Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Mutter
indogermanisches Wort (engl. mother, urverwandt lat. mater), ahd. / mhd. muoter, 15./ 16. Jahrhundert Mutter;1 ›Frau, die ein oder mehrere Kinder geboren hat‹ (vgl. Zusammensetzungen ⇑ "Stiefmutter", "Schwiegermutter"), auch auf Tiere bezogen (Mutterschwein, mhd. muoter-swin); übertragen: Es drückte mich innig an den Busen der Mutter Natur (Forster; L264 Daniel Sanders); heute auch ⇓ "S114" Komplement zu ↑ "Vater", z. B. ⇓ "S134" die Mütter des Grundgesetzes, Stadtmütter (L315 Georg Stötzel/ L315 Martin Wengeler 528). Uneigentlich selten
2 ›Gebärmutter‹, daher Mutterkorn (1721; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), dessen Giftstoff in der Gynäkologie verwendet wird; ↑ "Maus".
⊚ Vorsicht ist die Mutter der Weisheit (Holtei; L059 DWbs. v. Vorsicht), umgangssprachlich auch .. der Porzellankiste (19. Jahrhundert; ebenda). An die Vorstellung des Umhüllenden schließt sich an
3 »[Gewinde], worinnen eine Schraube geht« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741) (auch "Perlmutt", Perlenmutter [L169 Matthias Kramer]). Zusammensetzungen lassen sich unterscheiden nach dem Motiv der Herkunft: Mutterkirche (1378 muterkirche; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), Mutterland im Gegensatz zu ↑ "Kolonie";des Angeborenseins: Muttermal (1557; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), Mutterwitz (s. unten) (1679; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt; s. unten) sowie der ⇓ "S228" Verstärkung (bis ins 19. Jahrhundert wird -allein z. T. noch mit Bindestrich angefügt; vgl. L360 ZDW3, 246ff.; J.L095 Jacob Grimm, Dt. Grammatik 2, 556): mutterseelenallein (L003 Johann Christoph Adelung 1777) ›einsam, verlassen von jeder Menschenseele‹ (Menschenseele wie Mutterseele), dafür auch mutterseligallein (1727; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), mutterallein (L003 Johann Christoph Adelung 1777), mutterseelenwindallein (Berlin. Montags-Zeitung 14, 7; L265 Daniel Sanders Erg. 1885), -wind als Verstärkung, vgl. winddünn, winddürr (L059 DWb), als Kürzung: mutterwindallein : Corinna aber mutterwindallein… die Stadtbahn benutzt hatte (A060 Theodor Fontane, Frau Jenny Treibel 401, nachgewiesen auch in Irrungen, Wirrungen 374 und Effi Briest 264); auch bei B.Strauß: so daß sie am Ende mutterwindallein auf die Schwelle ihres finsteren Hauses trat. (Die Ähnlichen.. Der Kuß des Vergessens, 1998, 159); auch B.Strauß, Das Partikular, 2000, 84.
mütterlich ahd. muoterlih, mhd. müeterlich, das mutterliche Herz (L308 Kaspar Stieler), mütterlich lieben (ebenda). Seit dem 18. Jahrhundert auch »von mütterlicher Seite« (L169 Matthias Kramer);
bemuttern aus dem von L004 Johann Christoph Adelung nicht mehr gebuchten muttern »der Mutter nacharten« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), »ein Kind bemuttern, ihm an sich gleichsam eine Mutter geben, Mutterstelle bei demselben vertreten« (L033 Joachim Heinrich Campe).
Muttersprache ⇓ "S208" nach lat. lingua materna (belegt 1119) zuerst ⇓ "S150" niederdt. modersprake (1424), über Zwischenformen wie »in meiner mueterlaichen däutsch« (1482; L059 DWb), hochdeutsch 1522: deyner muter sprach (L164 Friedrich Kluge) und 1525 bei A305 Martin Luther (18,123) aus rechter mutter sprach, jeweils noch getrennt; als Muterspraach bei L080 Joannes Frisius (1541) und L200 Josua Maaler (1561).
