Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Mann
ahd. / mhd. man, ⇓ "S173" Plural man/ manne, frühnhd. auch mannen (s. unten), seit dem 15. Jahrhundert Männer, flexionsloser Plural bei Zahlangaben – vierhundert mann, alle mann (beide Luther; L059 DWb), beim seemannssprachlichen Kommando alle Mann an/ von Bord/ Deck; germanisch, altnordischer Stammausgang in mannus (›germanischer Stammvater‹; Tacitus, Germania), ebenso in Marcomanni, Alamanni etc., urverwandt altind. ManuStammvater der Menschen‹; ursprünglich und noch bis Luther geläufig1 allgemein ›Mensch‹ (vgl. mhd. mennischmenschlich‹), "männiglich" (↑ "mannigfach"); so noch bei Weckherlin: lästerwort… wider got und man (L059 DWb), deshalb auch der Plural "Leute": Kaufleute, Bergleute, Edelleute (vgl. L004 Johann Christoph Adelung), formelhaft Mann für Mann (L308 Kaspar Stieler) ›jeder einzelne‹, der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt (A222 Friedrich Schiller, Tell 1,1), der gemeine Mann (L305 Christoph Ernst Steinbach), synonym kleiner Mann, nach dem Roman A054 Hans Falladas Kleiner Mann, was nun? (1932) fest geworden (L320 Trübner), den dritten mann [im Spiel] abgeben (Simplizissimus 1713; L059 DWb),
⊚⊚ etwas an den Mann bringenverkaufen, weitergeben‹ (Klopstock; L059 DWb), gemachter Mannohne Geldsorgen‹ (L320 Trübner), verallgemeinert auch im Ausruf: Mann, Bruder, bin ich müde gewesen (1987 Ch.A286 Christa Wolf, Störfall 57), vor allem in den Redensarten ⇓ "S007"
⊚⊚ mit Mann und Maus (18. Jahrhundert; L059 DWb) ›vollständig‹, Not am Mann (17. Jahrhundert; L059 DWb) sowie in den Pronomen ⇑ 1"man", "jemand", "niemand";
2 Gegensatz von "Frau" und "Kind", je nach Gebrauchszusammenhang auch von "Herr": ihr Männer von Thurneck, ihr Weiber und Kinder (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Käthchen 3,7), veraltet im Sinne von ›Lehnsmann‹ oder ›Soldat‹ (im 18. Jahrhundert erneuert), Plural Mannen(heute ironisch und sportsprachlich, vgl. L337 WdG), pleonastisch in Personenbezeichnungen Bauersmann, Bürgersmann, Jägersmann; bei Wiederaufnahmen: Ich erinnere mich, einen armen Schelm gesprochen zu haben… Dem Manne kann geholfen werden (A222 Friedrich Schiller, Räuber 5,2); kaufmannsprachlich unser MannVertreter‹, ›Handelspartner‹ (vgl. L308 Kaspar Stieler), possessives das ist mein Mann auch »es mit einem im kampfe aufnehmen« (bei Logau; L059 DWb) bzw. im Gegenteil als Ausdruck von Vertrauen (bei Lessing; L059 DWb), junger Mann im 19. Jahrhundert »in höflicher sprache der mehr herangewachsene knabe« (L059 DWb), in der Anrede umgangssprachlich z. B. nicht so drängeln, junger Mann (L337 WdG), guter Mann »auch halb ironisch oder halb mitleidig« (L059 DWb); häufig präpositionaler Anschluß mit von: ein Mann von klugem Verstande (L305 Christoph Ernst Steinbach) bzw. in der Genitivkonstruktion Mann Gottes (Luther; vgl. L059 DWb), danach ein Mann des Volks, der Tat (L059 DWb), so auch Zusammensetzungen Ackersmann, "Arbeitsmann", Ehrenmann, Kriegsmann, Schulmann; als Grundwort in Berufsbezeichnungen "Amtmann", "Bergmann", Bootsmann, "Dienstmann", Fährmann, Forstmann, "Fuhrmann", Gasmann, "Geschäftsmann", "Kaufmann", "Landmann", Müllmann (meist Plural, ↑ "Müll"), "Schutzmann", "Seemann", "Staatsmann", "Steuermann", Zimmermann (letzterer besonders im Schweizerischen auch übertragen ›langbeinige Spinne‹, vgl. Weberknecht↑ "Knecht" und L066 Jürgen Eichhoff, Karte 4–55), »im gemeinen Leben« (L004 Johann Christoph Adelung) auch für Händler Milchmann, Obstmann, Eismann, Zeitungsmann, im Zuge der Frauenemanzipation seit ca. Mitte der 70er Jahre gegebenenfalls durch -frau (↑ "Frau") ersetzt; ohne Artikel für die Gesamtheit des männlichen Geschlechts (und anstelle von ↑ 1"man") Mann [betont]tut das nicht! (Hörbeleg) (↑ "Frau"); emphatisch mit Betonung bestimmter Eigenschaften, z. B. Zuverlässigkeit:
⊚⊚ ein Mann, ein Wort (vgl. L308 Kaspar Stieler), wie ein Mann (Luther; L059 DWb), oder Selbständigkeit: Manns genug sein (Luther; vgl. L059 DWb), auf einen Plural bezogen sind wir beide nicht Manns genug(Schiller), bei Lessing ob diese Mädchenseele Manns genug wohl ist, ebenso ein Mann sein – oft imperativisch sei ein Mann (A180 Martin Luther,1. Könige 2,2) –, selbst ist der Mann (16. Jahrhundert; L059 DWb), und er wolle… allein seinen mann stehen (Immermann; L059 DWb), bezogen auf eine bestimmte Fähigkeit: wenn er der mann dazu gewesen wäre (Jean Paul; L059 DWb), großer Mann »von großen Verdiensten« (L004 Johann Christoph Adelung), so auch prädikativ ein Mann ist Mann trotz alledem (1848 F.Freiligrath, Trotz alledem), bei B.Brecht Mann ist Mann (Uraufführung 1926); A200 Friedrich Nietzsches Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Auf ihr Frauen, so entdeckt nur doch das Kind im Manne (Zarathustra 85), bei Ch.A190 Christian Morgenstern dem Kind im Manne (Widmung der Galgenlieder); speziell
3Ehemann‹: Frau! Wo ist euer Mann?… Mein Mann ist nicht zu Hause (L308 Kaspar Stieler);
4 übertragen Mann im Mond für die als Sagengestalt vorgestellten Mondflecken, bei L308 Kaspar Stieler verniedlicht Männlein im Monde; schwarzer MannSchornsteinfeger‹, auch »schreckgestalt, gespenst« (L059 DWb), "Biedermann" (↑ "bieder"), "Gewährsmann" (↑ "Gewähr"), "Hampelmann" (↑ "hampeln"), "Hauptmann" (↑ "Haupt"), "Hausmann" (↑ "Haus"), "Lebemann" (↑ "leben"), "Strohmann" (↑ "Stroh"), Weckmann (↑ "Wecken"), Klausemann/ Klausenmann (↑ "Klause").
Mannsbild"S179" mhd. mannes bilde, mans- und weibsbild (Luther), nach ↑ "Bild" ›ein Mannsbild, wie er sein soll‹, seit dem 19. Jahrhundert verächtlich, dann auch umgangssprachlich (besonders süddeutsch/ österreichisch) in positivem Sinn: Wenn man sieht, daß ich mit einem Mannsbild spazierengeh (Hesse; L337 WdG);
Mannschaft mhd. manschaft, ursprünglich auch Zustandsbezeichnung; ⇓ "S113" Kollektivum, bei A180 Martin Luther auch noch allgemein ›Gesamtheit der erwachsenen Männer‹: er drohete meine Mannschaft zu erwürgen, Kinder und Jungfrauen wegzuführen (Judith 16,6), seit dem 19. Jahrhundert gewöhnlich »Gesammtheit von Leuten männlichen Geschlechts, die zu Diensten verpflichtet sind« (L264 Daniel Sanders) – häufig für Schiffsbesatzung und Soldaten im Gegensatz zu Offizieren –, daher heute umgangssprachlich ›Arbeitsgruppe, Team‹: die junge Mannschaft dieses Studios(L337 WdG);
mannstoll,
männertoll 18. Jahrhundert (Rabener, Thümmel).
