Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
miß-
ahd. missa-, missi-, mhd. misse-, die vollere Form noch in ↑ "Missetat"; schon gotische Zusammensetzungen mit missa-, daneben ein die ursprüngliche Bedeutung enthaltendes missowechselseitig‹; zu ↑ "missen", drückt ursprünglich aus, daß ein Ziel verfehlt ist, daher1nicht zusammentreffend, verschiedenartig‹ (⇑ "mißhellig", "mißlich"), noch bei Schiller wenn sie mit den Eigenschaften des höchsten Wesens mißlautetnicht übereinstimmt‹; gewöhnlich
2verkehrt, unrichtig‹, ⇑ "mißbrauchen", "mißraten", "mißverstehen"; auch "Mißbrauch", "Mißverhältnis", "Mißverständnis", "Missetat";
3übel, schlecht, ausgefallen‹; ⇑ "mißhandeln", "Mißklang", "Mißheirat", "Mißstimmung", "Mißstand"; auch "Mißgeschick", "Mißmut", mißgelaunt, mißlaunig, mißgestaltet, "mißgestimmt". Wo das einfache Wort etwas Günstiges bezeichnet, drückt die Zusammensetzung mit miß- die Verkehrung in das Gegenteil aus: ⇑ "mißachten", "mißbilligen", "mißgönnen", "mißtrauen"; ↑ "mißlingen" (vgl. auch ↑ "gelingen"), ebenso ↑ "mißfallen" (zu "gefallen"), Mißvergnügen, ⇑ "Mißgunst", "Mißerfolg". Mit Verben bildet miß- von alters her feste Zusammensetzungen wie außer den alten Präpositionen nur ↑ "voll"; mit schwankender Betonung zunächst von den Fällen aus, wo ein Gegensatz stärkeren Nachdruck des miß- hervorruft: bei Klopstock was in der Dinge Lauf jetzt mißklingt, tönet in ewigen Harmonien. Festgesetzt hat sich die Betonung von miß- in Infinitiven, die zu Substantiven geworden sind, nicht bloß in Mißbehagen, Mißvergnügen, zu denen das Verbum finitum nicht üblich ist, sondern auch in "Mißtrauen"; ferner in Ableitungen aus den verbalen Zusammensetzungen auf -ung: {{link}}Míßachtung{{/link}}, {{link}}Míßbilligung{{/link}}, (gegen Übertrétung); doch gewöhnlich {{link}}Mißhándlung{{/link}}; ferner betontes miß- vor einem schon zusammengesetzten Verb: "mißverstehen", mißbehagen; den Zusammensetzungen mit ge-entsprechend allerdings solche aus miß- und dem einfachen Verb: "mißfallen", "mißlingen", "mißraten" (im 17. Jahrhundert auch mißgefallen, mißgelingen). Wechselnde Betonung bewirkten auch Zusammensetzungen mit Partizipien: mißvergnügt, mißgeschaffen, mißgestaltet, "mißgestimmt", daher werden die verbalen Zusammensetzungen mit miß- nicht selten als unfeste behandelt oder mit Zwischenschiebung von zu im Infinitiv gebildet: mißzuachten (Goethe), mißzudeuten (Lessing, Goethe), mißzutrauen (Wieland, Goethe) u. a.; ferner Bildung des Partizips mit ge- in der Mitte: mißgeachtet (Goethe), mißgebildet (Lessing, Goethe), mißgeraten (Wieland), mißgeleitet (Lessing, Goethe), mißgehandelt (Goethe u. a.); andererseits sind diese Zusammensetzungen zuweilen wie Ableitungen aus nominalen Zusammensetzungen behandelt, daher präfigiertes ge- im Partizip: gemißbilligt (Lessing), gemißbraucht (Wieland, Lessing, Herder, Schiller), gemißkannt (Wieland), gemißhandelt (häufig); scherzhaft wird dann zuweilen miß- nach niederdeutschem Vorbild – dat geit misgelingt nicht‹ (L059 DWb) – ganz abgetrennt, z. B. versteh mich nicht miß; zahlreiche Bildungen mit miß- nur bei Goethe: Mißgefühl, Mißhören, Mißtag, Mißwetter, mißwillig, Mißwollen, Mißwuchs.
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