Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Lust
⇓ "S075" ⇓ "S077" Fem. , ursprünglich (und noch im 16./ 17. Jahrhundert; vgl. L059 DWb; oberdt. »noch jetzt oft«; L109 Moriz Heyne) Mask. , ahd. / mhd. lust, gemeingermanisch (engl. lust, got. lustus), urverwandt griech. lilaíesthai ›begehren‹, lat. lascivus ›mutwillig, unzüchtig‹, poln. lasy›begierig‹.1 Ursprünglich wohl ›Verlangen, Begierde‹, v. a. im Sinne von ›erotisches, sexuelles Verlangen‹ »Das ist doch unglaublich, ein mädchen, das allein in urlaub fährt und keine lust hat!« (V.A241 Verena Stefan, Häutungen [1975] 23), Fleisches Lust (A180 Martin Luther, 1.Johannes 2,16), ↑ "Wollust".Der Plural Lüste ist in dieser Bedeutung allgemein üblich (besonders biblisch), sonst selten, vgl. und herzten und küßten nach Lüsten (Goethe), zu Paradieses Lüsten(Goethe).
2 Abgeschwächt ›angenehme Empfindung‹, die mit der Befriedigung des Verlangens verbunden ist: Wär Beß'rung nicht die Lust der Welt, So würdest du nicht fragen(Goethe; L320 Trübner). Der Übergang von (1) zu (2) sichtbar in Fällen wie sie tut es mit Lust, er hat seine Lust daran, sie kann da nach Lust (Herzenslust) herumspazieren; dazu als Gegensatz Unlust. Umgangssprachlich bedeutet Lustauch ›großes Vergnügen‹: Es ist eine Lust zu leben! (1518 Ulrich von Hutten; L027 Büchmann). Formelhaft
⊚⊚ keine (rechte) Lust haben, nach Lust und Laune, Lust und Leid, Lust und Liebe (vgl. L059 DWb), Autorenwörterbücher –Last und Lust der Germanisten(Titel in: Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses. 3,1986,228). ↑ "gelüsten".
Lustbarkeit mhd. lustbærecheit ›Freude, Annehmlichkeit, Vergnügtheit‹, jetzt (zuerst J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741) nur noch (gehoben, veraltend) ›Veranstaltung, um sich zu vergnügen‹: daß er… die etwas rohen Lustbarkeiten dieser halbselbständigen jungen Menschen verkostete (Musil; L097 GWb);
Lustgarten (L037 Petrus Dasypodius 1536) ›Garten, zu Lust angelegt‹ (Gegensatz Nutzgarten): nichts was einem älteren lustgarten, oder einem modernen park ähnlich gewesen wäre (Goethe; L059 DWb);
Lustmolch scherzhafte Neubildung für Lüstling (s. unten), nur im weitesten Sinn synonym (so L337 WdG) mit Lustgreis, ↑ "Molch".
Lustseuche (A180 Martin Luther, 1.Thessaloniker 4,5) eigentlich ›heftiger sinnlicher (als Krankheit gedachter) Trieb‹, später gehoben ›Syphilis‹ (1726; L059 DWb) bzw. allgemein ›Geschlechtskrankheit‹, veraltet;
Lustspiel (1536 im Titel eines anonymen Stückes; L289 Günther und Irmgard Schweikle), ⇓ "S127" deutsche Bezeichnung für lat. comoedia (↑ "Komödie"), dann erst von Gryphius, Filidor u. a. (vgl. L059 DWb) wieder gebraucht und seit Gottsched 1757 (L289 Günther und Irmgard Schweikle) allgemein üblich; im 17./ 18. Jahrhundert (vgl. L059 DWb) auch allgemein ›Spiel zum Vergnügen‹: man sah dasz beiden des kampfes gefahr / und lanzenbrechen gewohntes lustspiel war (Wieland; L059 DWb);
