Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
lassen
ahd. lazan, mhd. lazen, lan, gemeingermanisches starkes Verb (engl. let, got. letan), verwandt mit ↑ "laß". Ursprünglich bezeichnete lasseneinen Zustand der Untätigkeit, des Nichtfesthaltens eines Gegenstandes, das Nichtverhindern einer Bewegung oder eines Vorgangs. Doch hat sich die Bedeutung auf mehrfache Art so gewandelt, daß es auch zur Bezeichnung einer positiven Tätigkeit geworden ist.1 Mit dem bloßen Akkusativ des Nomens war lassenfrüher häufiger, so
1.1 ›nicht verhindern, daß sich etwas von einem entfernt, von einem genommen wird‹; veraltet Tränen, einen Seufzer lassen u.dgl., jetzt noch umgangssprachlich und derb
⊚⊚ einen lassen »eine Blähung [hörbar] abgehen lassen« (L097 GWb; schon Droysen; L264 Daniel Sanders); allgemein Haare lassen (müssen), übertragen ›empfindlichen Verlust erleiden‹ (L264 Daniel Sanders); da haben sie mir Blut gelassen (›abgenommen‹) (Goethe); Blut ist als Objekt auch zu ergänzen in jmdn. zur Ader lassen, in der in ihrem Ursprung nicht mehr verstandenen Wendung wird darum auch Ader Objekt: Man ließ ihm zum Überfluß eine Ader am Arme (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,19,190,17); allgemein das Leben lassen; Er gar demütig die Worte lies (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Der ewige Jude 238); klein Roland läßt den Becher nicht (Uhland); ich las dich nicht / du segenest mich denn (A180 Martin Luther, 1.Mose 32,26); jetzt veraltet der Kaufmann läßt eine Ware um 2 Mark ›verkauft sie für 2 Mark‹.
1.2 ›etwas/ jmdn. zurücklassen, nicht mitnehmen‹: Innsbruck, ich muß dich lassen, früher häufig so, (jetzt und schon bei Luther ↑ "verlassen"; L320 Trübner); bei Dichtern auch noch in neuerer Zeit: ich seh' ihm freudiger entgegen, als ich ihn ließ (Goethe), er ließ die Versammlung (Klopstock); von Sterbenden wie jetzt hinterlassen (1700, das Partizip hintergelassen aber schon 1508; L059 DWb): wenn jemandes Bruder stirbt und läßt ein Weib und läßt keine Kinder (Luther). Damit zunächst verwandt ist
1.3 ›ablassen von einer Tätigkeit, etwas nicht weiterhin tun‹: laß das Rauchen, laß mich (in Ruhe, Frieden usw.); Addi ließ einfach nicht locker(A208 Ulrich Plenzdorf, Leiden 100); vgl. etwas bleibenlassen. Verschieden davon ist
1.4 ›nicht unternehmen‹: es ist besser, wenn du das läßt, etwas gut/ dahingestellt sein lassenusw. (L264 Daniel Sanders); unser Tun und Lassen; vgl. etwas "unterlassen". lassen oft auch
1.5 ›etwas in seinem Zustand lassen‹ (dafür jetzt oft belassen): man… verändert vielleicht was man lassen sollte, läßt was man verändern sollte (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,20,33); Der Einfachheit halber haben wir den Untergrund gleich so gelassen (Bieler; L097 GWb); zuweilen dabei Subjekt und Prädikat das gleiche Wort zur Bezeichnung der völligen Gleichgültigkeit: So ließ ich das Bild Bild sein(Gutzkow; L264 Daniel Sanders). Ungewöhnlich
1.6 lassenmit nominalem Objekt im Sinne von ›zulassen‹: Ihr ließet es doch im Anfange(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Egmont 1,3).
1.7 (wohl zu [1.2]) ›aufbewahrt halten‹: wo läßt du dein Korn?, wo kann ich meinen Mantel lassen?; dazu ↑ "Gelaß"; hierher wohl auch übertragen ich weiß mich nicht zu lassen vor Freude o.ä. (L264 Daniel Sanders).
