Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Literatur
< lat. litteratura›Buchstabenschrift, Sprachlehre‹, auch ›Schrifttum‹ (zu littera ›Buchstabe, Handschrift‹, Plural litterae u. a. ›Schriftstück, Brief‹); zunächst im Sinne von1Wissenschaft, Gelehrsamkeit‹: Literatur, Gschrifft / kunst der gschrifft / gschrifft gelerte weiß vnd kunst (S.L261 Simon Rot 1571); im 18. Jahrhundert differenziert
1.1Gelehrsamkeit allgemein‹, wenn z. B. Poesie, Litteratur, Historie nebeneinandergestellt sind (1727; K.Weimar, Literatur, Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft, s. unten);
1.2WissenschaftsgruppeSprachen, Geschmackswissenschaften, Geschichte und Weltweisheit sind die vier Ländereien der Litteratur(1765 Herder; ebenda);
1.3Bibliographie‹ C.H.Schmid, Litteratur der Poesie 1775 (Buchtitel; ebenda); »seit etwa 1770« (K.Weimar, Literatur, Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft, s. unten) ist Literatur
2Gesamtheit der TexteWas man die Litteratur eines Volkes nennt, ist der Inbegriff der Werke, die es in seiner Sprache besizt (1773 Garve; ebenda); diese Bedeutung bleibt bis heute erhalten und wird durch Kontext und Situation, z. B. medizinische Literatur, spezifiziert; ⇓ "S127" Literatur wird zu Anfang des 19. Jahrhunderts zur »Abbreviatur« (ebenda) für
3schöne Literatur‹: Th.Heinsius, Geschichte der Deutschen Literatur oder der Sprach-, Dicht- und Redekunst der Deutschen (41829; ebenda);
Literaturgeschichte
1.1Geschichte der (National-)Literatur‹ G.H.F.Scholl und T.F.Scholl, Deutsche Literaturgeschichte in Biographien und Proben 1841 (K.Weimar, Literatur, Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft, s. unten), unspezifisch schon bei Herder (1767; L081 FWb), zugleich wird Literaturgeschichte
1.2 Bezeichnung der Wissenschaft, welche die Literaturgeschichte erforscht;
Literaturkritikdarstellende, interpretierende und wertende Betrachtung der schönen Literatur‹, neuerer Terminus, z. B.W.Milch, Literaturkritik und Literaturgeschichte L096 GRM1930,1ff.; im 20. Jahrhundert mehr eine »journalistische Gattung« (L256 2RL2,78), gebucht L337 WdG, älter und als Begriff weiter ist literarische Kritik (so als Stichwort in L255 1RL);
Literatursprache"S208"
1Sprache der schönen Literatur, der Dichtung‹, als germanistischer Terminus wohl frühes 20. Jahrhundert (L255 1RL1926), zuvor bereits L264 Daniel Sanders: »Die Sprache.. der Prosa; der Dichter; der Posse; des feinen Lustspiels; der Tragoedie«. H.Steger, Was ist eigentlich Literatursprache?, in: Freiburger Universitätsblätter 7,1982,13ff.;
2Schrift- und Hochsprache‹ (vgl. L337 WdG3,2384), Lehnübersetzung aus russisch literaturnyj jazyk, das auf franz. langue littéraire zurückgeht. Seit Anfang der 60er Jahre »offizieller« Terminus der ⇓ "S045" DDR-Germanistik, der seit den 80er Jahren zugunsten von ↑ "Standardsprache" zurückweicht: »die deutsche Literatursprache (Standardsprache)« (W.Fleischer, Wortschatz der deutschen Sprache in der DDR, 1987,15);
Literaturwissenschaft seit 1828 belegt, terminologisiert im Sinne der »Erweiterung und Umgestaltung der Literaturgeschichte durch die Momente Theorie und Interpretation« (1893 nach K.Weimar, Literatur, Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft, s. unten): Der Begriff und die Aufgabe der Literaturwissenschaft (Titel von O.Froehde; ebenda), von E.Elster (1897) aufgenommen Principien der Literaturwissenschaft (vgl. L257 3RL);
literarisch »nach einem vereinzelten Frühbeleg« (W.L244 Wolfgang Pfeifer) im 16. Jahrhundert erst im 18. Jahrhundert üblich (1759 Lessing; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); literarische Kenntnisse (1781 Musäus; L081 FWb), hier wohl nach Bedeutung(2) von Literatur (s. oben);
Literat < lat. litteratus;
1 »Ein Gschrifft glerter« (S.L261 Simon Rot 1571), sowohl ›Schriftkundiger‹ wie ›Gelehrter‹, dann
2literarisch Gebildeter‹, auch ›literarisch Tätiger‹: daß dieser als Litterat so verächtlich auf den Künstler herunter sieht (1785; L081 FWb), vielfach auch in der Form Literator (z. B. bei Goethe); seit Ruge und seinem Kampf gegen die Jungdeutschen mit »verächtlichem Nebensinn« (L081 FWb): ein zweifelhafter Charakter, ein eigentlicher Literat (1842; ebenda), dazu Literatentum (1842 J.F.Jung gegen die Jungdeutschen; L081 FWb); K.Weimar, Literatur, Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft, in: Zur Terminologie der Literaturwissenschaft 1988,9ff.
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