Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
laufen
ahd. (h)loufan, mhd. loufen, gemeingermanisches starkes Verb (got. hlaupan, engl. leap; ursprünglich wohl ›[im Kreis] hüpfen, tanzen‹); Partizip früher auch geloffen, noch bei Wieland, vereinzelt bei A075 Johann Wolfgang von Goethe: Mir steht das Feld der Weisheit offen, / Wäre gern so grade zu geloffen(Urfaust 327, 1,39,232); mittelhochdeutsch und mundartlich unumgelautete 3.Person Präsens er lauft (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 12.4.82 und öfter).1 Wie ↑ "gehen" bezeichnet es zunächst eine mit den Beinen ausgeführte Bewegung (umgangssprachlich auch synonym; vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–11). Die Vorstellung der Schnelligkeit (meist langsamer als ↑ "rennen", umgangssprachlich aber auch synonym), die in der Schriftsprache mit laufen verknüpft ist, ist südwestdeutsch und fränkisch geschwunden, so daß man auch spazieren laufen sagt, während schriftsprachliches laufen durch ↑ "springen" vertreten wird (vgl. L171 Paul Kretschmer 97); landschaftlich synonym alemann. "sauen" und ostmitteldt. "rammeln" (vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte3–12). Ursprünglich norddeutsch, jetzt allgemein umgangssprachlich das Kind kann schon laufen; auch sonst laufen ›gehen‹, wenn es im Gegensatz zu ↑ "fahren" oder ↑ "reiten" gestellt wird. Mit einem Akkusativ steht laufenin bestimmten Wendungen: Schlittschuh laufen, Spießruten laufen. Übertragen Sturm laufen, Gefahr laufen, ins Verderben laufen, etwas laufen lassen ›sich nicht darum kümmern‹ usw.; jmdn. laufen lassen ›jmdn. nicht festhalten‹, auch ›sich nicht mehr um jmdn. kümmern‹ (alle L320 Trübner). In speziellem Sinn früher auch von der Unruhe der Tiere in der Brunstzeit: Der Hund leuft (L308 Kaspar Stieler; dazu "läufig", s. unten). Umgangssprachlich
⊚ sich vollaufen lassen ›sich betrinken‹.
2 Wie ↑ "gehen" wurde laufen auf mannigfache andere Bewegungen übertragen: Finger laufen über die Saiten, das Auge läuft über die Zeilen, die Feder läuft über das Papier, die Erde läuft um die Sonne; ein Wagen, ein Schiff, der Wind, die Flamme, eine Nachricht, die Verhandlung, die Vorstellung, der Film, der Motor, die Frist, der Zeiger, der Antrag, die Produktion, der Wechsel läuft usw.
3 Besonders ist laufenüblich von Flüssigkeiten, wobei die Vorstellung der Schnelligkeit nicht mit hineinzuspielen braucht. Dabei kann zu laufen eine andere Art von Subjekt treten: die Kanne, das Faß läuft (wenn die darin befindliche Flüssigkeit herausfließt); ferner das Faß läuft voll, leer.
4 laufen bezeichnet bei in Ruhe befindlichen Gegenständen die Erstreckung, insofern sie durch eine Bewegung (unter Umständen nur des Auges) erkannt wird: die Straße läuft durch das Dorf, die Linie läuft krumm oder gerade, die Grenze läuft zwischen diesen beiden Orten hin (jetzt "verlaufen"), mit einem querlaufenden (Stoff-)Muster.
5 laufen wird auf die Zeit und das in ihr Geschehende übertragen: ein Jahr ist dahingelaufen, wie wird die Sache laufen?, es läuft darauf hinaus, das laufende Jahr (›Jahr, in dem man sich befindet‹, vgl. anno currente); auch die laufenden Geschäfte, die laufenden Welthändel (Goethe), das Laufende wegzuarbeiten (Goethe), sich auf dem Laufenden halten, auf dem Laufenden bleiben (franz. au courant). Umgangssprachlich (ursprünglich wohl kaufmannssprachlich) mit Entwicklung zu ›ständig, pausenlos‹: laufend liefern (nach laufende Lieferung), laufend erscheinen neue Modelle. Entsprechend ⇑ "ablaufen", "verlaufen".
