Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Linie
ahd. linia, linna < lat. linea ›(mit einer Schnur gezogener) gerader Strich‹ (zu lineus›aus Leinen‹).1 ›längerer gerader Strich‹: Ein Linien oder langen streich ziehen oder reissen (L200 Josua Maaler), Linien auf dem Papier (liniertes Papier), Notenlinien usw.
1.1 Vom Einhalten einer Richtung ausgehend bedeutet Linie übertragen ›Richtschnur‹ (mhd. ; Döring, in: L239 PBB(H) 100,187): politische Linie, Parteilinie, Richtlinie;
⊚ die große Linie wahren (L320 Trübner).
1.2 (Heute veraltet) Linie als Maßeinheit, gewöhnlich ›zehnter oder zwölfter Teil eines Zolles‹ (Wolff 1734; L059 DWb), allgemeiner ›kleinstes Längenmaß‹ (Wieland; ebenda).
2 Linie verstanden als ›Trennung zweier Bereiche‹, daher
2.1 ›Grenze, Begrenzung‹: Oder-Neiße-Linie (1950 von der DDR im Görlitzer Abkommen mit Polen festgelegt).
2.2 Seemannssprachlich ›Äquator‹ (1629; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), verkürzt für Äquinoctiallinie (linea aequinoctialis, eigentlich ›(gedachte) Linie, die die Erde in zwei gleiche Hälften teilt‹). Dazu Linientaufe ›Zeremonie, die vollzogen wird, wenn jmd. zum ersten Mal den Äquator passiert‹.
2.3 ⇓ "S205" Sportsprachlich ›Begrenzungsstrich‹ (L320 Trübner 1943), dazu Mittellinie, Seitenlinie, Torauslinie, Linienrichter (1903 nach engl. linesmen; Koch, in: Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 1903,172).
3 ⇓ "S130" Mathematisch ›Längenausdehnung ohne Breite und Dicke‹ (L200 Josua Maaler 1561): gerade, krumme, gebogene Linie, daher auch Wellenlinie, Zickzacklinie, Hilfslinie; in der »frühere[n] Rechentechnik« (Döring, s. oben.) zudem ›Wert (bedingt durch Anordnung, Stellung)‹, heute noch in metonymischen Übertragungen
⊚⊚ mit jmdm. auf gleicher Linie stehen ›gleichen Wert habend, gleich bewertet werden‹, auf eine (gleiche) Linie stellen ›gleich bewerten‹, in erster/ zweiter (usw.) Linie›(aus dem Wert sich ergebende) Stellung, die jmdm. / etwas zukommt‹.
4 In der Kunst, um das zeichnerische Element eines Gegenstandes oder einer Bewegung (im Gegensatz zum malerischen) auszudrücken: die mühe, alle linien aufs genaueste nach den regeln der perspective zu ziehen (Goethe; L059 DWb), dazu Linienführung (vielleicht ebenfalls hierher Lebenslinie); auch ›Umriß eines Gegenstandes‹ (L037 Petrus Dasypodius 1536): Der Adel deiner Linie ist so groß (Ch.A190 Christian Morgenstern, An meine Vase), umgangssprachlich scherzhaft auf die schlanke Linie (›Figur‹) achten (1938; L320 Trübner).
5 In der Genealogie (indem man genealogische Verhältnisse durch Linien zu veranschaulichen sucht) ›genealogische Reihe‹ (1562 Mathesius; L059 DWb): männliche, weibliche Linie eines Geschlechts, in direkter Linie von jmdm. abstammen.
6 ›regelmäßige Verbindung zweier Orte‹, z. B. durch Eisenbahnen (Heine; L059 DWb), Schiffe (1885 Bismarck; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), Busse, Flugzeuge (Linienflug); auch ›Verkehrsmittel einer bestimmten Linie‹, ⇓ "S196" seemannssprachlich bereits 1901 (L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), dazu Linienflugzeug; jüngeren Datums ist Liniefür Kurzstreckenverkehrsmittel: die Fahrerin der Linie 12(Straßenbahn, Bus, dazu Linienbus); hierher gehört neuerdings (noch nicht bei L320 Trübner 1943) Linienschiff ›im Linienverkehr eingesetztes Schiff‹, eigentlich ›für die Schlachtlinie bestimmtes Kriegsschiff‹ (1785; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), vgl. die folgende Teilbedeutung.
7 Militärisch »die Eintheilung einer in Schlachtordnung gestellten Armee« (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1793), ›Schlachtreihe‹ im Gegensatz zu Marschordnung, wohl zuerst in der Kriegsschiffahrt »die Anordnung der Schiffe hinten und neben einander« (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1782); daher auch ›die Truppen, die zunächst in die Schlacht gestellt werden‹ (Linientruppen) als Gegensatz zur ↑ "Landwehr",
⊚⊚ in vorderster Linie stehen ›(im Kampf um/ gegen etwas) mit an der Spitze/ im Vordergrund stehen‹, auf der ganzen/ auf ganzer Linie siegen ›vollkommen, völlig‹ (1936; L320 Trübner). Dazu geradlinig (L003 Johann Christoph Adelung 1775),
lin(i)ieren (Vocabularius ex quo 1469 lingeren; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) nach lat. lineare;
linientreu ⇓ "S149" (1947; L180 Heinz Küpper, Alltagssprache) ›(kritiklos) den Vorgaben einer Ideologie, Partei folgend‹, nach L337 WdG»Neuprägung« und mit negativer semantischer Komponente (»engstirnig«).
