Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Kopf
ahd. / mhd. kopfaus ⇓ "S120" mittellat. cuppa ›Becher‹ (mit Übergang zum Mask. nach ahd. gebalKopf‹), ursprünglich1Gefäß‹, speziell ›Trinkgefäß von kugeliger Form‹ (engl. cup), vgl. einen Kopf Wein (G.Keller). Diese Bedeutung ist erhalten in Schröpfkopf, Tassenkopf, wohl auch in Pfeifenkopf, die aber heute so empfunden werden, als liege eine metaphorische Verwendung von (2) zugrunde.
2 Die heutige Bedeutung von Kopf als Körperteilbezeichnung ist wohl entwickelt über die Zwischenstufe ›Hirnschale‹ (hirnkopf mhd. mehrfach belegt). ⇓ "S218" Sie ist im Mittelhochdeutschen noch selten, auch Luther hat noch vorwiegend ↑ "Haupt". Als Sitz der Gedanken kann nur Kopf, nie Haupt gebraucht werden; viele traditionelle Wendungen mit Kopf, die sich z. T. leicht erklären, z. B.
⊚⊚ wie vor den Kopf geschlagen seinäußerst verblüfft sein‹ (Lessing; L059 DWb); jmdm. den Kopf waschenzurechtweisen‹ (frühnhd.); vgl. L059 DWb, L258 Lutz Röhrich, L296 Keith Spalding, L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander; ferner z. B. ⇑ "Bude", "Hals", "Hand". Körpersprachlich mit dem Kopf nickenbejahen‹, den Kopf schüttelnverneinen‹. Früher auch er hat Kopf: die sich ihres bißchen Kopfs überhöben und glaubten(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Werther 19,104,5); bis heute er ist ein Kopf: Herr Firmin… ist… , wenn auch eben kein Kopf, doch ein geschickter Arbeiter (Schiller). Als Sitz des Willens erscheint Kopfin Wendungen wie
⊚⊚ er hat seinen Kopf für sich, auch den Kopf, das Köpfchen aufsetzen (›auf seinem Willen beharren‹).
3 Personen werden nach äußerer oder innerer Beschaffenheit ihres Kopfes bezeichnet: ein kluger, feiner Kopf; viele ⇓ "S048" Zusammensetzungen: Graukopf, Kahlkopf, Lockenkopf, Weißkopf; ⇑ "Dickkopf", "Dummkopf", "Schlaukopf"; Brausekopf,Hohlkopf, Schafskopf, Schwachkopf, Starrkopf; ⇑ "Hitzkopf", "Kindskopf", "Querkopf", "Strohkopf", "Trotzkopf" usw.
4"S027" Übertragen heißen Teile eines Gegenstandes Kopf nach ihrer Gestalt und nach ihrem Verhältnis zu anderen Teilen: ↑ "Kehlkopf", Kohlkopf, Krautkopf, Mohnkopf; Balkenkopf, Brückenkopf, Nadelkopf, Nagelkopf, Säulenkopf , Kopf eines Berges usw. Kopf und Schwanzdie beiden Enden eines Dinges‹.
Köpfchen"S050" im Sinne von ›Verstand‹: Sie/ er hat Köpfchen! nach Kopf haben (Logau; L059 DWb), dazu
Köpfchen, Köpfchen (»mit entsprechender Fingeranzeige« L177 Heinz Küpper VI) ›selbstgefälliger Hinweis auf eigene Ideen, Einfälle‹ (Anfang des 20. Jahrhunderts; ebenda). Dazu
köpfen um 1450, älter enthaupten, mhd. enhoubeten (wohl Lehnübersetzung von mittellat. decapitare); beim ⇓ "S205" Fußballspiel den Ball köpfen; Kopfhänger 18. Jahrhundert nach Jesaja 58,5 u. a. als Pietistenschelte, dazu
kopfhängerischtrübsinnig‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 27,232,6).
kopflosverwirrt, unbesonnen‹ (L033 Joachim Heinrich Campe).
kopfscheu L003 Johann Christoph Adelung 1775, ursprünglich von Pferden, die sich nicht gern an den Kopf greifen lassen, dann übertragen auf Menschen: ich bin kopfscheu geworden (›durch schlechte Erfahrungen vorsichtig‹).
Kopfgeld (L308 Kaspar Stieler 1691)
1 das vom einzelnen zu zahlen ist »an die Obrigkeit« (L004 Johann Christoph Adelung), veraltet;
2 das zur Ergreifung eines Verbrechers gezahlt wird (L097 GWb);
3 das nach 1961 von der BRD für Häftlinge der DDR gezahlt wurde, um diese freizukaufen.
Kopfschmerz (L308 Kaspar Stieler), meist Plural, vorwiegend ⇓ "S165" ostmitteldeutsch;
Kopfweh (1572; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) vorwiegend ⇓ "S212" süddeutsch, dazu Nordhessen, Hannover, Schleswig-Holstein und niederdt. kopwehdage (vgl. L048 DWAIII).
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