lustwandeln (1645 ⇓ "S071" Zesen; L164 Friedrich Kluge) als Verdeutschung von "spazieren" (gehen), Ableitung zu einem von Zesen gebildeten und wieder ⇓ "S239" untergegangenen Lustwandel (L164 Friedrich Kluge; noch bei Wieland), jetzt gehoben veraltend: die Bäume… unter denen ich lustwandle (Musil; L097 GWb) oder scherzhaft spöttelnd (schon bei L320 Trübner): statt zu arbeiten, lustwandeln die Damen draußen auf dem Gang (L337 WdG);
lüstern1 schwaches Verb, jetzt veraltet, (15. Jahrhundert lustern noch 1857 bei Brüder A087 Jacob und Wilhelm Grimm, Sneewittchen), lüstern bei Grimmelshausen (L059 DWb); Iterativbildung zu ahd. lusten ›gelüsten, belieben, verlangen‹, mhd. lusten, lüsten. Unpersönlich: uns lüstert und hungert schon lange nach euch (G.A.Bürger), dem nach der Erbschaft lüstert(Kotzebue); häufiger persönlich: der die welt zu sehn gelüstert(Wieland; L059 DWb), sie lüstern zur Schönheit und Kunst hinüber (Tieck); mit auffallendem Dativ: wer blind unwissend lüstert deinen Schätzen (Tieck); am häufigsten im Infinitiv und Partizip Präsens. Daraus ist durch Erleichterung der Dreifachkonsonanz rnd enstanden das Adjektiv
lüstern2 (1523 Luther; L059 DWb): das man daselbs begrub das lüstern Volk (A180 Martin Luther, 4.Mose 11,34), der Grieche wendet oft sein lüstern Auge den fernen Schätzen der Barbaren zu (Goethe, Iphigenie). Heute eher auf sexuelle Begierde bezogen: Sie war durchaus nicht lüstern; sie war sinnlich (A199 Robert Musil, Mann 42);
lustig mhd. lustec, lustic;
1 ›Lust gewährend, anmutig, angenehm‹: häufig bei Luther, z. B. Die tochter Zion ist / wie eine schöne vnd lustige Awe (A180 Martin Luther, Jeremia 6,2), allerley Bewme / lüstig an zu sehen(A180 Martin Luther, 1.Mose 2,9), Denn alle zeit wein oder wasser trincken / ist nicht lustig / Sondern zu weilen wein, zu weilen Wasser trincken / das ist lustig. Also ists auch lustig / so man mancherley lieset (A180 Martin Luther, 2.Makkabäer 15,40); aber auch noch später, besonders bei A075 Johann Wolfgang von Goethe, z. B. die roten Blüten des Oleanders machen die Landschaft lustig; als sie die Mooshütte erreichten, fanden sie solche aufs lustigste ausgeschmückt(Wahlverwandtschaften 20,29,2).
2 ›Lust, Verlangen zu etwas empfindend‹, frühneuhochdeutsch häufig, z. B. geneigt und lustig zu allem Übel (Luther); noch allgemein in Zusammensetzungen ↑ "schaulustig", eßlustig, trinklustig, kauflustig, kriegslustig usw., auch in unlustig.Wenn nicht an eine Richtung auf etwas Bestimmtes gedacht wird, entsteht die Bedeutung ›aufgelegt zu Tätigkeit, munter‹ und von hier aus die jetzt übliche Bedeutung ›fröhlich, Vergnügen bereitend, ausgelassen‹. Das Aufgelegtsein zu Tätigkeit, Bewegung tritt noch am deutlichsten hervor bei Übertragung auf leblose Gegenstände in Fällen wie der Wind blies lustig in die Segel, die Flamme flackerte lustig; es keimt lustig die köstliche Saat (Schiller). Einen speziellen Sinn angenommen hat sich lustig über jmdn. / etwas machen ›jmdn. / etwas verspotten, jmdn. seinen Spott fühlen lassen‹ (Goethe, Wieland; L059 DWb). Lustige Person war Bezeichnung des Possenreißers in der Komödie. Die lustigen Weiber (merry wives) von Windsor, Lustspiel von Shakespeare, deutsch 1778; Die lustige Witwe 1905, Operette von F.Léhar. Dazu belustigen.
