Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
mittel
ahd. mittil, Weiterbildung von mitt (↑ "Mittag"), seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlicher Positiv von mittler (16. Jahrhundert) (s. unten), L004 Johann Christoph Adelung setzt noch beide Formen an; frühneuhochdeutsch wie mittin der Mitte‹: in mittler statt, in mitteler nacht bzw. bis ins 18. Jahrhundert ›in der Mitte zwischen anderen Gegenständen befindlich‹, räumlich, zeitlich bzw. abstufend der mittle Finger, dafür heute Mittelfinger (L308 Kaspar Stieler), eine mittle Gattung (Lessing), bis zum mittlen Tau (Goethe), umgangssprachlich noch im Sinne von ›mittelmäßig‹: so mittel (L320 Trübner); seit dem 18. Jahrhundert nur noch in (durch sekundäre Verschmelzung entstandenen [↑ "hinter"]) Zusammensetzungen (vgl. L004 Johann Christoph Adelung): "Mittelpunkt", Mittelstück, Mittelglied, Mittelstraße, "Mittelweg", Mitteltür, Mittelgrund, Mittelmeer; "Mittelalter"; "Mittelklasse", "Mittelstand", Mittelding, Mittelstadt, "Mittelschule", "Mittelmaß"; mittelgroß, mittelprächtig, mittelstark; ebenso noch gebräuchlich im Superlativ mittelste (so schon mhd. ) »von einem Dinge, welches zwischen zwei andern in der Mitte liegt« (L004 Johann Christoph Adelung), als Gegensatz zu oberste, unterste, vorderste, hinterste (↑ "mitteldeutsch"); substantiviertMittel mhd. (altengl. middel, zunächst und bis ins 18. Jahrhundert
1 synonym zu ↑ "Mitte": ein volck kompt ernider aus dem mittel des Landes (A180 Martin Luther, Richter 9,37), übertragen eine aus dem Mittel aller Erkenntnisse herausgenommene Wissenschaft (I.Kant), auf eine Gruppe von Personen bezogen die Besetzung der Rollen aus ihrem Mittel (Moritz), daher auch
2Zwischenstufe zwischen zwei Gegensätzen‹: das Mittel zwischen Kleidung und Nacktheit (Wieland), das Mittel zwischen einem Engländer und Franzosen (Herder), so noch bis Schiller, heute nur noch fachsprachlich in der ⇓ "S130" Mathematik arithmetisches Mittel, geometrisches Mittel;daneben bis ins 18. Jahrhundert
3was zwischen zwei Dingen sich befindet‹: da jetzt die Toten mit Haufen übereinander fielen, stund er im Mittel und steuerte dem Zorn (Luther), so heute nur noch
sich ins Mittel legen/ schlagenschlichtend eingreifen‹ (16. Jahrhundert; L320 Trübner); aus dieser Vorstellung eines zwischen handelndem Subjekt und Zweck Stehendem entwickelt sich heute übliches
4was zur Erreichung eines Zwecks dient‹: Mittel / wag / alles dardurch man ein anders verhandlet [›behandelt‹] (L200 Josua Maaler), in festeren Wendungen ein unfehlbares Mittel (Wieland; L059 DWb), Mittel zum Zweck (Schiller; L059 DWb), häufig im Plural auf Mittel und Wege sinnen (L308 Kaspar Stieler), sprichwörtlich bei Goethe: Jesuitergrundsatz, daß der Zweck die Mittel heiligt (L264 Daniel Sanders), unerlaubte Mittel (L004 Johann Christoph Adelung); im Sinne von ›Arznei‹ (17. Jahrhundert) die Ärzte, die ihre Mittel erschöpft hatten (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Käthchen 2,9), mit für zur Bezeichnung des Abzuwehrenden, übertragen für desz todes schlaf, wil geld kein mittel sein (Logau; L059 DWb), des Ziels: ein mittel für den schlaf (Wieland; L059 DWb); auf wirtschaftliche Verhältnisse bezogen im Plural, bei L308 Kaspar Stieler Er ist bey guten Mitteln; die neuere sprache redet von wirtschaftlichen mitteln (L059 DWb), daher ›Besitz, Vermögen‹: die mittel zu stiefeln, zeug, sattel, pistolen (Logau; L059 DWb), so auch als Grundwort: Geldmittel, "Lebensmittel" (beide L308 Kaspar Stieler), Machtmittel, "Nahrungsmittel" (beide 18. Jahrhundert; L059 DWb), künstlerisch Stimmmittel eines Sängers, künstlerisches Mittel (L059 DWbs. v. Kunstmittel); dazu
bemittelt Partizip Perfekt eines seit dem 18. Jahrhundert ungebräuchlichen Verbs bemitteln (vgl. L004 Johann Christoph Adelung), »Reich.. Begütert« (L169 Matthias Kramer), negiert unbemittelt »arm« (ebenda); "minderbemittelt" (↑ "minder").