2 Mit Akkusativ und Dativ ist lassen ›nicht nehmen‹: ich ließ ihr das Geld; übertragen: und läßt ihn seiner Pein(Goethe). Ferner jmdm. die Herrschaft, den Sieg, die Möglichkeit, Zeit, Raum, Freiheit, Ruhe lassen, einer Sache ihren Gang, Lauf lassen; man muß es ihr lassen (›kann es nicht abstreiten‹), daß sie sehr geschickt ist, daß sie alles getan hat u.dgl. Seltener ›in den Besitz eines andern gelangen lassen‹: er ließ ihm das Haus ›verkaufte es ihm‹, vgl. "ablassen"; so auch im Sinne des gewöhnlichen hinterlassen wie (1.2): er ließ den Ring von seinen Söhnen dem geliebtesten (Lessing). Verwandt ist auch eine Wendung wie da sie die Anker aufgehuben, ließen sie sich dem Meer (Luther).
3 Sehr häufig ist lassen mit Akkusativ und prädikativer Bestimmung desselben. Als solche steht ein Adjektiv oder ein entsprechend funktionierendes Adverb: allein lassen, übriglassen, die Tür offen lassen, auflassen, zulassen, Raum freilassen, ich lasse es so, laß alles wie es ist; so gebraucht man passivische Partizipien mit un-zusammengesetzt: ungeschoren, ungestraft, unerörtert, ununtersucht lassen usw. Nicht allgemein üblich sind reflexive Wendungen wie laß dich über das unbekümmert (Tieck), laß dich nur unbesorgt um meine Schwester (Holtei). Noch häufiger stehen Ortsbestimmungen prädikativ: in Berlin, zu Hause, auf der Straße, zur Rechten, beiseite, hinter sich, dort, draußenlassen usw. Desgleichen aus den Ortsbestimmungen erwachsene Zustandsbezeichnungen: in Frieden, zufrieden, in Ruhe, im Irrtum, im Stich, bei einer Meinung, alles beim alten, aus dem Spiel lassen, vgl. noch laß unsern Herr Gott aus dem Spaß (Goethe). Ebenso Richtungsbezeichnungen: aus den Händen, vom Stapel, von sich, hinaus, in das Haus, auf die Straße, nach Hause, zu sich, vor sich, hinein-, hinauf-, weglassen usw. In loslassen, freilassen haben wir den Umschlag zur Bezeichnung positiver Tätigkeit, indem darin die absichtliche Beseitigung eines Hindernisses liegt. Desgleichen z. B. in jmdn. hereinlassen, wenn etwa dazu eine Tür geöffnet werden muß usw. Auch in den reflexiven Verbindungen liegt meistens etwas Positives, vgl. sich niederlassen, herunterlassen, "herablassen" (letzteres auch übertragen); sich zu etwas herbeilassen; sie ließ sich mit ihr nicht ins Wort (Lessing).
4 Als Objekt zu lassenkann ein Infinitiv stehen: laß sehen, leben und leben lassen (↑ "leben"[2]). Gewöhnlich steht neben dem Infinitiv noch ein nominales Objekt, das dann logisch als Subjekt des Infinitivs erscheint: laß die Leute reden. Bei dieser Konstruktion geschah häufig der Übergang zur Bezeichnung einer positiven Tätigkeit, der Übergang von ›zulassen‹ zu ›veranlassen, bewirken‹: der Anführer ließ zum Aufbruch blasen. Der Übergang hat sich wohl zunächst in solchen Fällen vollzogen, wo das im Infinitiv stehende Verb einen nicht auf einem Willensakt beruhenden Vorgang bezeichnet: er ließ die Schlüssel fallen (unabsichtlich oder absichtlich). Heute ist lassen›bewirken‹ sehr häufig, da die früher hierfür zur Verfügung stehenden Verben tun und machen in dieser Verwendung außer Gebrauch gekommen sind. Dabei sind noch verschiedene Besonderheiten zu bemerken. Manche Verbindungen mit lassen nähern sich der Natur eines einfachen Wortes und haben ihre besondere Bedeutungsentwicklung gehabt, z. B. seinlassen ›mit etwas aufhören‹, bleibenlassen ›nicht tun‹, fahrenlassen, fallenlassen, steckenlassen, wissen, merken lassen, sich gehen lassen. Neben sein und werden steht ein prädikatives Adjektiv oder Substantiv (laß gut sein), wo der Kasus erkennbar wird, im Akkusativ: er läßt Gott einen guten Mann sein (L264 Daniel Sanders); doch kommt zuweilen auch der Nominativ vor: lassen Sie den Grafen dieser Gesandte sein (Lessing), der diese Konstruktion als die richtige vertritt (vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 2,323). Von dem Infinitiv eines transitiven Verbs kann ein Objekt abhängen: er ließ seine Abhängigkeit fühlen, laß ihn sich beruhigen. Im 18. Jahrhundert werden die beiden Akkusative nebeneinander gewöhnlich vermieden, und statt des von lassenabhängigen Akkusativs wird der Dativ gesetzt, wohl nicht ohne französischen Einfluß: diese Aufschrift wird Ihnen den Inhalt ungefähr erraten lassen (Lessing), wo man's so nach und nach den Leuten sehen läßt (Goethe); auch später noch er möchte dem Junker wenigstens wissen lassen (H. v.Kleist), lassen Sie mir wissen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 9.6.31 u.