Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
können
ahd. kunnan, mhd. kunnen, künnen; Präteritopräsens (vgl. "dürfen"), gemeingermanisch, verwandt mit lat. (g)nosco, griech. gignosko ›ich erkenne‹ (got. kunnan ›erkennen‹); ⇑ "kennen", "kund", "Kunst". Das Präteritum lautete noch bis ins 17. Jahrhundert kunde, kunte, verkürzt kunt, welche Form noch von neueren Dichtern altertümelnd gebraucht wird: wenn dir der Dreck gefallen kunt (: Grund) (Goethe); daß ich kein Wörtlein sprechen kunt (: Mund) (Heine). Über die Verwendung des Infinitivs statt des Partizips vgl. "dürfen". Die ursprüngliche Bedeutung ist ›wissen‹, aber schon im Mittelhochdeutschen wird es meistens nur gebraucht, wenn es sich um ein auf Tätigkeit bezogenes Wissen, eine erlernte Fertigkeit handelt. Dieser Gebrauch dauert im Neuhochdeutschen fort. Am nächsten der ursprünglichen Bedeutung steht auswendig können, in welchem Sinn auch können allein steht: er kann viele Gedichte, Geschichten; doch spielt auch hier die Vorstellung mit, daß man das Erlernte vortragen kann. Sicher auf erlernte Fähigkeit bezieht es sich in eine Sprache, ein Handwerk, eine Kunst, Französisch können; veraltete Konstruktion: der kann wohl auf Saitenspiel(Luther); am häufigsten mit Infinitiv, was im Althochdeutschen erst allmählich üblich geworden ist: sprechen, lesen, schreiben, rechnen, Geige spielen können. An die Stelle des Wissens, Verstehens trat mehr und mehr die Vorstellung des Imstandeseins und damit die heutige Bedeutung, der sich auch die zu dem älteren Gebrauch stimmenden Fälle unterordnen. Damit hat können die Funktion übernommen, die im Mittelhochdeutschen mügen (nhd. ↑ "mögen") hatte. Das Können kann jetzt von den verschiedensten Faktoren abhängig sein, wie Körperkraft, Vermögen, äußeren Umständen usw.; auch von einem Wissen, vgl. kannst du mir seinen Namen sagen, den Weg zeigen? Man gebraucht können auch um auszudrücken, daß kein fremder Wille entgegensteht: das kannst du meinetwegen tun; es nähert sich so der Bedeutung von ↑ "dürfen". Der Akkusativ eines Substantivs kann neben können, wenn es nicht mehr eine Fertigkeit bezeichnet, nicht stehen, sondern außer dem Infinitiv nur der Akkusativ eines Pronomens oder pronominalen Adjektivs: er kann Vieles, Manches, etwas, nichts. Ungewöhnliche Konstruktion: ach! wenn ich etwas auf dich könnte! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3422). Noch weiter entfernt sich können von der ursprünglichen Bedeutung, wenn ein lebloser Gegenstand oder eine Zustandsbezeichnung zum Subjekt gemacht wird: das Wasser kann nicht eindringen; der Brief kann nicht verlorengehen; die Anmaßung kann nicht geduldet werden. Auch ein Satz kann als Subjekt stehen: es kann sein, daß er kommt. Nicht anders verhält es sich, wenn zwar ein lebendes Wesen Subjekt ist, es aber keinen Willensakt ausführt: er kann sterben, betrogen werden im Sinne von es kann sein, daß er stirbtusw. Ungewöhnlich absolut: das kann nicht ohne mich(Grillparzer). Wie andere Hilfsverben wird können in bezug auf Raumverhältnisse gebraucht: er kann nicht hinein, heraus, durch, vorwärts, nach Hause usw. (↑ "dürfen"). Hierher gehört auch mit uneigentlicher Verwendung ↑ "umhinkönnen". Nichts für etwas können bedeutete ursprünglich ›nichts dagegen können, nicht imstande sein (gewesen sein), etwas zu verhindern‹, jetzt aber ›nicht schuld sein‹. ⇑ "abkönnen", "ankönnen" – Lit.: G.Deggau, Über den Gebrauch und die Bedeutungs-Entwicklung der Hilfs-Verben »können« und »mögen« (1907); G.Klarén, Die Bedeutungsentwicklung von können, mögen und müssen im Hochdeutschen (1913); R.Peilicke, Zum Bedeutungswandel der Modalverben können und mögen, in: Linguistische Studien Reihe A. 159 (1987),5ff.
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