Laufahd. (h)louf, mhd. louf, entspricht als Vorgangsbezeichnung den verschiedenen Verwendungsweisen von laufen (s. oben). Von den besonderen Anwendungen des Substantivs sind zu nennen: einer Sache ihren (freien) Lauf lassen; im Laufe des Tages, des Gespräches usw.; das ist der Lauf der Welt, das ist der Lauf der Natur. Läufe bezeichnet frühneuhochdeutsch eine Gruppe von zusammenhängenden Ereignissen wie noch jetzt Zeitläufe (auch gehoben, veraltend Zeitläufte zu ahd. louft). In der ⇓ "S141" Musik meint Lauf eine Folge eng verbundener Töne. Laufbezeichnet auch den umschlossenen Raum, in dem etwas läuft, so in Lauf eines Flusses, eines Geschützes. Ferner das Werkzeug zum Laufen im Sinne von ⇓ "S100" ›Fuß des Wildes‹ (Vorderlauf, Hinterlauf).
Laufbahn im eigentlichen Sinn
1 ›Bahn, Richtung, in der gelaufen wird‹ bei Duez 1642 (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), so noch heute in der Leichtathletik ›abgegrenzte Strecke für Laufwettkämpfe‹ (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741); astronomisch
2 »gesetzmäßige Bewegung frei beweglicher Körper« (L097 GWb);
3 übertragen für franz. carrière (↑ "Karriere") bei L003 Johann Christoph Adelung 1777; wenn man keine academische laufbahn laufen will (Fichte; L059 DWb), er hatte seine Laufbahn als literarischer Bohemien begonnen(K.Mann; L097 GWb).
Laufbursche (L264 Daniel Sanders) ›junger Bote‹ (L033 Joachim Heinrich Campe hat Laufjunge): ich bin… Verkäufer… eher schon Laufbursche im Warenhaus (A149 Franz Kafka, Der Verschollene 347); veraltend, pejorativ: Ich bin doch nicht dein Laufbursche! ›zur Abwehr niederer Tätigkeit‹.
Lauffeuer
1 (1617; L320 Trübner) ⇓ "S136" »das einen großen Raum schnell durchlaufende Feuer des in eine lange Linie gestreuten Schießpulvers« L033 Joachim Heinrich Campe (für eine Fernzündung);
2 (1757; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›Abfeuern der Gewehre auf einer Linie, wobei von einem Flügel zum anderen einer nach dem andern schießt‹; übertragen (Jean Paul; L059 DWb): die Kunde davon verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt.
Laufpaß (↑ "Paß"[3]), ⇓ "S136" eigentlich ›Paß, der Soldaten bei der Entlassung aus dem Dienst mitgegeben wurde‹ (1777/ 80; L320 Trübner), synonym früher Laufzettel (s. unten), jetzt nur noch ⇓ "S027" übertragen:
⊚ jmdm. den Laufpaß geben ›jmdn. fortschicken, fortjagen‹ (1790; L320 Trübner).
Laufschritt (im Gegensatz zu ⇑ 1"Gang", 1"Marsch") L109 Moriz Heyne 21906 ⇓ "S136" militärisch: das kommando heiszt, wenn im takt gelaufen werden soll: laufschritt –marsch! marsch!
Laufwerk (L033 Joachim Heinrich Campe) ›Antrieb bei Maschinen und Geräten‹, ursprünglich ›Räderwerk einer Uhr‹; auch übertragen ›Beine‹ (wohl ⇓ "S202" soldatensprachlich im 2. Weltkrieg; L177 Heinz Küpper).
Laufzettel (1696; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) zunächst wie jüngeres Laufpaß (s. oben) bis Anfang des 19. Jahrhunderts (vgl. L059 DWb), jetzt nur noch ›ein bei verschiedenen Dienststellen umlaufendes Schreiben‹ (ursprünglich nur im Post- und Eisenbahnwesen; Goethe; L059 DWb).