1 ›die von der Mutter erlernte heimatliche Sprache (etwa im Gegensatz zu Latein)‹, so L004 Johann Christoph Adelung und Goethe (L059 DWb): die französische Sprache… war mir ohne grammatik und unterricht, durch umgang und übung, wie eine zweite muttersprache zu eigen geworden. Schon L284 Justus Georg Schottelius erläutert, warum die Muttersprache nicht in der alltäglichen ungewissen Gewohnheit / sondern in kunstmässigen Lehrsätzen und gründlicher Anleitung fest bestehen müsse(1663,148). Das langsame Gift der Scham zerstört mir meine Muttersprache! (B.A255 Botho Strauß, Schlußchor 46). Daraus resultiert
2 ›normierte und kodifizierte Sprachvarietät(des Deutschen), die Geschichte, Kultur und Wissenschaft prägt‹: Seine Muttersprache wenigstens sollte jeder gebildete Mensch rein und richtig sprechen (L033 Joachim Heinrich Campe, s. v. sprechen). Vgl. "hochdeutsch" (↑ "hoch"). Das Werk wendet sich an alle Gebildeten, die ein Verlangen haben, ernsthaft über ihre Muttersprache nachzudenken (H.Paul, Deutsches Wörterbuch 1897, III), Wer für vernünftig gelten will, muß die Grammatik seiner Muttersprache beherrschen (H.A151 Hermann Kant, Aula 112).
3 ›Sprache, von der andere Sprachen sich herleiten‹, L004 Johann Christoph Adelung: Es ist die Lat. Sprache eine Muttersprache in Ansehung der It., Franz. u. Span. Sprachen; so auch L109 Moriz Heyne 1906,900; auch Grundsprache (↑ "Grund").
Mutterwitz »der von der Mutter angeborene Witz« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt mit Belegen aus dem 17. Jahrhundert), urtheilskraft ist das specifische des sog. mutterwitzes (I.Kant; L059 DWb), -witz hier noch im Sinne von ›Urteil, Auffassungsgabe‹, der Mutterwitz hat hier [im schwäbischen Oberland] noch eine letzte Residenz (F.Jünger an C.Schmitt, 23.2.1955).
2 ›Gebärmutter‹, daher Mutterkorn (1721; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), dessen Giftstoff in der Gynäkologie verwendet wird; ↑ "Maus".
⊚ Vorsicht ist die Mutter der Weisheit (Holtei; L059 DWbs. v. Vorsicht), umgangssprachlich auch .. der Porzellankiste (19. Jahrhundert; ebenda). An die Vorstellung des Umhüllenden schließt sich an
3 »[Gewinde], worinnen eine Schraube geht« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741) (auch "Perlmutt", Perlenmutter [L169 Matthias Kramer]). Zusammensetzungen lassen sich unterscheiden nach dem Motiv der Herkunft: Mutterkirche (1378 muterkirche; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), Mutterland im Gegensatz zu ↑ "Kolonie";des Angeborenseins: Muttermal (1557; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), Mutterwitz (s. unten) (1679; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt; s. unten) sowie der ⇓ "S228" Verstärkung (bis ins 19. Jahrhundert wird -allein z. T. noch mit Bindestrich angefügt; vgl. L360 ZDW3, 246ff.; J.L095 Jacob Grimm, Dt. Grammatik 2, 556): mutterseelenallein (L003 Johann Christoph Adelung 1777) ›einsam, verlassen von jeder Menschenseele‹ (Menschenseele wie Mutterseele), dafür auch mutterseligallein (1727; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), mutterallein (L003 Johann Christoph Adelung 1777), mutterseelenwindallein (Berlin. Montags-Zeitung 14, 7; L265 Daniel Sanders Erg. 1885), -wind als Verstärkung, vgl. winddünn, winddürr (L059 DWb), als Kürzung: mutterwindallein : Corinna aber mutterwindallein… die Stadtbahn benutzt hatte (A060 Theodor Fontane, Frau Jenny Treibel 401, nachgewiesen auch in Irrungen, Wirrungen 374 und Effi Briest 264); auch bei B.Strauß: so daß sie am Ende mutterwindallein auf die Schwelle ihres finsteren Hauses trat. (Die Ähnlichen.. Der Kuß des Vergessens, 1998, 159); auch B.Strauß, Das Partikular, 2000, 84.
