Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Leiche
ahd. lih, mhd. lich, altgermanisch;1Körper, Körpergestalt‹; diese Bedeutung liegt zugrunde in Leichdorn (s. unten), ferner in ⇑ "gleich", -{{link}}lich{{/link}}, "jeglicher", "solch", "welch", vgl. auch Leichnam (s. unten); noch 1642 (L059 DWb) war die Zusammensetzung todtenleiche nicht tautologisch;
2 Daneben bereits althochdeutsch (L059 DWb) ›toter menschlicher Körper‹; diese Bedeutung setzt sich neuhochdeutsch (L320 Trübner) durch. Übertragen
⊚⊚ über Leichen gehenrücksichtslos eigene Ziele verfolgen‹ (L337 WdG); nur über meine Leiche als Ausdruck entschiedener Ablehnung; übertragen: Der seinen Freund in voller Blüthe der Jugend verließ und ihn jetzt einer wandelnden Leiche gleich wiederfindet(Schiller; L264 Daniel Sanders), blaß wie eine Leiche (s. unten leichenblaß). Literarisch Leiche auch für tote Tiere (leiche eines pferdes Freytag; L059 DWb) und Pflanzen.
3 »Einen zu der begrabnuß leyten« (L200 Josua Maaler, L037 Petrus Dasypodius: Leuch), auch für die damit verbundene Feier; jetzt süddeutsch/ österreichisch veraltend (s. unten Leichenbitter, Leichenbittermiene).
4"S054" Druckersprachlich ›beim Setzen eines Textes versehentlich ausgelassene Wörter oder Sätze‹ (L144 Johann Karl Gottfried Jacobsson 1782).
Leichdorn ahd. lihthorn, mhd. lichdorn, ⇓ "S242" eigentlich ›Dorn im Körper‹ (s. oben Leiche[1]), Plural Leichdorne, Leichdörner; ⇓ "S150""S137" niederdeutsch/ mitteldeutsch ›Hühnerauge‹: ich fühle den schmerzhaftesten eindruck, wenn mich mein leichdorn peinigt, am ende meiner zehen (I.Kant; L059 DWb).
Leichenbitter (Duez 1664; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›der zu einem Begräbnis bittet, einlädt‹ (s. oben Leiche[3]), jetzt veraltend, dazu
Leichenbittermiene (bei A222 Friedrich Schiller, Fiesko 1,7 noch mit Fugen-s; L059 DWb), eigentlich ›trauriges, verzweifeltes Gesicht (wie es ein Leichenbitter zeigt)‹, jetzt eher ironisch (L320 Trübner 1943).
leichenblaß (Göckingk; L059 DWb) meist von Lebenden (da wird denn das Fräulein leichenblaß aufschreien A082 Christian Dietrich Grabbe, Scherz 1,1), während das Substantiv Leichenblässe nur von Sterbenden oder Toten gebraucht wird (vgl. L097 GWb).
Leichenrede (L308 Kaspar Stieler 1691) eh du mir sollst die leichenrede halten, / wahrhaftig, lieber sterb ich nicht (Lessing; L059 DWb), übertragen ›über etwas reden und jammern, was nicht mehr zu ändern ist‹ (L019 Wilhelm Borchardt), daher auch
halte keine Leichenrede (L097 GWb); bei Skatspielern LeichenredeKommentierung eines Spiels (v. a. von seiten der Verlierer), das vorbei ist‹ (L019 Wilhelm Borchardt).
Leichnam starkes Mask. , ›toter menschlicher Körper‹, ahd. lih(i)namo, mhd. lichname, Nebenform zu der noch im Mittelhochdeutschen vorwiegenden Form lichame (ahd. lihhamo) schwaches Mask. , zusammengesetzt aus lich(s. oben Leiche) und hameGewand‹ (dazu ↑ "Hemd"). Es war ursprünglich wohl eine Kenning, d. h. eine poetische Umschreibung (›Leibeshülle‹) und bezeichnete früher wie Leicheauch den lebenden Körper, für den es jetzt nur noch ironisch gebraucht werden kann (Wieland; L059 DWb). Vgl. ↑ "Fronleichnam".
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