Läufer ahd. (h)loufari, mhd. loufære, oberdt. Laufer, eigentlich ›laufender Bote‹; in mannigfacher Verwendung: im Schachspiel für eine bestimmte Figur (1664; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); in der ⇓ "S141" Musik ›schnelle Folge von Tönen‹ (1781; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); auch für einen länglichen Teppich, über den man laufen, gehen soll (1871; L059 DWb); landwirtschaftlich ›junges nicht mehr saugendes Schwein‹ (1731; L059 DWb), dafür oberdt. läuffel bereits im 16. Jahrhundert (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); als Zusammensetzung ↑ "Selbstläufer";
läufig
1 eigentlich allgemein ›zum Laufen geneigt‹ (behend und läufig wie ein kuh auf dem nuszbaum Sprichwort zur Zeit Luthers; L059 DWb), dann auch ›einen gewissen Lauf habend‹ (L004 Johann Christoph Adelung), heute nur noch in den Zusammensetzungen (und hier schon uneigentlich verwendet) ⇑ "beiläufig", "vorläufig", "weitläufig";
2 an die eigentliche Bedeutung anknüpfend von Tieren, besonders von Hunden ›brünstig‹ (Ende des 15. Jahrhunderts; L059 DWb);
3 veraltet ›häufig vorkommend, üblich‹ (noch in ↑ "geläufig"; vgl. Lauf der Zeit, Lauf der Welt): Hauptbuch der läufigen Worte (Leibniz), die läufigen Anmerkungen unserer heutigen philosophischen Ökonomen (Möser), allgemein in "landläufig".
⊚ sich vollaufen lassen ›sich betrinken‹.
2 Wie ↑ "gehen" wurde laufen auf mannigfache andere Bewegungen übertragen: Finger laufen über die Saiten, das Auge läuft über die Zeilen, die Feder läuft über das Papier, die Erde läuft um die Sonne; ein Wagen, ein Schiff, der Wind, die Flamme, eine Nachricht, die Verhandlung, die Vorstellung, der Film, der Motor, die Frist, der Zeiger, der Antrag, die Produktion, der Wechsel läuft usw.
3 Besonders ist laufenüblich von Flüssigkeiten, wobei die Vorstellung der Schnelligkeit nicht mit hineinzuspielen braucht. Dabei kann zu laufen eine andere Art von Subjekt treten: die Kanne, das Faß läuft (wenn die darin befindliche Flüssigkeit herausfließt); ferner das Faß läuft voll, leer.
4 laufen bezeichnet bei in Ruhe befindlichen Gegenständen die Erstreckung, insofern sie durch eine Bewegung (unter Umständen nur des Auges) erkannt wird: die Straße läuft durch das Dorf, die Linie läuft krumm oder gerade, die Grenze läuft zwischen diesen beiden Orten hin (jetzt "verlaufen"), mit einem querlaufenden (Stoff-)Muster.
5 laufen wird auf die Zeit und das in ihr Geschehende übertragen: ein Jahr ist dahingelaufen, wie wird die Sache laufen?, es läuft darauf hinaus, das laufende Jahr (›Jahr, in dem man sich befindet‹, vgl. anno currente); auch die laufenden Geschäfte, die laufenden Welthändel (Goethe), das Laufende wegzuarbeiten (Goethe), sich auf dem Laufenden halten, auf dem Laufenden bleiben (franz. au courant). Umgangssprachlich (ursprünglich wohl kaufmannssprachlich) mit Entwicklung zu ›ständig, pausenlos‹: laufend liefern (nach laufende Lieferung), laufend erscheinen neue Modelle. Entsprechend ⇑ "ablaufen", "verlaufen".
Laufahd. (h)louf, mhd. louf, entspricht als Vorgangsbezeichnung den verschiedenen Verwendungsweisen von laufen (s. oben). Von den besonderen Anwendungen des Substantivs sind zu nennen: einer Sache ihren (freien) Lauf lassen; im Laufe des Tages, des Gespräches usw.; das ist der Lauf der Welt, das ist der Lauf der Natur. Läufe bezeichnet frühneuhochdeutsch eine Gruppe von zusammenhängenden Ereignissen wie noch jetzt Zeitläufe (auch gehoben, veraltend Zeitläufte zu ahd. louft). In der ⇓ "S141" Musik meint Lauf eine Folge eng verbundener Töne. Laufbezeichnet auch den umschlossenen Raum, in dem etwas läuft, so in Lauf eines Flusses, eines Geschützes. Ferner das Werkzeug zum Laufen im Sinne von ⇓ "S100" ›Fuß des Wildes‹ (Vorderlauf, Hinterlauf).