ö.) (Nicht hierher gehört ich lasse mir nichts merken, wo mir›an mir‹ ist, wobei aber die umgekehrte Verwechslung vorkommt: ich lasse mich es nicht merken A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 13.9.83.) Der Dativ steht auch, wenn das Objekt zu dem Infinitiv ein Satz ist: er ließ ihnen wissen, daß er morgen früh Dehly verlasse (Wieland), wenn Sie mir wissen lassen(Lessing). Ein Akkusativ kann von dem Infinitiv abhängig sein, ohne daß gleichzeitig ein zweiter (bzw. ein ihn vertretender Dativ) daneben steht, der von lassen abhängig ist: er ließ eine Brücke schlagen. Es ist unrichtig (durch die Rücksicht auf lateinische Konstruktion veranlaßt), hier den Infinitiv als passivisch und den Akkusativ als von lassen abhängig zu fassen, aber es hat doch im Sprachgefühl z. T. eine Umdeutung nach dieser Richtung hin stattgefunden. Man sagt daher nach Analogie der Konstruktion des Passivs er hat von den Soldaten (durch die Soldaten) eine Brücke schlagen lassen(neben die Soldaten eine Brücke); häufig auch reflexiv: er läßt sich von niemandem irre machen. Nicht persönliches Subjekt steht mit reflexivem Akkusativ in Wendungen wie das läßt sich hören ›ist anhörbar‹: ein Geräusch läßt sich hören ›vernehmen‹, ein Komet läßt sich sehen, der Wein läßt sich trinken u.dgl. Der 2.Plural Imperativ steht mit dem ersten Plural als Objekt: laßt uns aufbrechen ›brechen wir auf‹ (diese letzte einfachere Konstruktion ist vor der ersten, schon bei Luther üblichen zurückgewichen, dann im 18. Jahrhundert vom Oberdeutschen aus aber wieder etwas üblicher geworden). Eine Aufforderung mit lassen dient auch zur Einführung einer Annahme, so daß sie die Stelle eines hypothetischen Vordersatzes vertritt: laß mich nur einen großen Mann werden, so sollst du mein Verwalter sein(Schiller). Zu bemerken ist noch, daß, wo lassen mit einem Infinitiv verbunden ist, statt des Partizips Prät. der Infinitiv steht: ich habe ihn rufen lassen; euphemistisch Er hat es mitgehen lassen ›gestohlen‹. Selten sind Ausnahmen wie wo habt ihr sie hängengelassen?Nur bei der seltenen Umsetzung in das Passiv steht das Partizip: der Koffer ist von ihm stehen gelassen. Im Mittelhochdeutschen lautet das Partizip allgemein lazen ohne ge-, diese Form wurde dann später als Infinitiv aufgefaßt und bewirkte eine Konstruktion mit dem Infinitiv an Stelle des Partizips neben einem anderen Infinitiv wie auch bei den Hilfsverben dürfen, können, mögen, müssen, sollen, ferner bei heißen, sehen, hören (vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 2,367ff. und Geschichte der deutschen Sprache, 51928,471).
5 Auch intransitiv lassen: von jmdm. , von etwas lassen, "ablassen".
6 Umgangssprachlich (jetzt veraltet), ursprünglich nur norddeutsch war intransitiv lassen›sich ausnehmen, aussehen‹: nun läßt der Hut erst schön (Gellert), es würde lassen, als ob ich mich wer weiß wie nötig in Braunschweig glaubte (Lessing), sogar ein weiser Mann, wie es anfangs ließ (Sturz); mit Dativ: diese Tracht lasse ihm (›stehe ihm‹) vorzüglich gut (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 22,15,22), Ohrringe, die ihr so schön ließen (Schiller), auch im Sinne von ›gut stehen‹: es würde nicht lassen, wenn sich Flora rühmen könnte(Lessing), das muß so sein, das läßt, das tut Wirkung (Goethe). Dazu -laß in ⇑ "Ablaß", "Anlaß", "Erlaß", "Verlaß", Aderlaß (↑ "Ader") usw.; ⇑ "ablassen", "auflassen", "auslassen", "einlassen", "entlassen", "erlassen", "überlassen".