3 Adverb ›unbekümmert, munter‹ (1579 Fischart; L059 DWb): man verzeihe mir, dasz ich in flipprigem tone eine streitfrage behandle… aber eben je wichtiger ein gegenstand ist, desto lustiger musz man ihn behandeln (Heine; ebenda), lustig wie des kuckucks schall(Hölty; ebenda);
Lüstling (1663 Harsdörffer bei Schottel; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) »der sinnlichen lust ergeben« (L059 DWb): sieh, lüstling sieh den grinsenden schädel hier, / statt wallender locken von maden umkrochen (Wieland; ebenda), jetzt veraltend ⇓ "S166" abwertend, dafür auch Lustmolch (s. oben).
2 Abgeschwächt ›angenehme Empfindung‹, die mit der Befriedigung des Verlangens verbunden ist: Wär Beß'rung nicht die Lust der Welt, So würdest du nicht fragen(Goethe; L320 Trübner). Der Übergang von (1) zu (2) sichtbar in Fällen wie sie tut es mit Lust, er hat seine Lust daran, sie kann da nach Lust (Herzenslust) herumspazieren; dazu als Gegensatz Unlust. Umgangssprachlich bedeutet Lustauch ›großes Vergnügen‹: Es ist eine Lust zu leben! (1518 Ulrich von Hutten; L027 Büchmann). Formelhaft
⊚⊚ keine (rechte) Lust haben, nach Lust und Laune, Lust und Leid, Lust und Liebe (vgl. L059 DWb), Autorenwörterbücher –Last und Lust der Germanisten(Titel in: Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses. 3,1986,228). ↑ "gelüsten".
Lustbarkeit mhd. lustbærecheit ›Freude, Annehmlichkeit, Vergnügtheit‹, jetzt (zuerst J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741) nur noch (gehoben, veraltend) ›Veranstaltung, um sich zu vergnügen‹: daß er… die etwas rohen Lustbarkeiten dieser halbselbständigen jungen Menschen verkostete (Musil; L097 GWb);
Lustgarten (L037 Petrus Dasypodius 1536) ›Garten, zu Lust angelegt‹ (Gegensatz Nutzgarten): nichts was einem älteren lustgarten, oder einem modernen park ähnlich gewesen wäre (Goethe; L059 DWb);
Lustmolch scherzhafte Neubildung für Lüstling (s. unten), nur im weitesten Sinn synonym (so L337 WdG) mit Lustgreis, ↑ "Molch".
Lustseuche (A180 Martin Luther, 1.Thessaloniker 4,5) eigentlich ›heftiger sinnlicher (als Krankheit gedachter) Trieb‹, später gehoben ›Syphilis‹ (1726; L059 DWb) bzw. allgemein ›Geschlechtskrankheit‹, veraltet;
Lustspiel (1536 im Titel eines anonymen Stückes; L289 Günther und Irmgard Schweikle), ⇓ "S127" deutsche Bezeichnung für lat. comoedia (↑ "Komödie"), dann erst von Gryphius, Filidor u. a. (vgl. L059 DWb) wieder gebraucht und seit Gottsched 1757 (L289 Günther und Irmgard Schweikle) allgemein üblich; im 17./ 18. Jahrhundert (vgl. L059 DWb) auch allgemein ›Spiel zum Vergnügen‹: man sah dasz beiden des kampfes gefahr / und lanzenbrechen gewohntes lustspiel war (Wieland; L059 DWb);
lustwandeln (1645 ⇓ "S071" Zesen; L164 Friedrich Kluge) als Verdeutschung von "spazieren" (gehen), Ableitung zu einem von Zesen gebildeten und wieder ⇓ "S239" untergegangenen Lustwandel (L164 Friedrich Kluge; noch bei Wieland), jetzt gehoben veraltend: die Bäume… unter denen ich lustwandle (Musil; L097 GWb) oder scherzhaft spöttelnd (schon bei L320 Trübner): statt zu arbeiten, lustwandeln die Damen draußen auf dem Gang (L337 WdG);
