Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
kühn
gemeingermanisches Adjektiv (gotisch/ altsächsisch nicht belegt), verwandt ↑ "können"; ursprünglich wohl ›erfahren, kundig‹, so altnord. kœnn, altengl. cene, vgl. auch den schon voralthochdeutschen Personennamen Konrad (auch im ⇓ "S067" Familiennamen Kuhnert u.ä.), über die Vorstellung ›erfahren im Kampf‹ zu1.1 ›etwas unerschrocken und mit Bewußtsein der Gefahr wagend, im Handeln mutig‹ (↑ "Mut") (lat. audax), als Tugend des Ritters und Helden, so schon ahd. kuoni, für das Mittelhochdeutsche vgl. Nibelungenlied (ed. Bartsch, Str. 1) von küener recken striten muget ir nu wunder hœren sagen; im 18. Jahrhundert literarisch noch sehr üblich, vgl. Der Muth ists, der den Ritter ehret, / Du hast den kühnen Geist bewähret (A222 Friedrich Schiller, Der Kampf mit dem Drachen), im 19. Jahrhundert »aus dem alltagsleben.. überhaupt meist verdrängt« (L059 DWb1873), heute nur mehr scherzhaft, vgl. den Filmtitel Balduin der kühne Schwimmer, oder historisierend: und Quasi Riek, der kühne Degen, ließ den Schlachtruf… schallen (H.A151 Hermann Kant, Aula 395); negativ für das Übermaß dummkühn (14. Jahrhundert; L060 2DWb), üblicher tollkühn (L105 Georg Henisch 1616), ↑ "toll"; besonders seit dem Frühneuhochdeutschen (Luther) übertragen und erweitert
1.2 ›wagemutig, keck(5), gewagt‹ kühnes Unternehmen, kühne Rede, Antwort (L169 Matthias Kramer 1700); kühne liebkosungen (Goethe; L059 DWb); redensartlich etwas kühn (›schlankweg, ungeprüft‹) behaupten; doch selten mit negativer Bewertung, vgl. "verwegen"(2.2); adverbial inzwischen veraltet kühnlich (mhd. ), auch abgeschwächt ›getrost‹ mag es künlich bleiben lassen (A203 Martin Opitz, Poeterey 35), vgl. "dreist"(1.2). In Poetik und allgemeiner Ästhetik
2.1 ›die Bahnen des Gewohnten verlassend, eindrucksvoll, originell‹ der poet… die gemeine art zu reden weit hinter ihm läszt, alles kühner, bunter und frölicher setzet (1663 Schottel; L059 DWb); Liebhaber von Hyperbolen und kühnen Metaphern (Herder; L151 Josef Kehrein s. v. Metapher); besonders von der (geflügelten) Phantasie: in einem kühnen fluge der einbildungskraft (Goethe; L059 DWb); vgl. "verwegen"(2.3); schließlich in der Wissenschaft
2.2 ›neuartig, eventuell zukunftsweisend‹ kühner Gedanke »welcher die Schranken des Denkens zu überschreiten scheinet« (L003 Johann Christoph Adelung 1775); kühne Idee, These, Hypothese.
Kühnheit (mhd. ) analog entwickelt.
erkühnen (mhd. ) reflexiv oder mit Infinitiv ›sich getrauen‹, vgl. "erkecken", "erdreisten", "erfrechen".
1.2 ›wagemutig, keck(5), gewagt‹ kühnes Unternehmen, kühne Rede, Antwort (L169 Matthias Kramer 1700); kühne liebkosungen (Goethe; L059 DWb); redensartlich etwas kühn (›schlankweg, ungeprüft‹) behaupten; doch selten mit negativer Bewertung, vgl. "verwegen"(2.2); adverbial inzwischen veraltet kühnlich (mhd. ), auch abgeschwächt ›getrost‹ mag es künlich bleiben lassen (A203 Martin Opitz, Poeterey 35), vgl. "dreist"(1.2). In Poetik und allgemeiner Ästhetik
2.1 ›die Bahnen des Gewohnten verlassend, eindrucksvoll, originell‹ der poet… die gemeine art zu reden weit hinter ihm läszt, alles kühner, bunter und frölicher setzet (1663 Schottel; L059 DWb); Liebhaber von Hyperbolen und kühnen Metaphern (Herder; L151 Josef Kehrein s. v. Metapher); besonders von der (geflügelten) Phantasie: in einem kühnen fluge der einbildungskraft (Goethe; L059 DWb); vgl. "verwegen"(2.3); schließlich in der Wissenschaft
2.2 ›neuartig, eventuell zukunftsweisend‹ kühner Gedanke »welcher die Schranken des Denkens zu überschreiten scheinet« (L003 Johann Christoph Adelung 1775); kühne Idee, These, Hypothese.
Kühnheit (mhd. ) analog entwickelt.
erkühnen (mhd. ) reflexiv oder mit Infinitiv ›sich getrauen‹, vgl. "erkecken", "erdreisten", "erfrechen".