mütterlich ahd. muoterlih, mhd. müeterlich, das mutterliche Herz (L308 Kaspar Stieler), mütterlich lieben (ebenda). Seit dem 18. Jahrhundert auch »von mütterlicher Seite« (L169 Matthias Kramer);
bemuttern aus dem von L004 Johann Christoph Adelung nicht mehr gebuchten muttern »der Mutter nacharten« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch), »ein Kind bemuttern, ihm an sich gleichsam eine Mutter geben, Mutterstelle bei demselben vertreten« (L033 Joachim Heinrich Campe).
Muttersprache ⇓ "S208" nach lat. lingua materna (belegt 1119) zuerst ⇓ "S150" niederdt. modersprake (1424), über Zwischenformen wie »in meiner mueterlaichen däutsch« (1482; L059 DWb), hochdeutsch 1522: deyner muter sprach (L164 Friedrich Kluge) und 1525 bei A305 Martin Luther (18,123) aus rechter mutter sprach, jeweils noch getrennt; als Muterspraach bei L080 Joannes Frisius (1541) und L200 Josua Maaler (1561).
1 ›die von der Mutter erlernte heimatliche Sprache (etwa im Gegensatz zu Latein)‹, so L004 Johann Christoph Adelung und Goethe (L059 DWb): die französische Sprache… war mir ohne grammatik und unterricht, durch umgang und übung, wie eine zweite muttersprache zu eigen geworden. Schon L284 Justus Georg Schottelius erläutert, warum die Muttersprache nicht in der alltäglichen ungewissen Gewohnheit / sondern in kunstmässigen Lehrsätzen und gründlicher Anleitung fest bestehen müsse(1663,148). Das langsame Gift der Scham zerstört mir meine Muttersprache! (B.A255 Botho Strauß, Schlußchor 46). Daraus resultiert
2 ›normierte und kodifizierte Sprachvarietät(des Deutschen), die Geschichte, Kultur und Wissenschaft prägt‹: Seine Muttersprache wenigstens sollte jeder gebildete Mensch rein und richtig sprechen (L033 Joachim Heinrich Campe, s. v. sprechen). Vgl. "hochdeutsch" (↑ "hoch"). Das Werk wendet sich an alle Gebildeten, die ein Verlangen haben, ernsthaft über ihre Muttersprache nachzudenken (H.Paul, Deutsches Wörterbuch 1897, III), Wer für vernünftig gelten will, muß die Grammatik seiner Muttersprache beherrschen (H.A151 Hermann Kant, Aula 112).
3 ›Sprache, von der andere Sprachen sich herleiten‹, L004 Johann Christoph Adelung: Es ist die Lat. Sprache eine Muttersprache in Ansehung der It., Franz. u. Span. Sprachen; so auch L109 Moriz Heyne 1906,900; auch Grundsprache (↑ "Grund").
Mutterwitz »der von der Mutter angeborene Witz« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt mit Belegen aus dem 17. Jahrhundert), urtheilskraft ist das specifische des sog. mutterwitzes (I.Kant; L059 DWb), -witz hier noch im Sinne von ›Urteil, Auffassungsgabe‹, der Mutterwitz hat hier [im schwäbischen Oberland] noch eine letzte Residenz (F.Jünger an C.Schmitt, 23.2.1955).