Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Kranz
nur hochdeutsches Wort, spätahd. kranz. Kränze werden von alters her zum Schmuck getragen, besonders bei festlichen Gelegenheiten, im Mittelalter auch von Männern und fast regelmäßig beim Tanz. Daran schließt sich der Brauch bei Prozessionen. Die Braut trägt einen Myrthenkranz (Brautkranz, Jungfernkranz), wonach die Brautjungfern, die übrigens nach volkstümlicher Sitte gleichfalls einen Kranz tragen, Kranzjungfern heißen. Tote werden mit einem Kranz geschmückt (Totenkranz). Bei Griechen und Römern war ein Kranz Belohnung für Auszeichnung in Festspielen, im Krieg und bei anderen Gelegenheiten (vgl. "Krone"). Diese Sitte ist auch auf das Mittelalter übergegangen. So erhält der Sieger im Turnier, im Wettschießen einen Kranz. Es gab ein volkstümliches Kranzsingen, und auch in den Meistersingerschulen wurde ein Kranz verliehen. So erhält denn Kranz auch geradezu die Bedeutung ›Auszeichnung, (Ehren-, Sieges-)Preis‹: schon mhd. der eren kranz; Kränze blut'gen Ruhms (Uhland); vgl. Lorbeerkranz (1559 Murner; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt). Nicht nur Menschen werden bekränzt, auch Tiere, teils zum Schmuck, teils zur Auszeichnung: ferner Kruzifixe und Heiligenbilder, Gebäude bei festlichen Gelegenheiten, Särge, Gräber usw. Zeichen glücklich vollendeter Tätigkeit sind Erntekranz, Richtkranz.Häufig gilt ein Kranz als Wirtshauszeichen; ⇓ "S214" südwestdeutsch ist Kranzwirtschaft eine bestimmte Art von Wirtschaft, in der ursprünglich nur Wein eigenen Wachstums ausgeschenkt wurde. Auch Kränze, die nicht aus Blumen und Blattwerk sind, kommen vor: Strohkranz als Schimpf für Verlust der Jungfrauschaft, Pechkranz zur Beleuchtung und namentlich zum Anzünden von Gebäuden; vgl. auch "Rosenkranz"; im Süddeutschen – wohl wegen der Form – übertragen ›Rosinenbrot‹ (↑ "Rosine"; vgl. Kränzchen [s. unten]). Zum Brauchtum ausführlich L140 HWDA5,381ff. ⇓ "S220" Technisch Radkranz, Zahnkranz (L059 DWb); medizinisch Kranzgefäß am Herzen (L004 Johann Christoph Adelung). Übertragen: Kranz von Strahlen, von Büschen, von Hecken, von Gärten, von Bergen, von Menschen (die Damen in schönem Kranz Schiller) usw.; etwas anders Liederkranz, Balladenkranz. Seit dem 18. JahrhundertKränzchen Bezeichnung einer Gesellschaft, ursprünglich einer solchen, die sich abwechselnd bei einem der Mitglieder versammelt; Zusammensetzungen Musikkränzchen, Lesekränzchen, Kaffeekränzchen, Tanzkränzchen usw. Ferner nach der Form ein Gebäck (vgl. Kranz[s. oben]): Frankfurter Kränzchen.
kränzen (in ahd. Glossen Partizip kachraztaz; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), veraltend, gewöhnlich bekränzen, umkränzen.
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