Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Lumpen
spätmhd. lumpeZeugfetzen, Lappen‹ (vgl. heute schweizerisch NaselumpeTaschentuch‹) (↑ "Taschentuch"), ablautend zu mhd. lampenschlaff herunterhängen‹ (vgl. ↑ "Schlampe"); Lumpen übernimmt auslautendes naus den obliquen Kasus (↑ "Backe"); ältere Nominativform ist Lumpe (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741), gewöhnlich aber seit dem 18. Jahrhundert Lumpen (L305 Christoph Ernst Steinbach 1734). Selten im Singular: vielmehr sahen es alle lehnsherren gern, dasz die ihnen dienenden söhne… jeden lumpen des väterlichen erbguts unter sich theilten (Möser; L059 DWb); im Sinne von ›Putzlappen‹ ist Lumpen"S232" westmitteldeutsch und ⇓ "S212" süddeutsch (L171 Paul Kretschmer 321; L066 Jürgen Eichhoff, Karte 80): sie nahm Eimer und Lumpen, um die Treppe zu putzen (L097 GWb). Meist im Plural, auf schlechte Kleidung bezogen: Du muost dise lumpen lan und miniu kleider legen an (Gesamtabenteuer; L320 Trübner). In Zusammensetzungen dient Lumpen- dazu, etwas als erbärmlich, gering zu bezeichnen, vgl. Lumpenkerl, Lumpenzeug, Lumpenpack usw. (s. unten Lumpenhund, Lumpenproletariat); ähnliche Bedeutung hat das Adjektiv lumpig(s. unten). Eine spaßhafte Weiterbildung ist Lumpazius, woraus mit Fortlassung der Endung Lumpazi (oberdt.), ferner Lumpacivagabundus (1833 Nestroy);Lumpenhund eigentlich ›armseliger Hund‹, jetzt nur noch übertragen als verächtliche Bezeichnung ›gemeiner, niederträchtiger Mensch‹ (1650 Moscherosch; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), verstärktes Lump (s. unten);
Lumpenproletariat"S032""S129" marxistischer Begriff: »deklassierte moralisch verkommene Elemente« (L337 WdG) aller Klassen »in den kapitalistischen Ländern« (ebenda): Da, wo das Proletariat Lumpenproletariat wird; da wo es nicht mehr lohnt zu arbeiten (A266 Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke 2,21);
Lump(1641 Weckherlin; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ⇓ "S052" mit Bedeutungsveränderung gekürzt aus Lumpen (s. oben); zunächst ⇓ "S027" übertragen auf einen Menschen in abgerissener Kleidung, dann abwertend ›erbärmlicher, niedrig gesinnter Mensch‹; sowohl stark als auch schwach flektiert, vgl. bei Goethe drum glaub an keinen lumpen je und nur die lumpe sind bescheiden(beide L059 DWb);
lumpen (1595 Rollenhagen; L059 DWb), vereinzelt ›ein liederliches Leben führen‹: wenn du nicht… gelogen, gelumpt, gesoffen und gestohlen hättest (Kafka; L337 WdG); meist in der Wendung sich nicht lumpen lassen, eigentlich ›sich nicht Lump schimpfen lassen‹, daher ›sich großzügig zeigen‹ (L308 Kaspar Stieler 1691, ähnlich 1620; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); dazu verlumpen, zerlumpt;
Lumperei (zu Lump, s. oben) übertragen
1Betrügerei, armselige Handlungsweise‹ (1650 Moscherosch; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt): alles in der welt läuft doch auf eine lumperei hinaus (Goethe; L109 Moriz Heyne), abgeschwächt
2Nichtigkeit, (lächerliche) Kleinigkeit‹ (18. Jahrhundert; W.L244 Wolfgang Pfeifer): streitet euch doch nicht wegen dieser Lumperei (L337 WdG);
lumpig (L169 Matthias Kramer 1678; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) zuvor schon lumpecht, lumpicht (1551; ebenda); L003 Johann Christoph Adelung 1777 setzt beide Formen an und differenziert lumpichteinem Lumpen ähnlich‹, lumpigaus Lumpen bestehend, Lumpen habend; zerlumpt‹;
1 zunächst (im Sinne von ›zerfetzt‹) bezogen auf die damals geschlitzte Modetracht (↑ "Pluderhose"): ein lumpecht wol zerhawen kleidt(Scheit; L109 Moriz Heyne), dann allgemein von schlechter, abgerissener Kleidung (Weckherlin; L059 DWb);
2 übertragen auf Armseliges, Nichtswürdiges schlechthin: lumpichte zwei Groschen (L004 Johann Christoph Adelung), lumpiges Gehalt; es ist gar keine ehre dabei, aus solch lumpigem gefängnisse auszubrechen (Freytag; L109 Moriz Heyne); von Personen im Sinne von ›gemein, niederträchtig, nichtswürdig‹ (Weise; L059 DWb): wo hier das lumpigst' hoffräulein die nase sich unterstand zu rümpfen (Heyse; L109 Moriz Heyne).
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Lumpen