Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Kult
< lat. cultus›Pflege, Verehrung‹, zunächst (1697; L081 FWb) in dieser Form (bis ins 19. Jahrhundert, z. B. Wagnerkultus; L081 FWb), heute noch in Zusammensetzungen wie Kultusminister (hier amtssprachlich für ›kultureller Bereich‹);1Verehrung einer Gottheit, Gottesdienst, der festen Riten folgtDer Kultus… bestand in Hymnen, Gebeten… (Herder; L151 Josef Kehrein);
2 auch bezogen auf Personen und Sachen, z. B. auf Richard Wagner (s. oben), wenngleich der Kult, den sie mit ihrem Einzigen treibt, leer ist (B.A311 Botho Strauß, Niemand anderes 1987, 114), häufig in Zusammensetzungen wie Kultbuch, Kultfigur, Kultfilmder Sache bzw. Person wird Verehrung und Bewunderung zuteil‹ bzw. zur Bezeichnung einer epochenspezifischen Haltung zu einer Person oder Sache: das Kultbuch der Postmoderne.
kultivieren (1689; L081 FWb) < franz. cultiver, mittellat. cultivare,
1(Land) urbar machen, bebauen‹; übertragen
2.1pflegen, unterhaltenCorrespondenz… zu cultiviren (1699; L081 FWb),
2.2(Sitte, Lebensart, Moral) fortbilden, verfeinern, veredelnkultivire Deinen Charakter (1768 Lessing; L081 FWb), dazu
kultiviert unter den cultivirtesten Völkern(1768 Michaelis; L081 FWb).
Kultur < lat. cultura, franz. culture.
1.1 Entsprechend kultivieren(1) landwirtschaftlich ›Bebauung, AnbauCultur der Seide (1708; L081 FWb), vgl. Agrikultur (1705; L060 2DWb);
1.2 metonymisch ›das Angebaute, Gezüchtete‹, im Labor z. B. Bazillen aus den Malariakulturen (P.A274 Peter Weiss, Abschied 55); übertragen
2.1Pflege, AusbildungCultur der Sprache (1692 Weise; L081 FWb).
2.2 Daneben in der Tradition Ciceros (Cultura autem animi philosophia est ›Denn die Philosophie ist Ausbildung des Geistes‹, Tusculanae Disputationes II 13) ›geistig-moralische Vervollkommnung des Menschen‹. ⇓ "S025" »Dieser philosophische Begriff wurde nun im 18. Jahrhundert durch Übertragung vom Individuum auf das Volk (ja auf die Menschheit) erheblich erweitert… und erlangte so seinen modernen Inhalt« (L081 FWb): Bildung, Cultur und Aufklärung sind Modificationen des geselligen Lebens, Wirkungen des Fleißes und der Bemühungen der Menschen, ihren geselligen Zustand zu verbessern (um 1765 Mendelssohn; L081 FWb); Cultur ist vor allem Einheit des künstlerischen Stiles in allen Lebensäußerungen eines Volkes (1873 Nietzsche; L320 Trübner). Eine deutsche Besonderheit ist die Kontrastierung von Kulturund ↑ "Zivilisation", die bei I.Kant beginnt (vgl. auch W.v.A137 Wilhelm von Humboldt 3,401) und bei O.A240 Oswald Spengler besonders ausgeprägt erscheint (hierzu wie zur Begriffsgeschichte insgesamt L138 HWbPh; M.Pflaum, Die Kultur-Zivilisations-Antithese im Deutschen, in: L069 Europäische Schlüsselwörter 3,288ff.; I.Baur, in: L217 MuSpra 71,220ff.).
Kulturgeschichte (1784 Schlözer; 2L062 DWG2,49), im Titel bei D.H.Hegewisch, Allgemeine Uebersicht der teutschen Culturgeschichte (1788), zuvor Adelung, Versuch einer Geschichte der Kultur des menschl. Geschlechts (1782); im 19. Jahrhundert beliebte Disziplin, vgl. etwa G.Klemm, Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit, 10 Bde. (1843–52).
Kulturkampf"S175" als kirchenpolitisches ⇓ "S192" Schlagwort 1873 von ⇓ "S032" R.Virchow im Wahlprogramm der Fortschrittspartei geprägt (anders schon Goethe; L027 Büchmann).
Kultursprache"S208"
1.1 nahe an "Literatursprache": Auch das Mittelhochdeutsche ist, wie die Kultursprache unserer Zeit, ein wesentlich literarisches Produkt, der Niederschlag großer schöpferischer Talente (1864 Rückert; W.Dieckmann [Hg.], Reichthum und Armut deutscher Sprache, 1989,282);
1.2 »Sprache eines Kulturvolkes« (L337 WdG): Er [der Dichter] ist in einunddreißig Kultursprachen… übersetzt (Hildesheimer; L337 WdG).
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