Laufbahn im eigentlichen Sinn
1 ›Bahn, Richtung, in der gelaufen wird‹ bei Duez 1642 (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), so noch heute in der Leichtathletik ›abgegrenzte Strecke für Laufwettkämpfe‹ (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741); astronomisch
2 »gesetzmäßige Bewegung frei beweglicher Körper« (L097 GWb);
3 übertragen für franz. carrière (↑ "Karriere") bei L003 Johann Christoph Adelung 1777; wenn man keine academische laufbahn laufen will (Fichte; L059 DWb), er hatte seine Laufbahn als literarischer Bohemien begonnen(K.Mann; L097 GWb).
Laufbursche (L264 Daniel Sanders) ›junger Bote‹ (L033 Joachim Heinrich Campe hat Laufjunge): ich bin… Verkäufer… eher schon Laufbursche im Warenhaus (A149 Franz Kafka, Der Verschollene 347); veraltend, pejorativ: Ich bin doch nicht dein Laufbursche! ›zur Abwehr niederer Tätigkeit‹.
Lauffeuer
1 (1617; L320 Trübner) ⇓ "S136" »das einen großen Raum schnell durchlaufende Feuer des in eine lange Linie gestreuten Schießpulvers« L033 Joachim Heinrich Campe (für eine Fernzündung);
2 (1757; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›Abfeuern der Gewehre auf einer Linie, wobei von einem Flügel zum anderen einer nach dem andern schießt‹; übertragen (Jean Paul; L059 DWb): die Kunde davon verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt.
Laufpaß (↑ "Paß"[3]), ⇓ "S136" eigentlich ›Paß, der Soldaten bei der Entlassung aus dem Dienst mitgegeben wurde‹ (1777/ 80; L320 Trübner), synonym früher Laufzettel (s. unten), jetzt nur noch ⇓ "S027" übertragen:
⊚ jmdm. den Laufpaß geben ›jmdn. fortschicken, fortjagen‹ (1790; L320 Trübner).
Laufschritt (im Gegensatz zu ⇑ 1"Gang", 1"Marsch") L109 Moriz Heyne 21906 ⇓ "S136" militärisch: das kommando heiszt, wenn im takt gelaufen werden soll: laufschritt –marsch! marsch!
Laufwerk (L033 Joachim Heinrich Campe) ›Antrieb bei Maschinen und Geräten‹, ursprünglich ›Räderwerk einer Uhr‹; auch übertragen ›Beine‹ (wohl ⇓ "S202" soldatensprachlich im 2. Weltkrieg; L177 Heinz Küpper).
Laufzettel (1696; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) zunächst wie jüngeres Laufpaß (s. oben) bis Anfang des 19. Jahrhunderts (vgl. L059 DWb), jetzt nur noch ›ein bei verschiedenen Dienststellen umlaufendes Schreiben‹ (ursprünglich nur im Post- und Eisenbahnwesen; Goethe; L059 DWb).
Läufer ahd. (h)loufari, mhd. loufære, oberdt. Laufer, eigentlich ›laufender Bote‹; in mannigfacher Verwendung: im Schachspiel für eine bestimmte Figur (1664; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); in der ⇓ "S141" Musik ›schnelle Folge von Tönen‹ (1781; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); auch für einen länglichen Teppich, über den man laufen, gehen soll (1871; L059 DWb); landwirtschaftlich ›junges nicht mehr saugendes Schwein‹ (1731; L059 DWb), dafür oberdt. läuffel bereits im 16. Jahrhundert (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); als Zusammensetzung ↑ "Selbstläufer";
läufig
1 eigentlich allgemein ›zum Laufen geneigt‹ (behend und läufig wie ein kuh auf dem nuszbaum Sprichwort zur Zeit Luthers; L059 DWb), dann auch ›einen gewissen Lauf habend‹ (L004 Johann Christoph Adelung), heute nur noch in den Zusammensetzungen (und hier schon uneigentlich verwendet) ⇑ "beiläufig", "vorläufig", "weitläufig";
2 an die eigentliche Bedeutung anknüpfend von Tieren, besonders von Hunden ›brünstig‹ (Ende des 15. Jahrhunderts; L059 DWb);
3 veraltet ›häufig vorkommend, üblich‹ (noch in ↑ "geläufig"; vgl. Lauf der Zeit, Lauf der Welt): Hauptbuch der läufigen Worte (Leibniz), die läufigen Anmerkungen unserer heutigen philosophischen Ökonomen (Möser), allgemein in "landläufig".