lüstern1 schwaches Verb, jetzt veraltet, (15. Jahrhundert lustern noch 1857 bei Brüder A087 Jacob und Wilhelm Grimm, Sneewittchen), lüstern bei Grimmelshausen (L059 DWb); Iterativbildung zu ahd. lusten ›gelüsten, belieben, verlangen‹, mhd. lusten, lüsten. Unpersönlich: uns lüstert und hungert schon lange nach euch (G.A.Bürger), dem nach der Erbschaft lüstert(Kotzebue); häufiger persönlich: der die welt zu sehn gelüstert(Wieland; L059 DWb), sie lüstern zur Schönheit und Kunst hinüber (Tieck); mit auffallendem Dativ: wer blind unwissend lüstert deinen Schätzen (Tieck); am häufigsten im Infinitiv und Partizip Präsens. Daraus ist durch Erleichterung der Dreifachkonsonanz rnd enstanden das Adjektiv
lüstern2 (1523 Luther; L059 DWb): das man daselbs begrub das lüstern Volk (A180 Martin Luther, 4.Mose 11,34), der Grieche wendet oft sein lüstern Auge den fernen Schätzen der Barbaren zu (Goethe, Iphigenie). Heute eher auf sexuelle Begierde bezogen: Sie war durchaus nicht lüstern; sie war sinnlich (A199 Robert Musil, Mann 42);
lustig mhd. lustec, lustic;
1 ›Lust gewährend, anmutig, angenehm‹: häufig bei Luther, z. B. Die tochter Zion ist / wie eine schöne vnd lustige Awe (A180 Martin Luther, Jeremia 6,2), allerley Bewme / lüstig an zu sehen(A180 Martin Luther, 1.Mose 2,9), Denn alle zeit wein oder wasser trincken / ist nicht lustig / Sondern zu weilen wein, zu weilen Wasser trincken / das ist lustig. Also ists auch lustig / so man mancherley lieset (A180 Martin Luther, 2.Makkabäer 15,40); aber auch noch später, besonders bei A075 Johann Wolfgang von Goethe, z. B. die roten Blüten des Oleanders machen die Landschaft lustig; als sie die Mooshütte erreichten, fanden sie solche aufs lustigste ausgeschmückt(Wahlverwandtschaften 20,29,2).
2 ›Lust, Verlangen zu etwas empfindend‹, frühneuhochdeutsch häufig, z. B. geneigt und lustig zu allem Übel (Luther); noch allgemein in Zusammensetzungen ↑ "schaulustig", eßlustig, trinklustig, kauflustig, kriegslustig usw., auch in unlustig.Wenn nicht an eine Richtung auf etwas Bestimmtes gedacht wird, entsteht die Bedeutung ›aufgelegt zu Tätigkeit, munter‹ und von hier aus die jetzt übliche Bedeutung ›fröhlich, Vergnügen bereitend, ausgelassen‹. Das Aufgelegtsein zu Tätigkeit, Bewegung tritt noch am deutlichsten hervor bei Übertragung auf leblose Gegenstände in Fällen wie der Wind blies lustig in die Segel, die Flamme flackerte lustig; es keimt lustig die köstliche Saat (Schiller). Einen speziellen Sinn angenommen hat sich lustig über jmdn. / etwas machen ›jmdn. / etwas verspotten, jmdn. seinen Spott fühlen lassen‹ (Goethe, Wieland; L059 DWb). Lustige Person war Bezeichnung des Possenreißers in der Komödie. Die lustigen Weiber (merry wives) von Windsor, Lustspiel von Shakespeare, deutsch 1778; Die lustige Witwe 1905, Operette von F.Léhar. Dazu belustigen.
3 Adverb ›unbekümmert, munter‹ (1579 Fischart; L059 DWb): man verzeihe mir, dasz ich in flipprigem tone eine streitfrage behandle… aber eben je wichtiger ein gegenstand ist, desto lustiger musz man ihn behandeln (Heine; ebenda), lustig wie des kuckucks schall(Hölty; ebenda);
Lüstling (1663 Harsdörffer bei Schottel; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) »der sinnlichen lust ergeben« (L059 DWb): sieh, lüstling sieh den grinsenden schädel hier, / statt wallender locken von maden umkrochen (Wieland; ebenda), jetzt veraltend ⇓ "S166" abwertend, dafür auch Lustmolch (s. oben).