1.1 Vom Einhalten einer Richtung ausgehend bedeutet Linie übertragen ›Richtschnur‹ (mhd. ; Döring, in: L239 PBB(H) 100,187): politische Linie, Parteilinie, Richtlinie;
⊚ die große Linie wahren (L320 Trübner).
1.2 (Heute veraltet) Linie als Maßeinheit, gewöhnlich ›zehnter oder zwölfter Teil eines Zolles‹ (Wolff 1734; L059 DWb), allgemeiner ›kleinstes Längenmaß‹ (Wieland; ebenda).
2 Linie verstanden als ›Trennung zweier Bereiche‹, daher
2.1 ›Grenze, Begrenzung‹: Oder-Neiße-Linie (1950 von der DDR im Görlitzer Abkommen mit Polen festgelegt).
2.2 Seemannssprachlich ›Äquator‹ (1629; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), verkürzt für Äquinoctiallinie (linea aequinoctialis, eigentlich ›(gedachte) Linie, die die Erde in zwei gleiche Hälften teilt‹). Dazu Linientaufe ›Zeremonie, die vollzogen wird, wenn jmd. zum ersten Mal den Äquator passiert‹.
2.3 ⇓ "S205" Sportsprachlich ›Begrenzungsstrich‹ (L320 Trübner 1943), dazu Mittellinie, Seitenlinie, Torauslinie, Linienrichter (1903 nach engl. linesmen; Koch, in: Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 1903,172).
3 ⇓ "S130" Mathematisch ›Längenausdehnung ohne Breite und Dicke‹ (L200 Josua Maaler 1561): gerade, krumme, gebogene Linie, daher auch Wellenlinie, Zickzacklinie, Hilfslinie; in der »frühere[n] Rechentechnik« (Döring, s. oben.) zudem ›Wert (bedingt durch Anordnung, Stellung)‹, heute noch in metonymischen Übertragungen
⊚⊚ mit jmdm. auf gleicher Linie stehen ›gleichen Wert habend, gleich bewertet werden‹, auf eine (gleiche) Linie stellen ›gleich bewerten‹, in erster/ zweiter (usw.) Linie›(aus dem Wert sich ergebende) Stellung, die jmdm. / etwas zukommt‹.
4 In der Kunst, um das zeichnerische Element eines Gegenstandes oder einer Bewegung (im Gegensatz zum malerischen) auszudrücken: die mühe, alle linien aufs genaueste nach den regeln der perspective zu ziehen (Goethe; L059 DWb), dazu Linienführung (vielleicht ebenfalls hierher Lebenslinie); auch ›Umriß eines Gegenstandes‹ (L037 Petrus Dasypodius 1536): Der Adel deiner Linie ist so groß (Ch.A190 Christian Morgenstern, An meine Vase), umgangssprachlich scherzhaft auf die schlanke Linie (›Figur‹) achten (1938; L320 Trübner).
5 In der Genealogie (indem man genealogische Verhältnisse durch Linien zu veranschaulichen sucht) ›genealogische Reihe‹ (1562 Mathesius; L059 DWb): männliche, weibliche Linie eines Geschlechts, in direkter Linie von jmdm. abstammen.
6 ›regelmäßige Verbindung zweier Orte‹, z. B. durch Eisenbahnen (Heine; L059 DWb), Schiffe (1885 Bismarck; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), Busse, Flugzeuge (Linienflug); auch ›Verkehrsmittel einer bestimmten Linie‹, ⇓ "S196" seemannssprachlich bereits 1901 (L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), dazu Linienflugzeug; jüngeren Datums ist Liniefür Kurzstreckenverkehrsmittel: die Fahrerin der Linie 12(Straßenbahn, Bus, dazu Linienbus); hierher gehört neuerdings (noch nicht bei L320 Trübner 1943) Linienschiff ›im Linienverkehr eingesetztes Schiff‹, eigentlich ›für die Schlachtlinie bestimmtes Kriegsschiff‹ (1785; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), vgl. die folgende Teilbedeutung.
7 Militärisch »die Eintheilung einer in Schlachtordnung gestellten Armee« (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1793), ›Schlachtreihe‹ im Gegensatz zu Marschordnung, wohl zuerst in der Kriegsschiffahrt »die Anordnung der Schiffe hinten und neben einander« (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1782); daher auch ›die Truppen, die zunächst in die Schlacht gestellt werden‹ (Linientruppen) als Gegensatz zur ↑ "Landwehr",
⊚⊚ in vorderster Linie stehen ›(im Kampf um/ gegen etwas) mit an der Spitze/ im Vordergrund stehen‹, auf der ganzen/ auf ganzer Linie siegen ›vollkommen, völlig‹ (1936; L320 Trübner). Dazu geradlinig (L003 Johann Christoph Adelung 1775),
lin(i)ieren (Vocabularius ex quo 1469 lingeren; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) nach lat. lineare;
linientreu ⇓ "S149" (1947; L180 Heinz Küpper, Alltagssprache) ›(kritiklos) den Vorgaben einer Ideologie, Partei folgend‹, nach L337 WdG»Neuprägung« und mit negativer semantischer Komponente (»engstirnig«).