Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
leid
betrübend‹, ahd. leid, mhd. leit (leider), altgermanisch (engl. loath›feindlich‹), urverwandt griech. aleítes ›Frevler‹, altirisch li(u)s ›Abscheu‹, tochar. lit-k ›abgeneigt sein‹. Über die Beziehung zu ↑ "leiden" siehe dort. Es war früher als Adjektiv in ausgedehntem Gebrauch als Gegensatz zu ↑ "lieb" (dies im Sinne von ›angenehm‹). Altertümelnd sagt Simrock die leiden (›verhaßten‹) Männer, oberdeutsch mundartlich gilt leides Wetter, leider Weg u.dgl. Die Schriftsprache hat nur noch bestimmte Verbindungen, in denen das Adverb (mhd. leide) zugrunde liegt: mir ist (wird) leid, nur auf Handlungen bezogen, die durch einen Satz, ein Verbalsubstantivum oder ein Pronomen ausgedrückt sein können, in der Regel nur auf etwas, was man selbst getan oder wozu man Veranlassung gegeben hat, vgl. es ist mir leid, daß ich es ihm gesagt habe; aber auch einer Sache, jmds. leid sein; jetzt ungewöhnlich ist es ist mir leid um dich (Luther). Ausgedehntere Anwendung hat noch leid tun, vgl. du tust mir leidich bedaure dich‹, ↑ "verleiden".Leid ohne Plural, alte Substantivierung des Adjektivs (ahd. ), hat besser als dieses die ursprüngliche Verwendung bewahrt; F.Maurer, Leid 1951. Neben die alte gegensätzliche Verbindung Lieb und Leid (mhd. ; L320 Trübner) hat sich die jüngere Freud' und Leid gestellt. In jmdm. etwas zuleide tun wird das Wort, wie die Schreibung zeigt, nicht mehr als Substantiv empfunden. Häufig, seit dem 19. Jahrhundert allerdings seltener geworden, ist der Gebrauch der Genitivform Leid(e)s anstelle des Nominativs-Akkusativs, vgl. jmdm. ein Leids tun (nach viel Leids u.dgl.). In manchen Fällen läßt sich Leides auch als flektierter Nominativ-Akkusativ des Adjektivs auffassen, und das Sprachgefühl schwankt: wie wir Liebs und Leids zusammen trugen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Götz 1,11), um Liebes und Leides niemand ein Wörtchen zu sagen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Reineke Fuchs 5,43). Sich ein Leid (veraltet Leids) antunsich das Leben nehmen‹ (1659 Butschky; L059 DWb). In der älteren Sprache und noch oberdeutsch hat Leid auch die besondere Beziehung auf die Trauer um einen Verstorbenen (vgl. Leidmantel, Leidtracht, Leidkleid A180 Martin Luther, 2.Samuel 14,2), ist mitunter geradezu ›Trauerkleidung‹: noch auch im Leide gehen (Opitz), vgl. die Leidtragenden. Im Süddeutschen die Wendung zu Leidabsichtlich‹ (↑ "Absicht"; vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–37). Heute oft in bezug auf den seelischen Schmerz: jmdm. sein Leid klagen (bei körperlichem Schmerz Leiden, ↑ "leiden"); dazu
⊚⊚ sein Leid in sich hineinfressen (nach Luther; L027 Büchmann), geteiltes Leid ist halbes Leid (bei L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander 1873 noch geklagtes Leid ist halbes Leid).
Leidwesen (1601 Albertinus; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), nur noch in der Fügung zu jmds. Leidwesenzu jmds. Bedauern, Kummer‹; ↑ "Wesen".
leider eigentlich Komparativ des Adverbs, schon althochdeutsch in der heutigen Bedeutung ›bedauerlicherweise‹. Früher öfter satzbildend wie "vielleicht", vgl. leider, daß alles Wünschenswerte sich nur in Zwischenräumen wiederholt (Goethe, Briefe). Mit auffallendem Genitiv leider Gottes (L308 Kaspar Stieler 1691), vielleicht aus der Beteuerung (beim) Leiden Gottes (Andresen, in: L355 ZDA30,417; L175 Friedrich Kluge/ L175 Elmar Seebold; W.L244 Wolfgang Pfeifer).
leidig ahd. leidig, leidag, mhd. leidec, leidic, zu Leid(s. oben) ›Unannehmlichkeiten verursachend, lästig‹, in der neueren Sprache mit abgeschwächtem Sinn; frühneuhochdeutsch auch ›in Leid befindlich‹. Dazu ↑ "beleidigen".
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