Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
klassisch
1 Bei Gellius (2. Jh.n.Chr.) classicus scriptor ›mustergültiger Schriftsteller‹; so auch entsprechend franz. classique, im Deutschen zuerst 1748 Wedekind in bezug auf L091 Johann Christoph Gottscheds ›Deutsche Sprachkunst‹ es ist kein zweifel dasz sie sich klassisch machen werde (L059 DWb); auch für L003 Johann Christoph Adelung (1774) ist ein klassischer Schriftsteller übertragen »ein Schriftsteller von Geschmack, der in seinen Schriften die möglichste Vollkommenheit und Reinigkeit erreichet hat«; ebenso bezieht Lessing (1759) klassisch auf Shaftesbury und Logau, Adelung (1782 Magazin für die Deutsche Sprache I.1,40) auf deutsche Literaten: Die wenigen Classischen Schriftsteller, welche Deutschland in Ansehung der Sprache aufzuweisen hat, sind entweder wirklich Obersachsen, oder haben doch ihre ganze Bildung in Obersachsen und aus obersächsischen Schriftstellern erhalten; R.Hildebrand im L059 DWb(1873): selbst klassisches mittelhochdeutsch ist nun nicht unerhört.2.1 Gewöhnlich aber wird klassisch(1) auf Autoren der Antike bezogen: 1767 A121 Johann Gottfried Herder (1,412): O das verwünschte Wort: Classisch! Es hat uns den Cicero zum Classischen Schulredner; Horaz und Virgil zu Classischen Schulpoeten… gemacht;
2.2 es wird dann weitgehend synonym mit ↑ "antik"(1): classische Bildung… auf classischem Boden(1794 Herder; L081 FWb).
3 A075 Johann Wolfgang von Goethe bringt klassisch als typologischen Begriff in einen Gegensatz zu ↑ "romantisch": Classisch ist das Gesunde, romantisch das Kranke (Maximen und Reflexionen 42.2,246); vgl. Baeumer, Der Begriff ›klassisch‹ bei Goethe und Schiller, in: R.Grimm/ J.Hermand (Hgg. ), Die Klassik-Legende, 1971,17ff. Im Anschluß an klassisch(1) jargonal verflacht
4.1nach altem Brauch, typischclassisch war, was wir getrieben, classisch selber der Pedell (Deutsche Lieder nebst ihren Melodien, 1843,229);
4.2vorbildlich‹, z. B. im Sport ein klassischer Konter.
Klassiker"S127" im wesentlichen nach klassisch(1) und (2): 1774 Schubart die lateinischen Klassiker (L081 FWb); Die vortreflichsten Stücken unserer deutschen Klassiker sind Nachbildungen der Alten (C.A.Böttiger, Über den Misbrauch der Deutschen Lectüre, 1787,29); zudem nach (4.2) ›Künstler bzw. Wissenschaftler, deren Werke mustergültig sind und Orientierung geben‹, in der DDR waren demnach Marx und Engels Klassiker (des Marxismus-Leninismus (L337 WdG)); auch ›klassisch gewordenes Werk‹ (L098 2GWb); vgl. W.Brandt, Das Wort »Klassiker« (1976).
Klassik bei L266 Daniel Sanders FWb 1871 noch in der Bedeutung des älteren KlassizitätMustergültigkeit‹ (Schiller; L151 Josef Kehrein) belegt: So hat sich Goethe zur Höhe nationaler Klassik erhoben (Hillebrand), später literarhistorischer ⇓ "S061" Epochenbegriff (vgl. weiter L256 2RL, L289 Günther und Irmgard Schweikle). Inzwischen mehr kunsthistorisch
Klassizismus"S061" (der die Kunst der Antike zum Vorbild hat), anders Goethe: Klassizismus und Romanticismus (vgl. klassisch[3]).
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