1.1 ›nicht verhindern, daß sich etwas von einem entfernt, von einem genommen wird‹; veraltet Tränen, einen Seufzer lassen u.dgl., jetzt noch umgangssprachlich und derb
⊚⊚ einen lassen »eine Blähung [hörbar] abgehen lassen« (L097 GWb; schon Droysen; L264 Daniel Sanders); allgemein Haare lassen (müssen), übertragen ›empfindlichen Verlust erleiden‹ (L264 Daniel Sanders); da haben sie mir Blut gelassen (›abgenommen‹) (Goethe); Blut ist als Objekt auch zu ergänzen in jmdn. zur Ader lassen, in der in ihrem Ursprung nicht mehr verstandenen Wendung wird darum auch Ader Objekt: Man ließ ihm zum Überfluß eine Ader am Arme (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,19,190,17); allgemein das Leben lassen; Er gar demütig die Worte lies (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Der ewige Jude 238); klein Roland läßt den Becher nicht (Uhland); ich las dich nicht / du segenest mich denn (A180 Martin Luther, 1.Mose 32,26); jetzt veraltet der Kaufmann läßt eine Ware um 2 Mark ›verkauft sie für 2 Mark‹.
1.2 ›etwas/ jmdn. zurücklassen, nicht mitnehmen‹: Innsbruck, ich muß dich lassen, früher häufig so, (jetzt und schon bei Luther ↑ "verlassen"; L320 Trübner); bei Dichtern auch noch in neuerer Zeit: ich seh' ihm freudiger entgegen, als ich ihn ließ (Goethe), er ließ die Versammlung (Klopstock); von Sterbenden wie jetzt hinterlassen (1700, das Partizip hintergelassen aber schon 1508; L059 DWb): wenn jemandes Bruder stirbt und läßt ein Weib und läßt keine Kinder (Luther). Damit zunächst verwandt ist
1.3 ›ablassen von einer Tätigkeit, etwas nicht weiterhin tun‹: laß das Rauchen, laß mich (in Ruhe, Frieden usw.); Addi ließ einfach nicht locker(A208 Ulrich Plenzdorf, Leiden 100); vgl. etwas bleibenlassen. Verschieden davon ist
1.4 ›nicht unternehmen‹: es ist besser, wenn du das läßt, etwas gut/ dahingestellt sein lassenusw. (L264 Daniel Sanders); unser Tun und Lassen; vgl. etwas "unterlassen". lassen oft auch
1.5 ›etwas in seinem Zustand lassen‹ (dafür jetzt oft belassen): man… verändert vielleicht was man lassen sollte, läßt was man verändern sollte (A075 Johann Wolfgang von Goethe, I,20,33); Der Einfachheit halber haben wir den Untergrund gleich so gelassen (Bieler; L097 GWb); zuweilen dabei Subjekt und Prädikat das gleiche Wort zur Bezeichnung der völligen Gleichgültigkeit: So ließ ich das Bild Bild sein(Gutzkow; L264 Daniel Sanders). Ungewöhnlich
1.6 lassenmit nominalem Objekt im Sinne von ›zulassen‹: Ihr ließet es doch im Anfange(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Egmont 1,3).
1.7 (wohl zu [1.2]) ›aufbewahrt halten‹: wo läßt du dein Korn?, wo kann ich meinen Mantel lassen?; dazu ↑ "Gelaß"; hierher wohl auch übertragen ich weiß mich nicht zu lassen vor Freude o.ä. (L264 Daniel Sanders).
2 Mit Akkusativ und Dativ ist lassen ›nicht nehmen‹: ich ließ ihr das Geld; übertragen: und läßt ihn seiner Pein(Goethe). Ferner jmdm. die Herrschaft, den Sieg, die Möglichkeit, Zeit, Raum, Freiheit, Ruhe lassen, einer Sache ihren Gang, Lauf lassen; man muß es ihr lassen (›kann es nicht abstreiten‹), daß sie sehr geschickt ist, daß sie alles getan hat u.dgl. Seltener ›in den Besitz eines andern gelangen lassen‹: er ließ ihm das Haus ›verkaufte es ihm‹, vgl. "ablassen"; so auch im Sinne des gewöhnlichen hinterlassen wie (1.2): er ließ den Ring von seinen Söhnen dem geliebtesten (Lessing). Verwandt ist auch eine Wendung wie da sie die Anker aufgehuben, ließen sie sich dem Meer (Luther).
