bildung A200 Friedrich Nietzsches: denn er war ein gewohnter Nachtgänger (Zarathustra 25).
Nachtigall ahd. nahtigala, nahtagala, mhd. nahtegal (engl. nightingale), eigentlich ›Nachtsängerin‹. ⇓ "S226" ⇓ "S242" Der zweite Teil gehört zu einem untergegangenen germanischen Verb ahd. galan›beschwören, Zaubergesänge singen‹, altnord. galan, der Genitiv von Nacht mit Fugen-i wie in "Bräutigam". Die Nachtigall flötet (Klopstock; L059 DWb) oder schmettert (Voß; ebenda) oder schlägt (Herder; ebenda) oder singt (Heine; ebenda) oder ruft (Geibel; ebenda), sie ist in Sprichwörtern und Redensarten gegenwärtig: du bist so neugierig wie eine nachtigall (B.v.Arnim; L059 DWb), ⇓ "S034"
⊚ Nachtigall, ick hör dir trapsen ›ich erkenne, was los ist‹ L254 Der richtige Berliner 1878, wohl nach Nachtigall, ich hör dich singen, einem Vers auf einem Fliegenden Blatt (aus ›Des Knaben Wunderhorn‹) (nach L258 Lutz Röhrich) und erscheint in übertragener Bedeutung ich bin nur ein poetischer hänfling gegen dich nachtigalle (Gellert; L059 DWb).
Nachtschatten als Pflanzenbezeichnung wohl nach den schwarzen Beeren bzw. dunkelblauen Blüten schon ahd. nahtscato. Auch eine Schwalbenart (Nachtschwalbe, Nachtrabe, Ziegenmelker) heißt Nachtschatten (L003 Johann Christoph Adelung 1777);
nachtschlafend in der Verbindung zu nachtschlafender Zeit(spätmhd. bi nahtslafender zit) mit ungenauer Verknüpfung (Zeit, in der man schläft).
Nachtschwärmer (L308 Kaspar Stieler 1691) »die den tag in nacht und die nacht in tag verändern« (Aler; L059 DWb).
Nachtseite übertragen ⇓ "S032" A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 16.7.18: Nacht- und Nebelseite.
Nachtvogel übertragen Sachs: ir bulerei treibn .. vermainen sie sind frei nachtvogel.
Nachtwache (1482 L327 Voc.Teut.-Lat.) keine mühe, keine nachtwache war ihm beschwerlich (Wieland; L059 DWb); ⇓ "S030" auch metonymisch für die Person, die sie ausübt, oft im Plural das lied, das die nachtwachen… sangen (V. v.Scheffel; ebenda).
Nachtwächter (Mitte des 15. Jahrhunderts; L059 DWb); ›jmd. , der für Sicherheit während der Nacht sorgt‹: Eben itzt ruft der Nachtwächter zwei an (A222 Friedrich Schiller, Räuber 5,1); heute übertragen auch wie "Schlafmütze" als ⇓ "S191" Schimpfwort.
Nachtwandler (1716; L059 DWb), die Sicherheit des Nachtwandlers ist sprichwörtlich, deshalb: jenes ungestörte nachtwandlerische schaffen, wodurch allein etwas groszes gedeihen kann (Eckermann; L059 DWb);
nachten ⇓ "S015" fast nur literarisches Verb, nach älterem "tagen";
1 unpersönlich es nachtet ›es wird Nacht‹: wie es denn nun dämmerte und allmählich nachtete (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 29,119,1);
2 mit Subjekt ›finster wie die Nacht sein oder werden‹: [der leib] den du aus einer nachtenden Wolke… erschufst(Klopstock; L059 DWb), auch übertragen und es nachtet der sinn (Voß; ebenda); ⇑ "umnachten", "übernachten".
nächtigen ⇓ "S159" norddeutsch ›übernachten‹ (Immermann; L059 DWb).
nächtlich (ahd. nahtlich), mit Umlaut im 16. Jahrhundert (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
nachts (ahd. ), erstarrter Genitiv, ›bei Nacht‹ ⇑ "abends", "morgens", mittags (↑ "Mittag"), tags.