Mannweib 1653 Harsdörffer (L059 DWb), ⇓ "S125" Lehnübertragung von griech. andrógynosZwitter‹; so nur L003 Johann Christoph Adelung 1777 und ähnlich noch Jean Paul mit Bezug auf Novalis, bei Jean Paul dann aber auch ›Weib von männlicher Art‹, bei L032 Joachim Heinrich Campe Erg. für Amazone;
Männlein ahd. mannilin, und
Männchen 15. Jahrhundert (Plural Männchen, Männerchen) verächtlich, ⇓ "S050" Diminutiv, auch auf Zwerge und sonstige mythische Wesen bezogen: Da ging auf einmal die Türe auf und trat ein kleines Männchen [Rumpelstilzchen] herein (Brüder A087 Jacob und Wilhelm Grimm, Rumpelstilzchen); bei A180 Martin Luther Männlein neutrale Geschlechtsbezeichnung: ein Menlin vnd Frewlin (1.Mose 1,27; Marcus 10,6), danach
Männlein und Weibleinalle‹: Boje flattert bei… männlein und weiblein herum (Hölty; L059 DWb); Männchen von Tieren, seit dem 17. Jahrhundert Männchen machen zunächst von einem vierfüßigen Tier, das auf den Hinterbeinen sitzt oder steht und so den Menschen nachahmt, dann überhaupt von seltsamen Gebärden der Tiere oder Menschen: diese ungeheure siedende Gewalt zu sehen, die man sonst sehr philisterhaft gezwungen hatte, Männerchen zu machen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 24.5.10); westdeutsch die Zusammensetzung i-Männchen für Erstkläßler (↑ "erst"; vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–22).
Männin (frühnhd.), ⇓ "S140" in Anlehnung an den lateinischen Text der Bibel, noch später im bewußten Anschluß an die Bibel: gesellt sei dem Manne die Männin(Voß); daneben frühzeitig im Sinne von ›Mannweib‹: die Hord' amazonischer Männinnen(Voß), eine Männin, ein Mädchen, wie es ein Mann gedacht hat (Goethe); in Zusammensetzungen Amtmännin, Landmännin, seit ca. 1975 ersetzt durch -frau("Frau");
männlich ahd. manlich (ohne Umlaut bis zum 17. Jahrhundert), seit dem 15. Jahrhundert und bis ins 18. Jahrhundert dafür auch männisch; als Geschlechtsbezeichnung auch für Knaben, speziell auf die Eigenschaften des gereiften Mannes, insbesondere Mut und Festigkeit, bezogen: Da sie ihr Haar kurz geschoren trägt, verstärkt sich der Eindruck des Männlichen (G.Hauptmann; L337 WdG), übertragen auf Pflanzen männliche Blüte »welche den befruchtenden Blüthenstaub enthält« (L004 Johann Christoph Adelung), grammatische Genusbezeichnung ›maskulin‹ (vgl. L004 Johann Christoph Adelung), literaturwissenschaftlich männlicher Reim/ Vers: »da der thon auff der letzten sylben in die hohe steiget« (1624 A203 Martin Opitz, Poeterey 37), also »wenn die Reimsylbe einsylbig ist« (L004 Johann Christoph Adelung);
mannhaft (mhd. ) ›standhaft, tapfer(2)mannhaftes Gemüt… mannhafter Widerstand… Schmerzen mannhaft ausstehen (L169 Matthias Kramer 1702); »Ehemals war mannhaft auch ein Ehrentitel der Ritter und edlen Knechte, und auch noch jetzt bekommen bürgerliche Kriegsbeamte aus manchen fürstlichen Kanzeleien diesen Titel, adelige aber den Titel mannfest« (L033 Joachim Heinrich Campe); von Frauen ungewöhnlich. Des Weibes mannhaft kühnes… Herz(W.Humboldt; L264 Daniel Sanders) oder scherzhaft Billy [Sibylle] verzichtet mannhaft auf einen Fick hinterm Busch (A083 Günter Grass, Butt 552);
mannbar mhd. manbære von Mädchen ›für einen Mann geeignet, heiratsfähig‹, dann überhaupt auf Reife, Erwachsensein auch beim männlichen Geschlecht bezogen;
Mannheit mhd. manheit, jetzt Mannhaftigkeit (wie schon Luther), früher auch ›Mannesalter‹, vom Anfang der vollkommenen Jugend bis zum Ende der Mannheit (Goethe); bei Klopstock im Gegensatz zu Kindheit; ein mittelhochdeutsches Verb mannen, bei L308 Kaspar Stieler nicht mehr gebräuchlich, erhalten in
bemannen »mit Mannschaft besetzen« (L004 Johann Christoph Adelung), zunächst nur auf die Schiffahrt bezogen, dann auch allgemeiner, besonders im Partizip Perfekt bemannter Weltraumflug (L337 WdG), entmannen (mhd. ) übertragen der zehrende Hunger… entmannte sie(Th.Mann; L337 WdG), ermannen reflexiv (L308 Kaspar Stieler), übermannen (16. Jahrhundert), seit dem 18. Jahrhundert metaphorisch (vgl. L059 DWb): Rührung, die ihn übermannen wollte(Jahnn; L337 WdG).
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Mann