mittels (L308 Kaspar Stieler) im 18. Jahrhundert, ⇓ "S215" der Annahme eines Superlativs folgend, auch mit sekundärem t mittelst; zunächst im 16. Jahrhundert als adverbialer Genitiv von mittel in zeitlicher Bedeutung in der Zusammensetzung inmittels, immittels; zu Mittel(4) instrumental mit Genitiv: Mittelst einer Leiter auf das Dach steigen (L004 Johann Christoph Adelung), umgangssprachlich auch mit Dativ mittels Lautsprechern (L097 GWb), heute »papierdt.« (L337 WdG, L097 GWb); vgl. "vermittelst".
mittler- Komparativ zu mittel; räumlich aus den mitlern [Gengen] in die öbersten (A180 Martin Luther, Hesekiel 41,7), Mittlerer Osten nach engl. middle east (1947; vgl. Der große L025 Brockhaus 161955,8) im Gegensatz zu Naher Osten und Ferner Osten, zeitlich ein Mann von mittlerm Alter (L004 Johann Christoph Adelung), ⇓ "S134" mittlere Reife (L.Mackensen, Deutsche Rechtschreibung, 1954) im Gegensatz zur Reifeprüfung (des Gymnasiums) (vgl. "Abitur", ↑ "Abiturient") der Schulabschluß nach der 10.Klasse, übertragen herabsetzend (↑ "Mittelmaß"): auch mittlere künstler wurden als lehrende und nachhelfende beschäftigt (Goethe; L059 DWb), ein in jeder Hinsicht mittleres Wesen (Musil; L097 GWb).
mittlerweile (1517; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›zwischen Anfangs- und Endpunkt einer Zeit‹, zunächst und noch bis ins 18. Jahrhundert auch getrennt: er war… mittler weile… gekommen (Wieland; L059 DWb); im 18. Jahrhundert auch konjunktional zur Einleitung eines Nebensatzes: mittlerweil Vater und Sohn auf meinen Verstand paßt (J.M.R.Lenz).
Mittler aus einem nur noch in Zusammensetzungen üblichen Verb mitteln, mhd. , (⇑ "ausmitteln", "ermitteln", "übermitteln", "vermitteln"), ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. mediator; zu Mittel(3) ›der vermittelt‹, veraltet in religiösem Sinn ›Christus‹: ein Mitler zwischen Gott vnd den Menschen (A180 Martin Luther, 1.Timotheus 2,5); in weltlicher Bedeutung als sprechender Name bei Goethe: ließ sich [Mittler] daher gefallen,… dießmal aus seiner Rolle herauszugehen, und statt des Vermittlers den Vertrauten zu spielen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 1,18); übertragen Sprachen sind die Mittler zu anderen Völkern und Kulturen (L097 GWb); seit dem 18. Jahrhundert dafür auch ↑ "Mittelsmann".
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