3 Sehr häufig ist lassen mit Akkusativ und prädikativer Bestimmung desselben. Als solche steht ein Adjektiv oder ein entsprechend funktionierendes Adverb: allein lassen, übriglassen, die Tür offen lassen, auflassen, zulassen, Raum freilassen, ich lasse es so, laß alles wie es ist; so gebraucht man passivische Partizipien mit un-zusammengesetzt: ungeschoren, ungestraft, unerörtert, ununtersucht lassen usw. Nicht allgemein üblich sind reflexive Wendungen wie laß dich über das unbekümmert (Tieck), laß dich nur unbesorgt um meine Schwester (Holtei). Noch häufiger stehen Ortsbestimmungen prädikativ: in Berlin, zu Hause, auf der Straße, zur Rechten, beiseite, hinter sich, dort, draußenlassen usw. Desgleichen aus den Ortsbestimmungen erwachsene Zustandsbezeichnungen: in Frieden, zufrieden, in Ruhe, im Irrtum, im Stich, bei einer Meinung, alles beim alten, aus dem Spiel lassen, vgl. noch laß unsern Herr Gott aus dem Spaß (Goethe). Ebenso Richtungsbezeichnungen: aus den Händen, vom Stapel, von sich, hinaus, in das Haus, auf die Straße, nach Hause, zu sich, vor sich, hinein-, hinauf-, weglassen usw. In loslassen, freilassen haben wir den Umschlag zur Bezeichnung positiver Tätigkeit, indem darin die absichtliche Beseitigung eines Hindernisses liegt. Desgleichen z. B. in jmdn. hereinlassen, wenn etwa dazu eine Tür geöffnet werden muß usw. Auch in den reflexiven Verbindungen liegt meistens etwas Positives, vgl. sich niederlassen, herunterlassen, "herablassen" (letzteres auch übertragen); sich zu etwas herbeilassen; sie ließ sich mit ihr nicht ins Wort (Lessing).
4 Als Objekt zu lassenkann ein Infinitiv stehen: laß sehen, leben und leben lassen (↑ "leben"[2]). Gewöhnlich steht neben dem Infinitiv noch ein nominales Objekt, das dann logisch als Subjekt des Infinitivs erscheint: laß die Leute reden. Bei dieser Konstruktion geschah häufig der Übergang zur Bezeichnung einer positiven Tätigkeit, der Übergang von ›zulassen‹ zu ›veranlassen, bewirken‹: der Anführer ließ zum Aufbruch blasen. Der Übergang hat sich wohl zunächst in solchen Fällen vollzogen, wo das im Infinitiv stehende Verb einen nicht auf einem Willensakt beruhenden Vorgang bezeichnet: er ließ die Schlüssel fallen (unabsichtlich oder absichtlich). Heute ist lassen›bewirken‹ sehr häufig, da die früher hierfür zur Verfügung stehenden Verben tun und machen in dieser Verwendung außer Gebrauch gekommen sind. Dabei sind noch verschiedene Besonderheiten zu bemerken. Manche Verbindungen mit lassen nähern sich der Natur eines einfachen Wortes und haben ihre besondere Bedeutungsentwicklung gehabt, z. B. seinlassen ›mit etwas aufhören‹, bleibenlassen ›nicht tun‹, fahrenlassen, fallenlassen, steckenlassen, wissen, merken lassen, sich gehen lassen. Neben sein und werden steht ein prädikatives Adjektiv oder Substantiv (laß gut sein), wo der Kasus erkennbar wird, im Akkusativ: er läßt Gott einen guten Mann sein (L264 Daniel Sanders); doch kommt zuweilen auch der Nominativ vor: lassen Sie den Grafen dieser Gesandte sein (Lessing), der diese Konstruktion als die richtige vertritt (vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 2,323). Von dem Infinitiv eines transitiven Verbs kann ein Objekt abhängen: er ließ seine Abhängigkeit fühlen, laß ihn sich beruhigen. Im 18. Jahrhundert werden die beiden Akkusative nebeneinander gewöhnlich vermieden, und statt des von lassenabhängigen Akkusativs wird der Dativ gesetzt, wohl nicht ohne französischen Einfluß: diese Aufschrift wird Ihnen den Inhalt ungefähr erraten lassen (Lessing), wo man's so nach und nach den Leuten sehen läßt (Goethe); auch später noch er möchte dem Junker wenigstens wissen lassen (H. v.Kleist), lassen Sie mir wissen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 9.6.31 u.ö.) (Nicht hierher gehört ich lasse mir nichts merken, wo mir›an mir‹ ist, wobei aber die umgekehrte Verwechslung vorkommt: ich lasse mich es nicht merken A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 13.9.83.) Der Dativ steht auch, wenn das Objekt zu dem Infinitiv ein Satz ist: er ließ ihnen wissen, daß er morgen früh Dehly verlasse (Wieland), wenn Sie mir wissen lassen(Lessing). Ein Akkusativ kann von dem Infinitiv abhängig sein, ohne daß gleichzeitig ein zweiter (bzw. ein ihn vertretender Dativ) daneben steht, der von lassen abhängig ist: er ließ eine Brücke schlagen. Es ist unrichtig (durch die Rücksicht auf lateinische Konstruktion veranlaßt), hier den Infinitiv als passivisch und den Akkusativ als von lassen abhängig zu fassen, aber es hat doch im Sprachgefühl z. T. eine Umdeutung nach dieser Richtung hin stattgefunden. Man sagt daher nach Analogie der Konstruktion des Passivs er hat von den Soldaten (durch die Soldaten) eine Brücke schlagen lassen(neben die Soldaten eine Brücke); häufig auch reflexiv: er läßt sich von niemandem irre machen. Nicht persönliches Subjekt steht mit reflexivem Akkusativ in Wendungen wie das läßt sich hören ›ist anhörbar‹: ein Geräusch läßt sich hören ›vernehmen‹, ein Komet läßt sich sehen, der Wein läßt sich trinken u.dgl. Der 2.Plural Imperativ steht mit dem ersten Plural als Objekt: laßt uns aufbrechen ›brechen wir auf‹ (diese letzte einfachere Konstruktion ist vor der ersten, schon bei Luther üblichen zurückgewichen, dann im 18. Jahrhundert vom Oberdeutschen aus aber wieder etwas üblicher geworden). Eine Aufforderung mit lassen dient auch zur Einführung einer Annahme, so daß sie die Stelle eines hypothetischen Vordersatzes vertritt: laß mich nur einen großen Mann werden, so sollst du mein Verwalter sein(Schiller). Zu bemerken ist noch, daß, wo lassen mit einem Infinitiv verbunden ist, statt des Partizips Prät. der Infinitiv steht: ich habe ihn rufen lassen; euphemistisch Er hat es mitgehen lassen ›gestohlen‹. Selten sind Ausnahmen wie wo habt ihr sie hängengelassen?Nur bei der seltenen Umsetzung in das Passiv steht das Partizip: der Koffer ist von ihm stehen gelassen. Im Mittelhochdeutschen lautet das Partizip allgemein lazen ohne ge-, diese Form wurde dann später als Infinitiv aufgefaßt und bewirkte eine Konstruktion mit dem Infinitiv an Stelle des Partizips neben einem anderen Infinitiv wie auch bei den Hilfsverben dürfen, können, mögen, müssen, sollen, ferner bei heißen, sehen, hören (vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 2,367ff. und Geschichte der deutschen Sprache, 51928,471).
5 Auch intransitiv lassen: von jmdm. , von etwas lassen, "ablassen".
6 Umgangssprachlich (jetzt veraltet), ursprünglich nur norddeutsch war intransitiv lassen›sich ausnehmen, aussehen‹: nun läßt der Hut erst schön (Gellert), es würde lassen, als ob ich mich wer weiß wie nötig in Braunschweig glaubte (Lessing), sogar ein weiser Mann, wie es anfangs ließ (Sturz); mit Dativ: diese Tracht lasse ihm (›stehe ihm‹) vorzüglich gut (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 22,15,22), Ohrringe, die ihr so schön ließen (Schiller), auch im Sinne von ›gut stehen‹: es würde nicht lassen, wenn sich Flora rühmen könnte(Lessing), das muß so sein, das läßt, das tut Wirkung (Goethe). Dazu -laß in ⇑ "Ablaß", "Anlaß", "Erlaß", "Verlaß", Aderlaß (↑ "Ader") usw.; ⇑ "ablassen", "auflassen", "auslassen", "einlassen", "entlassen", "erlassen", "überlassen".